Vorab!

Leider kommt im Internet bei meinem (inzwischen veralteten) FrontPage-Programm  längst nicht alles so, wie von mir in html angegeben. Farben kommen anders, als von mir geplant, Satzbreiten wollen nicht so wie von mir markiert, Bilder kommen manchmal an der falschen  Stelle, und - wenn  ich  Pech  habe  -  erscheint  statt  des  Bildes  gar  eine  Leerstelle.

Was tun? Wer kann helfen?

 

*

Wird laufend bearbeitet!

 

 

Wir sind WEPSEN: Mitglieder des "Chors der Wepsen" in Scholtosero.

Foto: Gabi Mühlenbrock (aus dem Bild- und Textband von Klaus Bednarz, Das Kreuz des Nordens, 2007)

Zeichnung: Karl-Heinz Döhring

 

"Die Seele, denke ich, hat keine Nationalität."

Juri Rytchëu (tschuktschischer Schriftsteller, 1930 bis 2008) in: Im Spiegel des Vergessens, 2007

 

Wenn wir für das eine Volk eine Zuneigung oder gegen das andere eine Abneigung hegen, so beruht das, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht, auf dem, was wir von dem jeweiligen Volk wissen oder zu wissen glauben. Das ist – seien wir ehrlich – oft sehr wenig, und manchmal ist dieses Wenige auch noch falsch.  

Ich habe für die Berliner Illustrierte FREIE WELT jahrelang die Sowjetunion bereist, um – am liebsten - über abwegige Themen zu berichten: über Hypnopädie und Suggestopädie, über Geschlechtsumwandlung und Seelenspionage, über Akzeleration und geschlechtsspezifisches Kinderspielzeug... Außerdem habe ich mit jeweils einem deutschen und einem Wissenschaftler aus dem weiten Sowjetland vielteilige Lehrgänge erarbeitet.* Ein sehr interessantes Arbeitsgebiet! Doch 1973, am letzten Abend meiner Reise nach Nowosibirsk – ich hatte viele Termine in Akademgorodok, der russischen Stadt der Wissenschaften – machte ich einen Abendspaziergang entlang des Ob. Und plötzlich wurde mir klar, dass ich zwar wieder viele Experten kennengelernt hatte, aber mit der einheimischen Bevölkerung kaum in Kontakt gekommen war.  

Da war in einem magischen Moment an einem großen sibirischen Fluss - Angesicht in Angesicht mit einem kleinen (grauen!) Eichhörnchen - die große FREIE WELT-Völkerschafts-Serie** geboren!  

Und nun reiste ich ab 1975 jahrzehntelang zu zahlreichen Völkern des Kaukasus, war bei vielen Völkern Sibiriens, war in Mittelasien, im hohen Norden, im Fernen Osten und immer wieder auch bei den Russen. 

Nach dem Zerfall der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zog es mich – nach der wendegeschuldeten Einstellung der FREIEN WELT***, nun als Freie Reisejournalistin – weiterhin in die mir vertrauten Gefilde, bis ich eines Tages mehr über die westlichen Länder und Völker wissen wollte, die man mir als DDR-Bürgerin vorenthalten hatte.

Nach mehr als zwei Jahrzehnten ist nun mein Nachholebedarf erst einmal gedeckt, und ich habe das Bedürfnis, mich wieder meinen heißgeliebten Tschuktschen, Adygen, Niwchen, Kalmyken und Kumyken, Ewenen und Ewenken, Enzen und Nenzen... zuzuwenden. 

Deshalb werde ich meiner Webseite www.reller-rezensionen.de (mit inzwischen weit mehr als fünfhundert Rezensionen), die seit 2002 im Netz ist, ab 2013 meinen journalistischen Völkerschafts-Fundus von fast einhundert Völkern an die Seite stellen – mit ausführlichen geographischen und ethnographischen Texten, mit Reportagen, Interviews, Sprichwörtern, Märchen, Gedichten, Literaturhinweisen, Zitaten aus längst gelesenen und neu erschienenen Büchern; so manches davon, teils erstmals ins Deutsche übersetzt, war bis jetzt – ebenfalls wendegeschuldet – unveröffentlicht geblieben. 

Sollten sich in meinem Material Fehler oder Ungenauigkeiten eingeschlichen haben, teilen Sie mir diese bitte am liebsten in meinem Gästebuch oder per E-Mail gisela@reller-rezensionen.de mit. Überhaupt würde ich mich über eine Resonanz meiner Nutzer freuen!

Gisela Reller 

    * Lernen Sie Rationelles Lesen" / "Lernen Sie lernen" / "Lernen Sie reden" / "Lernen Sie essen" / "Lernen Sie, nicht zu rauchen" / "Lernen Sie schlafen" / "Lernen Sie logisches Denken"...

 

  ** Im 1999 erschienenen Buch „Zwischen `Mosaik´ und `Einheit´. Zeitschriften in der DDR“ von Simone Barck, Martina Langermann, Siegfried Lokatis (Hrsg.), erschienen im Berliner Ch. Links Verlag, ist eine Tabelle veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass die Völkerschaftsserie der FREIEN WELT von neun vorgegebenen Themenkreisen an zweiter Stelle in der Gunst der Leser stand – nach „Gespräche mit Experten zu aktuellen Themen“.

(Quelle: ZA Universität Köln, Studie 6318)

 

*** Christa Wolf zur Einstellung der Illustrierten FREIE WELT in ihrem Buch "Auf dem Weg nach Tabou, Texte 1990-1994", Seite 53/54: „Aber auf keinen Fall möchte ich den Eindruck erwecken, in dieser Halbstadt werde nicht mehr gelacht. Im Gegenteil! Erzählt mir doch neulich ein Kollege aus meinem Verlag (Helmut Reller) – der natürlich wie zwei Drittel der Belegschaft längst entlassen ist –, daß nun auch seine Frau (Gisela Reller), langjährige Redakteurin einer Illustrierten (FREIE WELT) mitsamt der ganzen Redaktion gerade gekündigt sei: Die Zeitschrift werde eingestellt. Warum wir da so lachen mußten? Als im Jahr vor der `Wende´ die zuständige ZK-Abteilung sich dieser Zeitschrift entledigen wollte, weil sie, auf Berichterstattung aus der Sowjetunion spezialisiert, sich als zu anfällig erwiesen hatte, gegenüber Gorbatschows Perestroika, da hatten der Widerstand der Redaktion und die Solidarität vieler anderer Journalisten das Blatt retten können. Nun aber, da die `Presselandschaft´ der ehemaligen DDR, der `fünf neuen Bundesländer´, oder, wie der Bundesfinanzminister realitätsgerecht sagt: `des Beitrittsgebiets´, unter die vier großen westdeutschen Zeitungskonzerne aufgeteilt ist, weht ein schärferer Wind. Da wird kalkuliert und, wenn nötig, emotionslos amputiert. Wie auch die Lyrik meines Verlages (Aufbau-Verlag), auf die er sich bisher viel zugute hielt: Sie rechnet sich nicht und mußte aus dem Verlagsprogramm gestrichen werden. Mann, sage ich. Das hätte sich aber die Zensur früher nicht erlauben dürfen! – "Das hätten wir uns von der auch nicht gefallen lassen", sagt eine Verlagsmitarbeiterin.

Wo sie recht hat, hat sie recht.“

 

 

 

Zeichnung: Karl-Heinz Döhring

 

„Wir werden den Ruf des „Kalevala“- Epos, der in den Jahrtausenden dieser Region wurzelt, folgen. Der Fahrtwind wird uns mit dem Runengesang des Mythos Kalevala umwehen. Die Karelische Birke mit ihrem gemaserten Holz wird uns den Weg weisen. Der Klang der Kantele wird mit uns sein. Russisch-Karelien wir kommen!“

Das Bike Portal

 

Wenn Sie sich die folgenden Texte zu Gemüte geführt und Lust bekommen haben, Karelien zu bereisen und auch die Wepsen kennenzulernen, sei Ihnen der Reiseveranstalter ? empfohlen; denn – so lautet ein wepsisches Sprichwort -

 

Aufenthalt in fremdem Land mehrt und kräftigt den Verstand.

(Hier könnte Ihre Anzeige stehen!)

