Kinderbuch-JugendbuchREZENSIONEN

Die Macht der Musik...

Engländerinnen
Simeons Geschenk
Aus dem Amerikanischen von Sabine Frankholz
Mit Bildern von Gennadij Spirin
Esslinger Verlag J. F. Schreiber, Esslingen 2005

 

 

 

 

Aus dem Esslinger Verlag J. F. Schreiber habe ich bereits diese schönen Kinderbücher vorgestellt: "Das Märchen vom Zaren Saltan" von Alexander Puschkin; "Kaschtanka" von Anton Tschechow; "Die Nase" von Nikolaj Gogol; "Die kleine schwarze Henne" von Antony Pogorelskij; "Märchen-Samowar" von Puschkin, Gogol und Tschechow.

Nun liegt Simeons Geschenk von zwei sehr interessanten Autorinnen vor, von Mutter und Tochter!

Julie Andrews Edwads, die Mutter, wurde 1935 in Walton-on-Thames in England geboren. Mit ihrer Interpretation der Eliza Doolittle in "My Fair Lady" wurde sie als Schauspielerin berühmt; für ihre Rolle der Mary Poppins im gleichnamigen Disney-Film erhielt sie 1966 den Oscar. Nach einer missglückten Operation verlor sie 1997 für ein Jahr die Stimme, seit dieser Zeit schreibt sie Kinderbücher, sie lebt in Los Angeles.

Emma Walton Hamilton ist die Tochter von Julie Andrews Edwards, die ihre Kinderbücher zusammen mit ihrer Mutter schreibt. Sie arbeitet außerdem als Cheflektorin für einen amerikanischen Kinderbuchverlag. In ihrer Freizeit engagiert sich Emma Walton Hamilton für Jugendtheaterprojekte wie zum Beispiel für das Bay Street Theater in Sag Harbor, New York, das sie mitbegründet hat.

In Simeons Geschenk schreiben die beiden Autorinnen sehr poetisch über die Macht der Musik. Simeon, ein armer, bescheidener Lautenspieler - "ohne Erziehung aufgewachsen, doch voller Sanftmut und der Natur zugetan" - liebt die schöne Sorrel. Doch er schämt sich seiner Armut und glaubt, seiner großen Liebe nicht würdig zu sein, bevor er nicht ein großer Musiker geworden ist. Deshalb zieht er in die Welt hinaus, um die unterschiedlichsten Geräusche und Klänge, Melodien und Rhythmen in sich aufzunehmen. Schweren Herzens nimmt er von Sorrel Abschied und verspricht ihr, mit Geschenken zurückzukehren, "die ihrer Treue und ihrer Geduld wert sein würden. Er reiste viele Tage lang und viele Meilen weit."  Unterwegs nimmt er in sich das kraftvolle Trommeln der Soldaten auf, die Lieder von Mönchen, die sich im Loblied des Herrn harmonisch vereinen, die verwirrend-lauten Geräusche einer großen Stadt und staunt über einen jungen Dichter, der es versteht, Worte zu gebrauchen, die in ihm "starke Bilder und Gefühle zu wecken wussten". [...] "Im Vergleich zu allem, was er gesehen hatte und im Vergleich zu der großartigen Musik und Poesie, die er gehört hatte, erscheinen ihm seine Versuche, Lieder zu schreiben, klein und unbedeutend. Ermattet und verzweifelt glaubte er, das ihn selbst seine einfachen Lieder und Melodien verlassen hatten. [...] Mit leeren Händen und auch ohne die versprochenen Geschenke, überkam ihm dennoch plötzlich der dringende Wunsch, seine geliebte Sorrel wieder zu sehen und sie in seine Arme zu schließen." Er tauschte seine Laute gegen einen alten Kahn und etwas zu essen ein und brach auf, immer flussabwärts... Während seiner Reise fliegt ihm ein leuchtend bunter Vogel zu, rettet er einen "herrlich rosa und golden schimmernden Fisch" vor dem Verspeistwerden, und einem Reh entfernt Simeon einen spitzen Stein aus dem Huf. Simeon hat sich inzwischen aus Schilfrohr eine Flöte geschnitzt, auf der er gar schöne Weisen spielte. Als er und seine drei Gefährten - der Vogel, der Fisch und das Reh - im Heimatdorf ankommen, weint Sorrel vor Glück und sagt: "Was hast du für wunderschöne Geschenke mitgebracht! Einen Vogel, der für uns singt, einen Fisch, der in unserem Fluss schwimmt und ein schönes Reh, das bei mir bleiben wird und seinen Kopf in meinen Schoß legt, wenn ich träume. Aber das Schönste von allem ist, dass du, mein Geliebter, wieder zu Hause bist und dass wir wieder vereint sind."

Illustriert ist Simeons Geschenk von dem Russen Gennadij Spirin, 1948 in Orechowo-Sujewo, einem kleinen Dorf bei Moskau geboren. Spirin genoss als Künstler auch in der Sowjetunion großes Ansehen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion verließ er 1990 mit seiner Frau Raissa und seinen "geliebten Söhnen" - denen er dieses Buch gewidmet hat - Russland, lebte ein Jahr in Deutschland und ging dann in die USA - nach Princeton, New Jersey. Der jüngste Sohn, Andrej, stand Modell für das Buch "Philipok" von Leo Tolstoj. Die ersten Kinderbuchillustrationen von Gennadi Spirin stammen aus dem Jahre 1979, seit 1986 arbeitet er mit dem Esslinger Verlag zusammen. Seine filigranen Miniaturen zeichnen sich durch viele Details aus und sind märchenhaft schön und historisch korrekt. Doch ich muss meinem sechsjährigen Enkel Lenny recht geben, manche Illustration ist in gar zu dunklen Farben gehalten.


Gisela Reller / www.reller-rezensionen.de
 
Weitere Rezensionen zur Person des russischen Zeichners "Gennadij Spirin":

Weitere Rezensionen zu "Titel der klassischen russischen Kinderliteratur":
 
  • Anthologie, Märchen-Samowar, (Darin: Nikolaj Gogol, Der Jahrmarkt von Sorotschinzy; Anton Tschechow, Kaschtanka;
    Nikolaj Gogol, Die Nase; Alexander Puschkin, Das Märchen vom Zaren Saltan.).
  • Anton Čechov (Tschechow), Kaschtanka und andere Kindergeschichten.
  • Antony Pogorelskij, Die kleine schwarze Henne. 
  • Leo Tolstoj, Philipok.
  • Anton Tschechow (Čechov), Kaschtanka.
  • Anton Tschechow, Die Jungen[s].
  • Sergej Puschkin, Das Märchen vom Zaren Saltan.

Am 30.08.2011 ins Netz gestellt. Letzte Bearbeitung am 27.11.2019.

Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet.

 
Gleiches Lied - gleicher Brauch.
Sprichwort der Russen


 

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