Belletristik REZENSIONEN

Ganz ohne enge Freunde...

Russin
Mit tödlichen Folgen
Aus dem Russischen von Ganna-Maria Braungardt
Taschenbuch, Deutsche Erstausgabe
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/Main 2003, 224 S.
 
Sie haben mir schon gefehlt: Anastasija (Nastja, Nastenka) Kamenskaja, Korotkow, Gordejew (genannt: Knüppelchen), die drei Ermittler von der Moskauer Miliz. Nach einer mir selbst verordneten Zwangspause (ausgefüllt mit Krimis von Daschkowa, Jusefowitsch, Malyschewa, Akunin...) war ihr siebter Fall für mich dann wieder unterhaltend und spannend - ohne Mystik und ohne melancholische Russen, deren russische Seele (was immer das ist...) sich am Samowar und mit Balalaikamusik erst so richtig entfaltet. Der Inhalt und dessen Lösung ist auch nicht abwegig, was mir so manchen Krimi anderer Autoren vermiest.

In Anastasijas siebten Fall wird die schöne Schauspielerin Alina Wasnis ermordet. Ihr Geliebter und Regisseur Andrej Smulow zeichnet den Ermittlern das Bild einer komplizierten Frau: "Alina war unglaublich verschlossen, (...), ich hatte immer wieder das Gefühl, sie überhaupt nicht zu kennen,(...). Ich habe natürlich gesehen, dass Alina Talent hat, das war unbestritten. Aber es war alles irgendwie (...) verwaschen vielleicht (...). Es war offensichtlich, dass sie am Set nicht alles gab, dass irgendwas sie hemmte, auch wenn sie sich sehr bemühte." Der Leser weiß indes schon, dass sie so verschlossen und unnahbar ist, weil ihr in ihrer Kindheit sexuell nachgestellt wurde.

Alina Wasnis - ohne enge Freunde, auch ohne Busenfreundin - erfreut sich unter ihren Schauspielerkollegen nicht gerade großer Beliebtheit, besonders die Frauen mögen sie nicht, einige hassen sie sogar; einer hat sie aber auch übel mitgespielt. An Mordverdächtigen mangelt es also nicht, fünf werden unter die Ermittler-Lupe genommen. Der Stammleser der Marinina ahnt schon, dass der Mörder nicht unter ihnen ist. Bei der Marinina kann der Mörder durchaus ein Außenseiter sein, aber der aufmerksame Leser bekommt von ihr versteckte Hinweise. Einer, der im Buch erst ganz zum Schluss dazukommt, und ein (Zufalls-)Mörder ist (wie bei Jusefowitschs "Im Namen des Zaren") so etwas gibt es bei der gewieften Autorin (die selbst zwanzig Jahre bei der Moskauer Miliz gearbeitet hat) nicht.

Mit tödlichen Folgen (Was für ein langweiliger Titel!) ist zwar schon Alexandra Marininas siebter Band mit denselben Ermittlungsbeamten, aber die einzelnen Bücher bauen nicht aufeinander auf, sind also jeweils auch für Neueinsteiger geeignet. Sowieso arbeitet die Marinina - meist geschickt - die Charaktereigenschaften ihrer wiederkehrenden Helden bei jedem Band neu ein. Und so weiß auch der Neueinsteiger über die Kamenskaja, dass sie es liebt (nach Plan) zu faulenzen, dass sie literweise Kaffee trinkt, nicht gut schießt, keinen Sport liebt, Schlafprobleme hat, langweilig und fad aussieht. Was der Leser diesmal nicht erfährt: dass sie nachgerade zu einer Schönheit wird, wenn sie sich herausputzt.

Wie immer bei Büchern russischer Autoren hat man mit den Vornamen, Vatersnamen, Familiennamen so seine Schwierigkeiten. Und wenn dann noch die Kosenamen dazu kommen: Da kann zum Beispiel aus Wladislaw Wlad, Slawa oder Dima werden. Da muss man dann auch schon mal zurückblättern... Aber damit nicht genug: Schreibt sich die undurchsichtige Schauspielerin im Buchtext Wasmis, so steht im Verlagstext auf des Buches Rücktitel Vasnis. Solche Unkorrektheiten von Seiten der Verlage kann ich auf den Tod nicht leiden...

Gisela Reller / www.reller-rezensionen.de 
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Ins Netz gestellt am 26.05.2005. Letzte Bearbeitung am 23.11.2019.

Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet.

Freundschaft braucht nicht Gesetz noch Schwert.
Sprichwort der Russen

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