 

 

 

 

 

Die WEPSEN [VEPSEN]… (Eigenbezeichnung: Vepsäläinen, auch Lüdilaine)

Zuhause sind die Wepsen im Norden Russlands. Europas größter See, der Ladogasee, begrenzt ihr Gebiet im Westen, Europas zweitgrößter See, der Onegasee, im Osten. Die Wepsen sind - nach den Kareliern - die größte nationale Minderheit in Russisch-Karelien.

"Zu Sowjetzeiten galten die Wepsen, gleich den Kareliern, als Separatisten und offene oder heimliche Verbündete der Finnen, ihre Russifizierung war Moskaus erklärtes Ziel."

Klaus Bednarz in: Das Kreuz des Nordens, 2007

Bevölkerung: Nach   der   Volkszählung von   1926   zählten die  Wepsen 32 783  Angehörige; 1939  wurden 31 442 599 Wepsen gezählt; 1959  waren es 16 170 Wepsen; 1970 gleich 8 057; 1979 gleich 7 550; 1989 gleich 12 142; 2002 gleich 8 240;  nach der letzten Volkszählung von 2010 gaben sich 5 936  Personen als Wepsen  aus. Die Wepsen unterteilen sich in drei Hauptgruppen: Nordwepsen - in Karelien um den Onegasee, südlich der karelischen Hauptstadt Petrosawodsk. Mittelwepsen: vor allem um Sankt Petersburg, südlich des Onegasees und westlich des Sees Belo Osero, in der russischen Oblast Wologda und im russischen Gebiet Sankt Petersburg. - Südwepsen: östlich der Stadt Sankt Petersburg und im Südosten des Gebiets Sankt Petersburg. 72 Prozent der Wepsen leben in der Karelischen Republik, zu Russland gehörig. - Die Wepsen sind Nachkommen eines alten und zahlreichen Stammes, der bereits in vorgeschichtlicher Zeit von der Südküste des Finnischen Meerbusens aus die Gebiete zwischen Ladoga-, Onega- und Belo-See (Weißer See) erreicht zu haben scheint. - Ein starker Zuzug der Russen nach Karelien begann, als Zar Peter der Große am Onegasee 1703 eine Waffenfabrik anlegen ließ und somit die Stadt Petrosawodsk (= Werk Peters) begründete.

 

 

Zar Peter I. (der Große) - nach dem Gemälde von Paul Delaroche.

Foto aus: Rellers Völkerschafts-Archiv

 

Lange bewahrte ihre Abgeschiedenheit die Wepsen vor Assimilierung und Auflösung. Doch im letzten Jahrhundert ist die Welt sich näher gekommen, mit der Abgeschiedenheit ist es vorbei - die Anzahl der Wepsen ist von über 30 000 Angehörigen (1926) auf knapp 6 000 (2010) geschrumpft.

Fläche: Die Wepsen haben keine eigene nationale Staatlichkeit; die Fläche der Karelischen Republik, in der sie vorrangig leben, beträgt 172 400 Quadratkilometer.

Geschichtliches: Wenig ist über die Geschichte der Wepsen bekannt, selbst die Bedeutung ihres Volks-Namens  Lüdilaine ist unklar. Ihre erste Erwähnung finden die Wepsen wahrscheinlich in den Chroniken des Jordanes - einem spätantiken römisch-gotischen Gelehrten und Geschichtsschreiber - der im 6. Jahrhundert über die Völker ’’Vas’’ und ’’Vasina’’ schreibt.  Im 9. Jahrhundert erwähnen russische Chroniken die ’’Ves’’ sowohl als Ausdruck für ein Volk als auch für das Land, das sie bewohnen. Auch hier wird davon ausgegangen, dass die heutigen Wepsen gemeint sind. Schon im 9. und 10. Jahrhundert hatten die Wepsen zahlreiche Kontakte mit der Bevölkerung der Stadtrepublik Nowgorod, unter deren Herrschaft sie sich zu russifizieren begannen. Auf die Bühne der Weltgeschichte gelangten die Wepsen erstmals durch den Tribut, den sie seit dem 11. Jahrhundert den Nowgorodern pflichtig waren. Felle, Honig und Holz füllten die Kontore der mächtigen Handelsrepublik und bescherten Nowgorod Wohlstand. Die Anwesenheit der Wepsen in der Region wird auch durch Überreste aus Grabhügeln bestätigt, die zwischen 950 und 1100 am südöstlichen Ufer des Ladogasees und in der Region des Flussdeltas von Wolchow und Swir angelegt wurden. In den Gräbern gefundener skandinavischer Schmuck deutet auf Handelsbeziehung zwischen den finno-ugrischen Völkern und westlichen Stämmen hin. Zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert stießen die „Ves“ Richtung Osten und Süden vor und erreichten so das östliche Ufer des Ladogasees. Kurz nach dem 12. Jahrhundert verschwand der Name „Ves“ aus russischen Quellen, was russische Historiker zu der Annahme veranlasste, die Wepsen hätten sich assimiliert und seien in der russischen Bevölkerung aufgegangen. Doch die Wepsen konnten ihre ethnische Unabhängigkeit bewahren und lebten weiterhin in ihrer Heimatregion, in dessen südlichen Teil sie Anfang des 11. Jahrhunderts zur Minderheit geworden waren. Mit Nowgorod kamen die Wepsen am Ende des 15. Jahrhunderts unter die direkte Herrschaft der Moskauer Großfürsten und Zaren. Russische Kolonisation führte zu gebietsweiser Enteignung der Wepsen und zu Leibeigenschaft der ortsansässigen Bevölkerung. Als Reaktion darauf emigrierten viele Wepsen ab dem 15. Jahrhundert in Richtung Norden und Nord-Osten. Durch die sich ausweitende russische Kolonisation sind die finno-ugrischen Völker meist inselartig angesiedelt, so auch die Wepsen, die keine unabhängige administrative Einheit darstellten. Viele Wepsen assimilierten sich mit den Kareliern. Wissenschaftler wurden erst im 19. Jahrhundert auf die Wepsen aufmerksam, nachdem Andreas Johan Sjögren 1824 erstmals über sie schrieb. Sjögren war ein finnlandschwedisch-russischer Sprachwissenschaftler, Historiker, Ethnograph und Forschungsreisender. Dennoch sollte es noch Jahrzehnte dauern, bis sich ein klares Bild über das wepsische Land und die Lebensumstände der Wepsen abzeichnete. Während des Fortsetzungskrieges im zweiten Weltkrieg okkupierte Finnland das wepsische Gebiet am Onegasee. Die finnischen Besetzer richteten eine finnische Verwaltung und ein Bildungssystem ein. Das nationale Selbstverständnis der Wepsen als eigene Ethnie geht immer mehr verloren, überall findet eine Assimilation mit der russischen (und karelischen) Sprache, Religion und Kultur statt.  Politisch gehören die Wepsen zu den kleinen indigenen Völkern des russischen Nordens, Sibiriens und des Fernen Ostens, die im Dachverband RAIPON ( = “Russian Association of Indigenous Peoples of the North”) organisiert sind.

Staatsgefüge: Das 20. Jahrhunderts begann im Hinblick auf die Entwicklung einer nationalen Identität vielversprechend für die Wepsen. Dabei wurden sie von der damaligen offiziellen sowjetischen Nationalitätenpolitik unterstützt. 24 administrative Einheiten wurden gegründet, von denen einige auch in zwei Bezirke unterteilt waren. Die stalinistische Politik unterdrückte dann alle aufkeimenden Bestrebungen der Wepsen. Alle nationalen und kulturellen Aktivitäten wurden verboten; ab 1937 war allein Russisch Kultursprache. Wepsische Schulen wurden geschlossen, Schulbücher verbrannt und wepsische Intellektuelle verfolgt. Die Nationalbezirke wurden abgeschafft und die Wepsen assimilierten sich zunehmend mit der russischen, teilweise auch mit der karelischen Bevölkerung. - Die Wepsen haben heute keine eigene nationale Staatlichkeit.

Verbannungsgebiet: Karelien war schon zur Zarenzeit Verbannungsort für politische Häftlinge. Da das klimatisch unwirtliche Karelien in der Nähe von Sankt Petersburg (Leningrad) liegt, verschickte man dorthin weit mehr Menschen als nach Sibirien. Von Karelien sprach man deshalb auch als von dem `nahen Sibirien´.

