Belletristik REZENSIONEN

25 russische Autoren und 190 Rezepte

Russin
Die Poesie der russischen Küche
Kulinarische Streifzüge durch die russische Literatur
Mit zahlreichen Rezepten und 24 Linolschnitten von Jana Kuschtewskaja unter Mitarbeit von Lilia Baischewa
Grupello Verlag, Düsseldorf 2003, 159 S.

"Wer kochen kann, der kocht, wer nicht kochen kann, schreibt Kochbücher!", meint die Mutter von Tatjana Kuschtewskaja, die ihr beim Aufspüren alter Rezepte behilflich war.

Ob Tatjana Kuschtewskaja kochen kann, weiß ich nicht, aber interessante Kochbücher schreiben, das kann sie, die ich bisher als Reporterin ("Russische Szenen") und als Erzählerin ("Mein geheimes Russland") kannte und schätzte. Ihre kulinarischen Streifzüge durch die russische Literatur weist sie sowohl als Nicht-Kostverächterin als auch als Literaturkennerin aus. In diesem kulinarisch-literarischen Buch sind fünfundzwanzig Schriftsteller vertreten, auch die Autorin selbst, die ein nenzisches Leberdessert vorstellt.

Tatjana Kuschtewskaja, geboren 1947 in der Turkmenischen SSR, verbrachte ihre Jugend in der Ukraine. Sie studierte Musikpädagogik an der Musikhochschule von Artjomowsk und arbeitete als Musikpädagogin in Jakutien (heute Republik Sacha). 1976 bis 1981 studierte sie an der Filmhochschule in Moskau, war 1983 bis 1991 Leiterin eines Meisterkurses für Drehbuchautoren, lebt seit 1991 in Berlin.

Die Autorin stellt die fünfundzwanzig Prosaisten und Poeten (Achmatowa, Aksakow, Bitow, Bulgakow, Bunin, Dostojewskij, Giljarowskij, Gogol, Gontscharow, Ilja Ilf, Wenedikt Jerofejew, Jessenin, Kuprin, Kuschtewskaja, Pasternak, Paustowskij, Jewgenij Petrow, Puschkin, Schmeljow, Soschtschenko, Alexej Tolstoj, Lew Tolstoj, Trifonow, Tschechow, Turgenjew) mit Leseproben vor, in denen Gerichte genannt werden und bringt dazu die mühsam zusammengetragenen Rezepte, 190 an der Zahl: für Suppen, Vorspeisen, Salate, Fleischgerichte, Geflügel-, Wild-, Fischgerichte, Beilagen, Teigwaren, Eierspeisen, herzhaftes Gebäck, Süßspeisen, Eingemachtes, Getränke, russische Hausmittelchen, Aphrodisiaka...

Das Gericht, das ich versuchen werde nachzukochen wird "Borschtsch nach Hetmans Art" sein - zum seligen Angedenken an den Hetman Pavlo Skoropadskyj? Man nehme für dieses auf Nikolaj Gogol zurückzuführendes Gericht: 500 g Rinderbrust, 500 g Hühnerfleisch, 30 g Zwiebeln, 250 g Möhren, 200 g rote Bete, 800 g Weißkohl, 800 g Kartoffeln, 500 g Bohnen, 500 g Auberginen, 1 Knoblauchknolle, 100 g Speck, frische Kräuter, Gewürze und Salz. Und so wird dieser Borschtsch zubereitet: Hühnerfleisch und Rinderbrust in kaltem Wasser aufsetzen, Zwiebeln und Lorbeerblätter dazugeben und bei starker Hitze mindestens 2-3 Stunden kochen. Fleisch aus der Brühe nehmen und in mundgerechte Stücke schneiden, die Brühe durchseihen, salzen und nochmals erhitzen. Die Fleischstücke sowie die in Streifen geschnittene Roten Beete in die kochende Brühe geben. Sobald die Rote Beete halbgar ist, Kartoffeln in Scheiben, Weißkohl in Streifen schneiden und hinzugeben. Knoblauch klein hacken, Speck durch den Fleischwolf drehen. Beides gut miteinander vermischen und zum Borschtsch geben. Möhren und Zwiebeln andünsten, Bohnen separat kochen, (frische oder eingelegte) Auberginen in Butter anbraten und pürieren. Das Gemüse eine Viertelstunde vor Ende der Garzeit des Borschtsch zugeben. Mit gehackten Kräutern servieren. "Nach dem Genuss eines solchen Borschtsch wird jeder zum großen Strategen", schreibt Tatjana Kuschtewskaja. "Nicht umsonst trägt das Gericht  den Beinamen `Hetman´. Im 16. und 17. Jahrhundert hatte dieser Begriff die Bedeutung "Herrscher der Ukraine und Führer der Kosakenarmee"; das Wort selbst stammt ursprünglich vom deutschen `Hauptmann´."

Leider hat Tatjana Kuschtewskaja nie die Personenzahl angegeben, die das stets üppige Mahl verzehren soll.

Die vierundzwanzig Linolschnitte stammen von der Tochter der Autorin, geboren 1974 in Lensk (Jakutien), die als freie Künstlerin und Bühnenbildnerin in Moskau lebt.

Gisela Reller / www.reller-rezensionen.de

 

Weitere Rezensionen zum Thema "Verlagsgeschichte, Literaturen/Literaturgeschichte Russlands und der Sowjetunion":

  • Simone Barck / Siegfried Lokatis (Hg.), Fenster zur Welt. Eine Geschichte des DDR-Verlages Volk & Welt.
  • Ralph Dutli, Erzählte russische Literaturgeschichte, Hörbuch.
  • Leonhard Kossuth, Volk & Welt. Autobiographisches Zeugnis von einem legendären Verlag.
  • Pëtr Kropotkin, Ideale und Wirklichkeit in der russischen Literatur.
  • Reinhard Lauer, Kleine Geschichte der russischen Literatur.
  • Fritz Mierau, Mein russisches Jahrhundert. Autobiographie.
  • Valeria M. Netchaeva, Lernen Sie Rußland kennen! Ein Lehrbuch der literarischen Landeskunde.
  • Sergio Pitol, Die Reise. Ein Besuch Russlands und seiner Literatur.
  • Ilma Rakusa, Von Ketzern und Klassikern. Streifzüge durch die russische Literatur.
  • Klaus Städtke (Hrsg.), Russische Literaturgeschichte.
Weitere Rezensionen zum Thema "Kochen":

  • Wladimir und Olga Kaminer, Küche totalitär. Das Kochbuch des Sozialismus.

Am16.12.2004 ins Netz gestellt. Letzte Bearbeitung am 22.11.2019.

Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet.

  
Dieser Linolschnitt...
...zum nenzischen Leberdessert
stammt von Jana Kuschtewskaja.

 


 [  zurück  |  drucken  |  nach oben  ]