Belletristik REZENSIONEN

Tanjas erster Fall

Russin
Nichts wäscht weißer als der Tod
Aus dem Russischen von Helmut Ettinger
Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 2006, 376 S..

Darja Donzowa (eigentlich Agrippina Donzowa) ist eine von acht Krimiautorinnen - Anna Dankowtsewa, Polina Daschkowa, Alexandra Marinina, Anna Malyschewa, Viktoria Platowa, Tatjana Stepanowa, Tatjana Ustinowa - in meiner Webseite. Die wenigen weiblichen Detektive" [...], schreibt Peter Nusser, Professor für Neuere deutsche Literatur an verschiedenen amerikanischen und deutschen Hochschulen in seinem Buch "Der Kriminalroman" (Verlag J. B. Metzler, Stuttgart / Weimar) sind entsprechend jungfräulich oder altjüngferlich." Nun, die Harfenistin Tanja ist weder das eine noch das andere, aber sie ist ja auch nur eine Laiendetektivin. Bisher hatte Tanja, die eigentlich Jefrossinja heißt, "wie eine Prinzessin gelebt". Doch nachdem sie von ihrem Mann ("großzügig, vermögend und verständnisvoll. Tausende Frauen würden für einen solchen Mann bedenkenlos ihr rechtes Auge hergeben.") betrogen worden ist, gerät sie (absichtlich) auf endloser Chaussee unter ein Auto "in eisiger Pfütze". Die Unglückfahrerin, eine Schilddrüsenspezialistin, erbarmt sich ihrer und nimmt sie - die in Zukunft auf Wohnung, Datscha, zwei Autos, eine Hausangestellt, mehrere Auslandsurlaube im Jahr und natürlich auf ihren Angetrauten zu verzichten gedenkt - mit zu sich nach Hause, in eine chaotische Familie mit großem Sohn und dessen Freundin, mit zehnjährigem Sohn, zwei Katzen, drei Hunden, drei Hamstern und der Kröte Gertrud. Unerwartet wird die "Prinzessin" Haushälterin, Kindermädchen und Tierpflegerin. Doch eines Tages wird Katja - Tanja hat sich in der trubligen Familie eingelebt - von einem Kriminellen "dick wie ein Faß" entführt. Wenn in zwei Wochen nicht bestimmte Dokumente aufgetrieben sind, droht er, würde "sich Katha die Radieschen von unten angucken". Nun also kam zu Tanjas Aufgaben als Haushälterin, Kindermädchen und Tierpflegerin noch die Arbeit der Ermittlerin hinzu. Aber Tanja schlägt sich wacker. Natürlich geht erst mal alles mögliche schief, aber Tanja ist gelehrig. (Schließlich hat sie die oben genannten Krimiautorinnen gar wohl studiert, dumm nur, dass "diese Damen so langsam schreiben". In ihrem todlangweiligen Dasein als "Prinzessin" waren Kriminalromane ihr einziger Lichtblick gewesen...)

Darja Donzowa wurde 1952 in Moskau geboren. Sie studierte Journalistik an der Moskauer Lomonossow-Universität, arbeitete zunächst als Übersetzerin und unterrichtete später Französisch und Deutsch. Seit 1998 schreibt sie Kriminalromane, mittlerweile sind es vier Krimi-Reihen (eine davon ist die Tanja-Reihe und Nichts wäscht weißer als der Tod der erste Titel.). Sie hat bisher 46 Bücher (!) veröffentlicht, von denen insgesamt 42 Millionen Exemplare (!) verkauft wurden.  Darja Donzowa wurde in Russland dreimal Schriftstellerin des Jahres, 2002 und 2003 wurde jeweils eines ihrer Bücher mit dem Preis "Bestseller des Jahres" ausgezeichnet. Darja Donzowa moderiert im russischen Rundfunk eine Talkshow. Ihre Kriminalromane dienten als Vorlage für Hörspiele und Fernsehserien. Sie lebt mit ihrem Mann, drei Kindern und ihren Hunden in Moskau.

Darja Donzowa hat mit diesem ersten Buch der Tanja-Reihe" einen lockeren Alltagskrimi geschrieben, der spannend ist und - was besonders gefällt - selbstironisch: "Mein Zeugnis war übersichtlich. Dreien in allen Fächern." - "Mischa ist dreißig, ich dagegen bin schon sechsunddreißig und sehe aus wie eine kranke Heuschrecke."- "Das Geschirrspülen gelang mir diesmal  schneller als am Abend zuvor, und nach einigem Zögern wischte ich sogar noch den Gasherd ab. Ohne Krusten und Flecke wirkte er gleich viel netter."

*

Unangenehm berührt hat mich auf Seite 24, dass die Ärztin Katja ihre Hunde, die unter dem Tisch Unfug treiben, mit den Worten zur Ordnung ruft: "Schluß da unten mit dem Tschetschenienkrieg." Ich weiß, dass die Russen auf die Tschetschenen, überhaupt auf die Kaukasier, nicht gut zu sprechen sind, sie "Schwarze", sogar "Schwarzärsche" nennen. Jurij Schmidt, Halbjude, ein bekannter russischer Menschenrechtler, dessen Vater als "Politischer" siebenundzwanzig Jahre im Gefängnis verbrachte, dazu: "Der alltägliche Antisemitismus wird heutzutage ein wenig abgeschwächt durch den `Antikaukasismus´."


Gisela Reller / www.reller-rezensionen.de

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Am 30.08.2011 ins Netz gestellt. Letzte Bearbeitung am 20.11.2019.

Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet.

Ein Reicher macht viele schöne Worte und vollbringt wenig schöne Taten.
Sprichwort der Russen

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