Hauptstadt: Scholtosero, fünfzig Kilometer von Kareliens Hauptstadt Petrosawodsk entfernt, ist ein Dorf mit knapp eintausend Einwohnern am Westufer des Onega-Sees; es gilt als das kulturelle Zentrum der Wepsen.

Wirtschaft: Die natürlichen Rohstoffvorkommen Kareliens schließen Holz, Eisenerze, Chrom- und Titanmagneterze, Vanadium, Molybdän, Gold, Granit, Marmor, Quarze und Diamanten ein. - Die Industrie ist durch Holzgewinnung und –verarbeitung, Zellulose- und Papierindustrie, Bergbau und Metallurgie, sowie Maschinenbau geprägt. - Die Landwirtschaft der Region konzentriert sich u .a. auf Ackerbau (Kartoffeln und Gemüse), Weidewirtschaft, Viehzucht und Fischfang. Die Wepsen sind vorrangig in der Landwirtschaft tätig.

"Zwanzig Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion bringen die Männer das Heu wieder per Hand ein. Heuhaufen trocknen auf den Feldern. Die alten Maschinen rosten derweil vor sich hin, für neue hat hier niemand Geld."

Robert Neu in: Russland HEUTE vom 24. Dezember 2012

Die Wepsen sind aber auch traditionell erfahrene Steinmetze; in St. Petersburg haben wepsische Meister eine ganze Reihe von Brücken errichtet.

Verkehr:  Eine Eisenbahnlinie und Autobahnen, die quer durch die Republik Karelien führen, verbinden die Region und den Hafen von Murmansk mit St. Petersburg, Moskau, Zentralrussland und Finnland. Durch das System von Flüssen, Seen und Kanälen ist Karelien mit der Barentssee, der Ostsee, dem Schwarzen Meer und dem Kaspischen Meer verbunden.

Sprache/Schrift: Das Wepsische gehört zur Südostgruppe der ostseefinnischen Sprachen. Die Wepsen sind ihrer Herkunft und ihrer Sprache nach mit den Finnen verwandt. - In den 1930er Jahren war der Versuch unternommen worden, aus den drei wepsischen Dialekten eine Literatursprache zu entwickeln, doch kam es nur zur Veröffentlichung weniger Textbücher und Grammatiken. Das erste Buch in wepsischer Sprache erschien 1932. Insgesamt wurden zwischen 1932 und 1937 mehr als zwanzig Bücher  veröffentlicht; der Großteil waren Schulbücher.  1931 bis 1937 war das Wepsische in Lateinschrift geschrieben worden.  Ab 1937 unterdrückte die stalinistische Politik die aufkeimenden Bestrebungen der Wepsen nach einer eigenständigen Literatursprache. Alle nationalen und kulturellen Aktivitäten wurden verboten; ab 1937 war allein Russisch Kultursprache. Wepsische Schulen wurden geschlossen, Schulbücher verbrannt und wepsische Intellektuelle verfolgt. Die Nationalbezirke wurden nach kurzer Zeit wieder abgeschafft, und die Wepsen wurden gezwungen, sich in die russische Bevölkerung zu assimilieren.

„Es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass es vor der sowjetischen Nationalpolitik in den 30er Jahren im Unterricht Wepsisch weder als Unterrichtssprache noch als Unterrichtsfach gab.“

Aus einer Magisterarbeit der Universität Wien,

betreut von Prof. Dr. Johanna Laasko, 2009

- 1 638 Wepsen bezeichnen sich in den 1960er Jahren als Muttersprachler. Der Anteil der Wepsen, die Wepsisch als ihre Muttersprache angeben, steigt seit den 1970er Jahren. - Die Kultur- und Amtssprache ist heute Russisch. - Seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts ist Wepsisch in der Schule und im Kindergarten von Scholtosero Pflichtfach - drei Stunden pro Woche. Wepsisch als Pflichtfach gilt allerdings nur bis zur siebenten Klase. Danach, bis zum russischen Abitur in Klasse elf, wird die Sprache nur noch in freiwilligen Kursen angeboten. Im Kindergarten werden die Kleinen ab dem dritten Lebensjahr spielerisch an das Wepsische herangeführt. In Petrosawodsk gibt es neuerdings einen Lehrstuhl für Sprache und Kultur der Wepsen. Aber obwohl seit knapp zwanzig Jahren Wepsisch wieder in der Schule gelehrt wird, glaubt kaum ein Wepse an die Wiedergeburt des Wepsischen. Tatsächlich ist der Erfolg des Sprachunterrichts bei den jungen Leuten bescheiden, denn zwar wird den wepsischen Schülern Lesen und Schreiben beigebracht, doch sie benutzen diese Sprache in ihrem Alltag kaum. Während bei den alten Wepsen (über 65 Jahre) 90 Prozent der Befragten wepsisch als ihre Muttersprache angeben, sind es bei den unter Dreißigährigen nur noch etwa fünf Prozent. Der Gebrauch ist weitgehend auf das Private beschränkt. In den Amtsstuben kommen sie mit wepsisch nicht weiter. 2011 hat gerade einmal ein Student seinen Abschluss an der Fakultät für wepsische Sprache und Kultur in Petrosawodsk gemacht

"Es gibt Lehrbücher der wepsischen Sprache, eine wepsische Grammatik - alle Exemplare so neu, dass man glaubt, noch die Druckerschwärze zu riechen."

Klaus Bednarz in: Das Kreuz des Nordens, 2007

Literatursprache/Literatur: Nikolai Abramow (geboren 1961) ist der bekannteste wepsische Schriftsteller. Er wurde als Angehöriger der wepsischen Minderheit geboren und studierte an der Pädagogischen Hochschule in Leningrad sowie in Petrosawodsk. 1994 erschien sein erstes Werk in wepsischer Sprache, eine Gedichtsammlung. Hierbei handelte es sich um die erste nach 1937 veröffentlichte Sammlung von Gedichten auf Wepsisch. Inzwischen sind 1999 und 2005 zwei weitere Bücher von ihm erschienen. Nikolai Abramow ist auch Übersetzer literarischer Werke aus dem Finnischen, Estnischen und Ungarischen. 1993 war er Mitbegründer der in Petrosawodsk herausgegebenen wepsischen Zeitschrift „Kodima, des wichtigsten Sprachrohrs der Wepsen. „Kodima“ („Heimatland“) erscheint in tausend Exemplaren, im Format A3 und umfasst jeweils 4 bis 8 Seiten. Sie wurde von dem wepsischen Schriftsteller Nikolai Abramow begründet.; einzelne Artikel erscheinen auf Russisch.

Bildung: Anfangs war die Sowjetmacht auch für die Wepsen ein Segen. „Die Bolschewiki schufen spezielle wissenschaftliche Zentren zur Erforschung der Sprachen und Kulturen der in der UdSSR lebenden Völker. Die Herausgabe von Büchern und Zeitschriften in der Sprache der Minderheiten wurde von der bolschewistischen Führung energisch unterstützt", schreibt der Moskauer Historiker Andrej Subow. Seinen Angaben nach wurden 1934 Schulbücher in 104 Sprachen herausgegeben, darunter auch in Wepsisch. Erstmals überhaupt wurde die Sprache damit verschriftlicht. Doch Stalin misstraute jeder Art nationalen Selbstbewusstseins. Er legte Wert auf eine Zersplitterung der Volksgruppen, weshalb die administrativen Grenzen teils sehr willkürlich festgelegt wurden. Und so sind die Wepsen bis heute auf drei verschiedene Regionen verstreut: auf Karelien, auf Wologda und auf das Gebiet Leningrad. Überall sind die Wepsen eine kleine Minderheit ohne Autonomie. Bei den Wepsen begannen die Repressionen 1937. „Alle wepsischen Lehrbücher wurden verbrannt“, erzählt die Petrosawodsker Linguistin Nina Saizewa, die sich als gebürtige Wepsin der Bewahrung ihrer Sprache verschrieben hat. "Vielerorts wurde Wepsisch aus dem Unterricht vollständig verbannt und in den privaten Gebrauch zurückgedrängt. In einigen Schulen wurden die Kinder sogar dafür bestraft, wenn sie sich in den Pausen in ihrer Muttersprache unterhielten", berichtet Saizewa. Der Druck auf die Wepsen habe bis in die 1980er Jahre angehalten, sagt sie. Eine ganze Generation begann, die Muttersprache zu vergessen. Und selbst in Scholtosero, dem wepsischen Zentrum, sind die Wepsen inzwischen eine Minderheit; denn um einer Arbeit willen, sind viele in die Stadt gezogen.

Kultur/Kunst: Die reichhaltige Tradition des kleinen indigenen wepsischen Volkes wird nur noch in einigen Dörfern praktiziert. Die dekorative Kunst der Wepsen zeigt sich an bestickten Blusen, Hemden, Röcken, Kopfbedeckungen, Tüchern und Bettlaken aus weißem Leinen. Alte Muster und ihre späteren Varianten hielten sich bis ins 19. Jahrhundert, die traditionellen Farben waren Weiß und Rot. Das am häufigsten vorkommende Motiv ist ein Baum und eine weiblichen Figur in der Mitte, zu deren Rechten und Linken Pferde, Reiter und Vögel angeordnet sind. Der Baum steht dabei als Symbol für das Leben, während die Frauenfigur in ihrer Haltung mit erhobenen Händen als Symbol der Fruchtbarkeit gilt. Die Pferde kann man als Zeichen der Sonne verstehen, die Reiter stehen für die Naturgötter. Ab dem 19. Jahrhundert verloren diese Symbole allerdings ihre religiöse Bedeutung und wurden fortan als abstrakte geometrische Muster präsentiert. - Die Wepsen zeigen wie andere finno-ugrische Völker eine besondere Vielfalt an Schnitzereitechniken. So schnitzten sie Krüge in Form von Booten, deren Henkel als Pferde- oder Vogelkopf enden. Diese wurden in verschieden Größen hergestellt, in erster Linie zum Biertrinken, aber auch für Beerdigungsrituale. - Originale Zeugnisse der wepsischen Kultur befinden sich im 1967 gegründeten Ethnographischen Museum von Scholtosero, das mit dem Leben, der Wirtschaftsführung, der Kunst und Kultur der Wepsen bekanntmacht. - Über Russisch-Karelien hinaus berühmt ist der "Chor der Wepsen". Die Sängerinnen, nur wenige Männer sind im Chor, bevorzugen zarte, lyrische Lieder, die die Schönheit der karelischen Landschaft (mehrstimmig) besingen. Der Chor besteht nur zur Hälfte aus "reinen Wepsen". Die anderen Sängerinnen sind Russen oder stammen aus gemischten Familien. Aber alle vereint die Liebe zur wepsischen Sprache und Kultur. - 1999 entstand auf Initiative der Gesellschaft für die Kultur der Wepsen das Folkloreensemble "Kewäz´wezi", das am Republikanischen Zentrum der nationalen Kulturen in Petrosawodsk angesiedelt ist. Die zehn Mitglieder des Kollektivs sind Wepsinnen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Berufe, die sich für die einheimische traditionelle Kultur interessieren.  Grundlage des Repertoires des Ensembles sind lyrische Volkslieder der Wepsen, eine rituelle und nichtrituelle Musikfolklore, die in traditioneller Gesangsform dargeboten wird. Aufgeführt werden außerdem wepsische Volkssiele und Tänze in traditioneller Choreographie. Der wepsische Gesang zeichnet sich durch einen "ungemein kraftvollen, sich streng im Raum orientierenden Klang aus, der mit dem Gesang eines Wolfes assoziiert wird". Das Folkloreensemble "Kewäz´wezi" nahm an vielen internationalen Wettbewerben teil und erhielt viele Auszeichnungen. Es versteht seine kreative Aufgabe vor allem im Erhalt und in der Neuschöpfung der traditionellen wepsischen Kultur.

Das einstige Gehöft eines reichen Bauern im Dorf Scholtosero am Westufer des Onega-Sees beherbergt das Heimatmuseum der Wepsen; Scholtosero wurde 1543 erstmals urkundlich erwähnt.

Foto: Gabi Mühlenbrock (in dem Bild- und Textband von Klaus Bednarz, Das Kreuz des Nordens)

Natalja Anchimowa, leitet in Scholtosero das Wepsen-Museum, untergebracht in einem schönen alten Holzbau aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts. Im schön renovierten Museum werden die alten Handwerke der Wepsen ausgestellt und das typische Interieur einer traditionellen Bauernhütte. 2011 hat Natalja Anchimowa mithilfe des Kulturministeriums und der Potanin-Stiftung das multimediale Bildungsprojekt „Zu Gast bei den Wepsen“ gestartet. Sie fährt regelmäßig in die Dörfer, um Daten über den Alltag der Wepsen zu sammeln. Das Ganze wird auf einer mobilen Datenbank gelagert und kommt im Unterricht zum Einsatz.

Gesundheitswesen: Die von Wepsen bewohnte Region musste Ende des 18. Jahrhunderts zwei Pestepidemien durchmachen, welche viele Opfer in der Bevölkerung forderte. - Nicht weit vom Naturschutzgebiet „Kiwatsch“ befindet sich das Sanatorium „Kiwatsch“. Das ist das berühmteste Sanatorium von Karelien. Hier bietet man eine reiche Palette verschiedener Dienste an: Aromatherapie, Moorbehandlung, Blutegelbehandlung… Bei uns würde man dieses Sanatorium eine „Wellness-Oase“ nennen. Das Hauptkriterium der erfolgreichen Behandlung sind das örtliche kristallklare Wasser und die reine Luft. Das Sanatorium und seine Angestellten wurden bereits mehrfach Preisträger für wissenschaftlich-medizinische Entwicklungsarbeiten.

Klima: Das Klima in Karelien wird durch das Weiße Meer und das Nordmeer geprägt, weshalb das karelische Klima Züge des Kontinental- und Meeresklimas aufweist. Das führt zu kalten Wintern und recht frischen Sommern. Im Durchschnitt erreichen die Temperaturen in Karelien 13 Grad minus im Winter und 15 Grad plus im Sommer. Die durchschnittliche Jahrestemperatur liegt in Karelien bei plus 3 Grad, wobei der mit minus 11 Grad kälteste Monat der Februar ist. Der wärmste Monat ist mit plus 17 Grad der Juni. Die höchste aufgezeichnete Temperatur in Karelien betrug plus 35 Grad, die niedrigste lag bei minus 44 Grad.

Natur/Umwelt: Karelien ist mit einer grandiosen Natur gesegnet. Die karelische Landschaft stellt eine Fortsetzung der finnischen Seenlandschaft nach Osten dar, weswegen auch zahlreiche Seen in Karelien liegen. Im Süden befinden sich mit dem Ladogasee und dem Onegasee die zwei größten Seen Europas. Insgesamt werden etwa 60 000 Seen gezählt, 49 Prozent der Fläche Kareliens sind Waldgebiet, 25Prozent Wasserfläche.  – 1984 entstand ein 30 Kilometer nördlich der Stadt Kostomukscha gelegenes Naturschutzgebiet mit 50 000 Hektar Fläche. Eine Zierde dieses Naturschutzgebietes ist der See Kamennoje, in dem sich seltene Fischarten wie Lachs, Äsche, Maräne und Quappe tummeln.

Pflanzen- und Tierwelt: Geprägt wird Karelien von weiten Wäldern mit Nadelbäumen (Kiefern, Gemeine Fichten, Finnische Fichten, Sibirische Fichten und Sibirische Lärchen), Laubbäumen (Besenbirke, Hängebirke, Espe und Graue Erle; es kommen auch Linden, Bastulmen, der Spitzblattahorn und die Schwarze Erle vor); an den Seeufern sowie an den Rändern von Feldern und Wiesen gedeihen Weiden, Graue Erlen, Faulbeersträucher und Ebereschen. Kareliens Waldgebiet ist der größte Sauerstoffproduzent Europas. - Karelien ist eine von Gletschern geformte Landschaft. Ein Viertel Kareliens sind Moore, sie erstrecken sich über große Flächen und befinden sich in einem wilden und Natur belassenen Zustand, wie man ihn nur noch selten in Europa findet. – Das meistverbreitete Tier der karelischen Wälder ist das Eichhörnchen. Der Hirsch des Nordens, das Rentier, ist den Verhältnissen des karelischen Nordens ausgezeichnet angepasst. In den Espenwäldern leben Elche, auch Luchs, Marder, Hermelin, Wolf und Bär kommen vor. In der Einsamkeit Kareliens sind Tiere zu Hause, die in Westeuropa sonst kaum noch zu finden sind. Das größte ist der Braunbär, dessen Population - in ganz Karelien - auf bis zu eintausend Tiere geschätzt wird. Da die Tiere gesetzlich geschützt sind und weder geschossen noch gefangen werden dürfen, vermehrt sich ihr Bestand kontinuierlich.  Zuwachs gibt es auch aus Russland, da immer wieder Bären über die Grenze kommen. Auch mehrere Hundert Wölfe bevölkern die vielen Wälder - sehr zum Leidwesen der Rentierzüchter, deren Tiere ab und an Opfer von Bären oder Wölfen werden. Ein besonders seltenes Tier lässt sich mit etwas Glück im Saimaa-Seengebiet beobachten: die Saimaa-Ringelrobbe, die im Unterschied zu ihren Verwandten, den Ringelrobben, im Süßwasser lebt. Tiere, die man mit Karelien sofort verbindet, sind natürlich Elch und Ren. Elche wie Rentiere gibt es in solchen Massen, dass sie vor allem im Straßenverkehr für Probleme sorgen. Der Elchbestand wird jedes Jahr durch gezielte Abschüsse reduziert, erholt sich jedoch sehr schnell wieder. Rentiere hingegen werden nicht geschossen - sie sind halbdomestizierte Tiere, die von Züchtern in großen Herden gehalten werden. Zweimal im Jahr werden die Tiere aussortiert, die geschlachtet werden sollen. Ebenso wenig dürfen die wilden Rentiere gejagt werden, von denen es schätzungsweise eintausend Tiere gibt. Die wilden Rens waren in Karelien bereits ausgerottet, in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts wanderten einige Tiere von Russland aus ein. Darüber hinaus sind in Karelien auch Luchse, unzählige Vogel- und Fischarten heimisch – außerdem Auerhähne, Birkhühner, Ottern, Marder, der Kanadische Biber, Vielfraß, Seeadler, Wanderfalke. Im Frühling stellen sich aus dem Süden Wildenten, Schwäne, Schlammläufer, Stare, Schwalben und viele andere Vögel ein. Specht und Fichtenkreuzschnabel, Auerhahn und Birkhahn, Haselhuhn und Rebhuhn leben in den karelischen Wäldern das ganze Jahr hindurch. Auf die Begegnung mit einem Tier gibt es auf jeden Fall eine Garantie: die Stechmücke. Die Plagegeister lassen sich in Karelien nicht vermeiden und nur mühsam von ihrer Stechlust abhalten - es sei denn, man besucht – wie wir! - das Land im Winter. - Geradezu berühmt ist der Karelische Bärenhund. Er stammt aus Karelien, von Hunden im finnisch-russischen Grenzgebiet ab. Selbst finnische Hundezüchter wurden mit dieser Rasse erst um 1923 bekannt. Obwohl dieser Hund lange in Karelien beheimatet ist, liegen seine Wurzeln vermutlich auf der europäischen Seite des Urals, in der Taiga. Er ist eng verwandt mit den europäischen Laika-Hunderassen. 1936 wurde er erstmals ausgestellt. Der Karelische Bärenhund wird bis 60 Zentimeter groß und etwa 28 Kilogramm schwer. Das Haar ist relativ lang, rau aber glatt anliegend, er hat reichlich Unterwolle. Die Ohren sind mittelgroß, stehend, dreieckig, die Rute ist nach vorne gebogen und meist mit weißer Spitze. Der Karelische Bärenhund wird für die Jagd auf wehrhaftes Wild wie Bären und Elche eingesetzt.

Behausungen: Die wepsischen Männer gelten weit über die Grenzen Kareliens hinaus als begnadete Baumeister, ihre Holzhäuser, so heißt es, überdauern mehr als zweihundert Jahre.

Ernährung: "Geht das Brot aus", sagen Karelier und Wepsen, "essen wir Kuchen." Ein traditionelles finnisches Rezept, das von Kareliern und Finnen gleichermaßen geliebt wird, sind Karelische Piroggen. Wepsische Nationalgetränke sind Bier und Kwas.

Kleidung: Die wepsische Frauenkleidung enthält sowohl russische als auch baltisch-finnische Elemente. So tragen die Frauen sowohl den russischen Sarafan unter einem weißen reich bestickten Hemd als auch eine Kombination aus Rock und Bluse, komplettiert mit Gürtel und ornamentierten Tüchern, was wiederum der finnisch-baltischen Tradition entspricht. Ein Sarafan besteht aus einem langen, bis zu den Knöcheln reichenden Gewand in mehreren, oft kräftig gehaltenen Farben, das über einem weiten Hemd oder einer weiten Bluse getragen wird. Es besitzt Schultergurte, jedoch keine Ärmel oder Taille. Sarafane waren früher stets handgenäht, der Stoff war sehr dicht und fest. Die frühesten Modelle betonten bei Frauen ihre Weiblichkeit, später, mit der Macht- und Einflusszunahme der russisch-orthodoxen Kirche wurde der Schnitt des Kostüms immer weiter gehalten, bis er weibliche Rundungen kaschierte.

Folklore: Die Wepsen zeigen wie andere finno-ugrische Völker eine besondere Vielfalt an Schnitzereitechniken. So schnitzten sie Krüge in Form von Booten, deren Henkel als Pferde- oder Vogelkopf enden. Diese wurden in verschieden Größen hergestellt, in erster Linie zum Biertrinken, aber auch für Beerdigungsrituale benutzt. Die Bootform bezieht sich hier auf die Weltsicht, die Erde sei flach und bewegungslos und von einem Ozean umgeben, aus dem die Sonne auf- und untergehe. Die Pferde und Vögel verstanden die Wepsen als Symbol der Sonne und ihres Laufes. Das Pferd taucht in den Ozean ein, um sich dort in einen Wasservogel zu verwandeln, der Richtung Osten fliegt.

Feste/Bräuche: Die Feste und Riten der Wepsen überschneiden sich mit denen der nordrussischen Bevölkerung. Doch sind durchaus einige ursprüngliche Traditionen erhalten geblieben. Zum Beispiel werden Heiratsanträge - entgegen dem russischen Brauch - nicht tagsüber, sondern nachts gemacht. Bei der Hochzeit ist es üblich, das junge Paar frisch gefüllte Piroggen probieren zu lassen. Peroggen sind gefüllte Teigtaschen, die sowohl in der osteuropäischen als auch in der finnischen Küche weit verbreitet sind. Auch die wepsischen Beerdigungsrituale unterscheiden sich von denen der Nordrussen. So wird der Tote nach alter baltisch-finnischer Tradition singend beerdigt, da der Glaube herrscht, er komme sonst nicht ins Jenseits. Auch gibt es den alten Brauch, den Toten, solange er noch im Haus ist, von den Jüngsten durch Tanz und Musik "unterhalten" zu lassen. Bei der Beerdigung wird er dann auf einem Schlitten gezogen, und – nach karelischer Sitte - werden Münzen in sein Grab geworfen, um für die Erde, in der er liegt, zu bezahlen.

Religion: Im 11./12. Jahrhundert wurden die Wepsen christianisiert. Doch die von den Russen übernommene Orthodoxie verwoben sie lange mit ihrem Naturglauben. In diesem Naturglauben hatten zum Beispiel die Bäume Seelen. Speziell geformte leicht erhöht stehende Bäume wurden besonders verehrt. Es wurden ihnen sogar verzierte Tücher als Gabe in die Zweige gehängt. Als agrarwirtschaftliches Volk glaubten die Wepsen an die göttlichen Kräfte der Natur. Sie verehrten die Sonne als Quelle des Lichtes und der Wärme, sie glaubten an die Natur als Göttin der Fruchtbarkeit und die Existenz des Waldgeistes und Wassergeistes. Vor der Jagd wurde zum Waldgeist gebetet, dem  Opfergaben dargebracht wurden: Federn, Brotkrumen, Schießpulver, Nägel...; der Waldgeist wurde um Glück ersucht und erteilte die Erlaubnis, Beeren zu pflücken oder Bäume zu fällen. Verletzte man die Natur willentlich, indem man beispielsweise Zweige abbrach oder Pilze zertrat, musste man sich vor der Bestrafung durch den Waldgeist fürchten. Der wepsische Schriftsteller Anatoli Petuhov (geboren 1934) schreibt in seinen Werken über diesen Glauben, von dem ihm die Großmutter erzählt hatte. In ihren Geschichten wächst demjenigen, der einen Baum verletzt, eine Wurzel in den Weg, oder es verirren sich Ameisen unter das Hemd des Frevlers. Der Geist des Wassers - dessen Name auszusprechen verboten war - wurde ebenfalls mit Opfergaben bedacht und um Erlaubnis gefragt, wollte man baden oder fischen. Die Wepsen glaubten an einen beschützenden Hausgeist, der über die Gesundheit und das Glück der Bewohner wachte. Auch für ihn wurden Früchte und kleinere Gegenstände geopfert. Bei Krankheit suchten die Wepsen die Hilfe eines schamanischen Heilers, der bei den Wepsen „Nojd“ hieß. Die Wepsen sind heute - sofern sie gläubig sind - orthodoxe Christen.

Ereignisse nach dem Zerfall der Sowjetunion, sofern sie nicht bereits oben aufgeführt sind:

"Auf einem Gedenkstein lese ich: Republik Karelien. Wepsischer Nationalkreis. Der Stein ist glattpoliert, wie ein Grabstein kommt er daher. Denn die Autonomie ist 2004 `vor die Hunde gegangen´...  Die kleine administrative Wohltat wurde 1994 gewährt, in den turbulenten Jahren des Wandels feierten viele kleine Ethnien ein Comeback. Die letzten Fesseln wurden zerschlagen, so dachte man. Überall schossen Nationalbewegungen wie Pilze aus dem Boden. Das Imperium zerfiel. Wie gegängelte Kinder, denen man urplötzlich das Toben erlaubt, so standen sie auf, die Karelier, die Wepsen, die Baschkiren und Jakuten, die Tataren und Mordwinen, zig Völkerschaften. Aber wer nie laufen gelernt hat, dem fällt das freie Gehen schwer."

Robert Neu in: Russland HEUTE vom 24. Dezember 2012

Der durchschnittliche Lohn betrug in Karelien im Jahr 2008 etwa 11 440 Rubel (= 255 Euro), dies ist sogar niedriger als der durchschnittliche Lohn Russlands: 15 106 Rubel (= 336 Euro). Die Arbeitslosenquote Kareliens betrug 2008 2,5% und zählte zu den höchsten der Nordwestregion Russlands. - Seit 2012 steht der karelischen Regierung Alexander Petrowitsch Khudilainen vor.

 

Kontakte zur Bundesrepublik Deutschland: Kareliens wichtigster Handelspartner ist Finnland. Handelsbeziehungen bestehen zudem u. a. mit Deutschland, den USA und Großbritannien.

 

 

Interessant, zu wissen..., was die in Russisch-Karelien beheimateten Wepsen von den Völkern ihrer Umgebung übernommen haben.

 

Die Wepsinnen tragen sowohl den russischen Sarafan unter einem weißen reich bestickten Hemd als auch eine Kombination aus Rock und Bluse, komplettiert mit Gürtel und ornamentierten Tüchern, was wiederum der finnisch-baltischen Tradition entspricht. Typisch wepsisch sind die Farben weiß, rot, blau – zufällig die Farben der russischen Fahne? - und ein Quentchen gelb. – Wepsische Nationalgetränke sind Bier und Kwas. Kwas nun ist ein altes ostslawisches Erfrischungsgetränk, welches durch Gärung aus den Grundzutaten Wasser, Roggen und Malz gewonnen wird. Kwas ist heute überwiegend in Russland und der Ukraine verbreitet - aber auch die Wepsen lassen es sich schmecken. - "Wir Wepsen wollen nicht das Los des [ausgestorbenen] Mammuts teilen", sagt die Wepsin Anna Anchimowa, Mitarbeiterín des Nationalen Museums der Republik Karelien in Petroawodsk. Und meint damit, dass die Wepsen sich seit dem Zerfall der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken wieder auf ihre nationalen Eigentümlichkeiten besinnen. - Die Wepsen gelten heute als eine in ihrer Existenz bedrohte indigene Völkerschaft, die sich seit der Perestroika im Dachverband RAIPON ( = “Russian Association of Indigenous Peoples of the North”) - als "Assoziation der Kleinen Völker", gegründet im März 1990 - unter Anwesenheit des damaligen Präsidenten Michail Gorbatschow zusammengeschlossen hat. Erster Präsident der Vereinigung wurde der von der fernöstlichen Halbinsel Sachalin stammende Schriftsteller, der Niwche Wladimir Sangi. Dieser wurde 1993 durch Jeremej Ajpin , einem weiteren Schriftsteller, diesmal aus dem westsibirischen Volk der Chanten, abgelöst. Die Assoziation mit Sitz in Moskau vertritt die Interessen der etwa vierzig bis fünfzig indigenen Völker des russischen Nordens. Vorsitzender ist seit 2013 Grigori Ledkov, aus dem Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen.

 

Das Heimatgefühl gleicht dem Gefühl

für die leibliche Mutter.

Sprichwort der Wepsen

 

Als Journalistin der Illustrierten FREIE WELT – die als Russistin ihre Diplomarbeit über russische Sprichwörter geschrieben hat - habe ich auf allen meinen Reportagereisen in die Sowjetunion jahrzehntelang auch Sprichwörter der dort ansässigen Völker gesammelt - von den Völkern selbst,  von einschlägigen Wissenschaftlern und Ethnographen, aus Büchern ... - bei einem vierwöchigen Aufenthalt in Moskau saß ich Tag für Tag in der Leninbibliothek. So ist von mir erschienen: 

 

* Aus Tränen baut man keinen Turm, ein kaukasischer Spruchbeutel, Weisheiten der Adygen, Dagestaner und Osseten, Eulenspiegel Verlag Berlin in zwei Auflagen (1983 und 1985), von mir übersetzt und herausgegeben, illustriert von Wolfgang Würfel.

 

* Dein Freund ist dein Spiegel, ein Sprichwörter-Büchlein mit 111 Sprichwörtern der Adygen, Dagestaner Kalmyken, Karakalpaken, Karelier, Osseten, Tschuktschen und Tuwiner, von mir gesammelt und zusammengestellt, mit einer Vorbemerkung und ethnographischen Zwischentexten versehen, die Illustrationen stammen von Karl Fischer, die Gestaltung von Horst Wustrau, Herausgeber ist die Redaktion FREIE WELT, Berlin 1986.

 * Liebe auf Russisch, ein in Leder gebundenes Mini-Bändchen im Schuber mit Sprichwörtern zum Thema „Liebe“, Buchverlag Der Morgen, Berlin 1990, von mir (nach einer Interlinearübersetzung von Gertraud Ettrich) in Sprichwortform gebracht, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen, illustriert von Annette Fritzsch.

Ich bin, wie man sieht, gut damit gefahren, es mit diesem turkmenischen Sprichwort zu halten: Hast du Verstand, folge ihm; hast du keinen, gibt`s ja noch die Sprichwörter.

Hier Zwanzig wepsische Sprichwörter:

 (Bisher Unveröffentlicht)

 Einen guten Menschen rügt man, damit er nicht verdirbt, einen schlechten - damit er sich bessert.

In der Menge gilt ein Schweigsamer als der Klügste.

Die Schlange kriecht keiner Schlange auf den Schwanz.

Guter Stamm treibt gute Zweige.

Verlängere den Tag vom frühen Morgen an.

Lebe keinen einzigen Tag für den Tod.

Tod und Bräutigam sind nicht herbeizubitten.

Trauer zerreißt das Herz, Traurigkeit zerrüttet das Antlitz.

Ein Trinker hat viele Seiten, doch keine, die er den Leuten vorzeigen kann.

Der Ungeschickte hat seinen Daumen inmitten der Handfläche.

Besser vorher verhandeln, als hinterher handeln.

Vernunft schadet nicht der Klugheit.

Bevor du etwas verdünnst, schau in die Vorratskammer und nicht in den Brunnen.

Lass mit der Zunge nicht los, was du mit den Ohren gefangen hast.

Einen Alten zu verheiraten ist so sinnlos wie leeres Stroh dreschen.

Glück ist nicht für jeden da, doch der Sommer für alle.

Wen man sehr liebt, über den man viel spricht.

Ein Wäldchen mehr durchstreift - ein Eichhörnchen mehr erlegt.

Welch ein Unglück, wenn der Löffel aus Tannenholz, der Griff aus Wacholder ist.

Guter Ruf ist weithin bekannt, schlechter noch viel weiter.

 

Interlinearübersetzung aus dem Russischen von Johann Warkentin; gesammelt und in Sprichwortform gebracht von Gisela Reller

 

 

 

Als Reporterin der Illustrierten FREIE WELT bereiste ich 1978 Karelien. Auf dieser Reise lernte ich auch einige WEPSEN kennen.

 

 

Aus FREIE WELT ?/1988: Die Wepsen: Gestern - Heute -Morgen

 

 Antwort auf eine Leseranfrage

 

"Die Wepsen haben kein geschlossenes ethnisches Territoríum, sondern bewohnen heute in kleinen Gruppen vorrangig ein Gebiet, das verwaltungsmäßig in die Gebiete Leningrad und Wologda sowie in die Karelische ASSR hineinreicht. Mit Finnisch, Karelisch, Estnisch, Livisch, Wotisch gehört Wepsisch zur ostseefinnischen Sprachgruppe.

Die Wepsen hatten vor der Oktoberrevolution keine Schriftsprache, sie waren überwiegend Analphabeten. Erst zu Beginn der dreißiger Jahr wurde der Versuch unternommen, eine wepsische Schrift- und Literatursprache zu schaffen. danach wurde in Gebieten mit wepsischer Bevölkerung der Unterricht in wepsischer Sprache eingeführt, eine Zeitung erschien. Obwohl die wepsische Schriftsprache einige Jahre lang gelehrt wurde, konnte sie sich nicht einbürgern.

Vor genau einem Jahrzehnt hatte ich in Kareliens Hauptstadt Petrosawodsk den Wepsen Juri Sorokin kennengelernt. Er arbeitete als Monteur im Maschinenbaubetrieb `Petrosawodskmasch´. Damals sagte er zu mir: `Da wir Wepsen inmitten russischer Bevölkerung siedeln, sind bei uns Mischehen an der Tagesordnung. Wir bedienen uns heute ausschließlich der russischen Schriftsprache, wepsisch ist nur noch als mündliche Umgangssprache verbreitet. Allerdings kennen viele junge Leute ihre Muttersprache schon nicht mehr.´ Den Verlust der Muttersprache haben die Wepsen mit einigen Völkern gemeinsam, die keine Autonomie besitzen. Aber wie ist es möglich, dass innerhalb von vier Jahrzehnten die Bevölkerung wepsischer Nationalität um das Vierfache sinken konnte? Denn: Wies die Volkszählung von 1939 noch fast 32 000 Wepsen aus, so gab es laut Volkszählung von 1979 nur noch knapp 8 000 Angehörige wepsischer Nationalität.

`Mit Bitternis weist der Vorsitzende des Dorfsowjets von Osero, Georgi Michailowitsch Paschkow, seinen Pass vor, in dem in der Spalte `Nationalität´ der Eintrag `Russe´ steht. Paschkow jedoch ist Wepse, ein Vertreter der angestammten Bevölkerung, die in russischen Annalen als ein treuer Verbündeter des alten Russland erwähnt wird. Den Wepsen werden seit Jahrhunderten hervorragende und reiche Kulturdenkmäler des europäischen Nordens zugeschrieben - Grabhügel aus dem 10./13. Jahrhundert. Das Interesse der Archäologen an diesen Denkmälern hat schon über einen Zeitraum von zwei Jahrhunderten in keiner Weise nachgelassen.

In den Dokumenten der Volkszählung von 1989 finden sich für die Gebiete Leningrad und Wologda fast keine Angaben über die Wepsen mehr. Ein ganzes Volk kann doch aber nicht innerhalb von vierzig Jahren verschwinden? Nein, natürlich nicht. Auf Anweisung übergeordneter Stellen wurde nur einfach in allen Registern die einheimische Bevölkerung als Bürger russischer Nationalität eingetragen. Die Pässe wurden umgetauscht, und noch heute verweigert man in einigen Gegenden den jungen Menschen, die ihren ersten Pass beantragen, die Eintragung ihrer angestammten wepsischen Nationalität.

Aber die Probleme gehen noch tiefer. Da ist das ganze Spektrum der `Leiden der Nichtschwarzerde-Regionen`, wie Wegelosigkeit, fehlender Wohnungsbau, Mangel an sozialen und kulturellen Einrichtungen. Je mehr ungelöste Probleme sich  bei einem Volke aufstauen, desto größter ist sein Migrationsgrad: Die Wepsen verstreuen sich über weite Gebiete, es entsteht eine Kluft zwischen der Anzahl der Männer und Frauen im heiratsfähigen Alter, Dörfer sterben aus, und das Durchschnittsalter der Bevölkerung steigt an.´

 

 

 

Wepsen im Dorf Saosero, in dem das Durchschnittsalter 57 Jahre beträgt.

Foto aus: Rellers Völkerschafts-Archiv

 

Juri Sorokin hatte mir 1979 auch gesagt: `Ich hatte das Glück, eine Frau wepsischer Nationaliät zu finden, wir haben zwei Kinder. Was ich für die beiden nicht mehr hoffen kann - der Kleinere verlässt in zwei Jahren die Schule - wünsche ich mir für meine eventuellen Enkelkinder: Dass die Zeit wiederkommt, da sie - wie ich - ihre wepsische Muttersprache in der Schule erlernen.´

Von meinem damaligen Besuch im Petrosawodsker Institut für Sprach-, Literatur- und Geschichtsforschung weiß ich, dass man dort - wissenschaftlich! - seit vielen Jahren die Erforschung der wepsischen Sprache betreibt. Seit Anfang der fünfziger Jahre sammeln Expeditionen sprachliches Material und fixieren die mündliche Sprache der Wepsen, die sich in drei Dialekte untergliedert. Als Ergebnis wurde 1972 ein großes dialektbezogenes `Wepsich-Russisches Wörterbuch´ veröffentlicht, 1981 erschien eine wissenschaftliche ´Grammatik der wepsischen Sprache´.

Die Wepsen waren kürzlich unter den ersten, die sich mit der Bitte um Gewährung von Hilfe an den Rat zur Bewahrung und Entwicklung der Kultur der kleinen Völkerschaften der UdSSR wandten, der beim Sowjetischen Kulturfonds geschaffen wurde. Dieser Rat fasste den Beschluss, am Beispiel des Volkes der Wepsen ein spezielle `Modell der Wiedergeburt kleiner Völkerschaften´ zu entwickeln. "

 

 

 

Juri Sorokin, Monteur in einem Maschinenbaubetrieb in Petrosawodsk;

die meisten Wepsen sind in der Landwirtschaft beschäftigt.

Foto: Heinz Krüger

Von 1985 bis 1990 arbeitete ich unter dem Titel "Die Heimat ist eine goldene Wiege" für den Berliner Dietz-Verlag an einem "Lesebuch der Völker der Sowjetunion". Auch dieses Projekt konnte auf Grund des Zerfalls der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken nicht mehr realisiert werden. Dieses  bisher deutsch Unveröffentlichte Märchen hatte ich für jenes "Lesebuch" vorgesehen:

 

Das wepsische Märchen  Die zwölf klugen Brüder

 

*

Am Rande eines Dorfes standen zwölf Häuser, die sahen eines wie das andere aus. Je sechs standen nebeneinander, und dazwischen war die Straße. In diesen Häusern wohnten zwölf Brüder. Jeder von ihnen hatte Weib und Kinder, aber von denen soll hier nicht die Rede sein, und wir kommen nicht mehr auf sie zu sprechen.

Es lebten dort also zwölf Brüder. Eines Tages im Winter wollten sie nach Sortawala fahren, um einzukaufen. Der eine brauchte Salz, der andre Kattun zu einem Kleid für die Frau, der dritte Seife, der vierte Stiefel. Jeder spannte sein Pferd an, sie setzen sich in ihre Schlitten und fuhren los. Sie hatten weit zu fahren und mussten unterwegs übernachten. Darum kehrten sie in einem Ausspannhof ein. Hier schirrten sie die Pferde ab. Der eine Bruder sagte? `Vergiss nicht, die Schlittendeichsel in die Richtung zu kehren, in die wir morgen fahren müssen.´ - `Gut ausgedacht´, sagte ein anderer Bruder. `Dann brauchen wir morgen nicht zu raten, wo es langgeht´, sagte der dritte. `Wir brauchen bloß die Pferde anzutreiben, bis wir in Sortawala sind´, fügte der vierte hinzu. Der Wirt des Ausspannhofes hatte ihr Gespräch gehört, er wunderte sich und musste lachen. Aber er sagte nichts. Die Brüder führten ihre Pferde in den Stall und drehten alle Schlitten mit der Deichsel nach Sortawala hin. Alsdann gingen sie ins Haus und legten sich schlafen. Kaum waren die Brüder eingeschlafen, da drehte der Wirt die Deichseln in die umgekehrte Richtung. Ich mache das ja nicht, um ihnen Böses zu tun, sprach er zu sich selbst. Ich bin bloß neugierig, ob sie wirklich an den Deichseln die Richtung erkennen werden. Nun, die Brüder schliefen die ganze Nacht. Am Morgen spannten sie die Pferde an. Dabei lobten sie einander: ´Wenn wir gestern nicht die Deichseln richtig gedreht hätten, wüssten wir jetzt nicht, wo es langgeht´, sagte der eine. `Wenn man einen unbekannten Weg fährt, ist die Hauptsache, sich nicht zu verirren´, sagte der zweite. Der zwölfte aber fügte hinzu: `Ein Kopf ist gut, doch mit zwölf Köpfen ist man nie verloren.´ Die Brüder fuhren los. Der Wirt sah ihnen achselzuckend nach, sagte aber nichts. Die Brüder trieben die Pferde an, denn sie hatten es eilig, nach Sortawala zu kommen. Plötzlich sagte der Vorderste: `Brüder, die Gegend kommt mir bekannt vor. Sie sieht genauso aus, wie die, durch die wir gestern gefahren sind. Da ist wieder die Birke mit dem Felsblock am Graben.´ - `Es stimmt, sie sieht ähnlich aus´, sagte der zweite. `Viele Stellen auf der Welt ähneln einander´, sagte der dritte. `Dabei ist nichts Erstaunliches´, warf der vierte ein. `Wenn du in unserer Gegend einen Baum siehst, ist es eine Birke, und wenn du einen Stein siehst, ist es ein Felsblock. Auch Gräben kommen oft vor.´ Der zwölfte sagte: `Ihr solltet nicht soviel nach rechts und links gaffen!´ Sie fuhren eine Stunde und schwiegen, sie fuhren noch eine und sagten nichts, sie fuhren eine dritte, und keiner sprach ein Wort. Sie trieben nur die Pferde zur Eile. Plötzlich sagte der fünfte Bruder: `Mir scheint, wir sind gestern durch dieses Dorf gefahren!´ Alle Brüder wandten den Kopf und schauten. `Es ist nicht dasselbe Dorf´, sagte der sechste. `Es ist es nicht´, sagte der siebente. `Das Dorf gestern war links´, sagte der sechste. `Ja, links´, stimmte der siebente zu, `und dieses hier ist rechts, wie du siehst.´- `Ja, rechts´, sagte der sechste. `Was gibt es da zu streiten!´ sagte der zwölfte. `Wir müssen weiter. Ich möchte nicht noch einmal unterwegs übernachten.´

Wieder fuhren sie, wieder schwiegen sie. Da tauchte vor ihnen abermals ein Dorf auf. Da sagte der achte Bruder: `Wenn ich nicht genau wüsste, dass wir nach Sortawala fahren, würde ich denken, dies ist unser Dorf.´- `Auch der Hügel sieht genauso aus´, sagte der neunte. `Und dort am Rand stehen sich zweimal sechs Häuser gegenüber, die sehen genauso aus wie unsre´, sagte der zehnte. `Ich hab doch gesagt, das es auf der Welt viele ähnliche Stellen gibt´, erinnerte der dritte. `Das hast du gesagt´, stimmte der elfte zu. `Aber so ein Dorf wie unseres, solche Häuser wie unsere findest du nirgends auf der Welt.´ Der zwölfte schrie seine Brüder an: `Genug geschwatzt! Unser Dorf oder nicht, wir müssen weiter.´ Kaum hatte er dies gesagt, da kam ein rötlicher Hund zu ihm gelaufen und wedelte mit dem Schwanz. Da sagte der zwölfte: `Was für ein Dorf das ist, weiß ich nicht, aber der Hund ist meiner.´- `Nun, wenn das dein Hund ist, ist es auch unser Dorf´, sagte der erste. Und er fuhr auf seinen Hof.

So kam es, dass die Brüder nicht nach Sortawala gelangten. `Was sollen wir sinnlos herumfahren, bleiben wir lieber zu Hause´, sagte der zwölfte Bruder. Die übrigen elf  stimmten ihm zu.

Aus dem Russischen übersetzt von Thomas Reschke; gesammelt und redigiert von Gisela Reller

 

"Unser Volk ist ein gutes, ehrliches und arbeitsames Volk. Es verfügt über eine reiche Kultur - unsere Lieder, unsere Sagen, unsere Handwerkskunst."

 

Eine Wepsin in "Das Kreuz des Nordens" von Klaus Bednarz, 2007

 

Rezensionen und Literaturhinweise zu den WEPSEN:

 

 

Rezension in meiner Webseite www.reller-rezensionen.de

 

* Bis jetzt habe ich kein Buch über die Wepsen rezensiert!

 

 

Literaturhinweise (Auswahl)

 

* Klaus Bednarz, „Das Kreuz des Nordens“, Reise durch Karelien, mit Bildern von Gabi Mühlenbrock, Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2007.

In seiner Reisereportage durch Karelien bereist Klaus Bednarz das Grenzland zwischen Finnland und Russland, das eine der faszinierendsten Regionen Europas ist. Bednarz präsentiert Karelien zu den verschiedenen Jahreszeiten. Neben der grandiosen Natur Kareliens, den einzigartigen Zeugnissen der Kultur und der Geschichte des Landes zeigt der langjährige WDR-Journalist vor allem die Schicksale der Menschen, auch der Wepsen, die heute auch im Winter in dieser unwirtlichen Region zu überleben versuchen – bei den Unbilden des Klimas, der Kälte, des Schnees, der Dunkelheit…

 

 * Märchen aus dem hohen Norden der Sowjetunion, Die Kranichfeder, Für Kinder nacherzählt von N. Gesse und S. Sadunaiskaja, Mit Illustrationen von Manfred Butzmann, 4. Auflage, Der Kinderbuchverlag, Berlin 1983.

Jäger und Rentierzüchter sind die Helden dieser Märchen. Sie fahren mit dem Schneesturm um die Wette, ringen mit eisernen Ungeheuern, messen ihre Kräfte mit Waldriesen und verehren die Herrin des Feuers. Vielfältig spiegelt sich das Leben der Völker aus dem hohen Norden in seiner reichen Folklore, auch das der Wepsen.

 

 

 

"Wenn die Sonne aufgeht, taucht sie in diesem Land [der Wes = Wepsen ] alles in rotes Licht: Erde und Berge und alles, was der Mensch noch erblickt…“

 

Ibn Fadlan, arabischer Reisender, um 922

 

Bibliographie zu Gisela Reller

 

Bücher als Autorin:

 

Länderbücher:

 

*  Zwischen Weißem Meer und Baikalsee, Bei den Burjaten, Adygen und Kareliern,  Verlag Neues Leben, Berlin 1981, mit Fotos von Heinz Krüger und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.

 

* Diesseits und jenseits des Polarkreises, bei den Südosseten, Karakalpaken, Tschuktschen und asiatischen Eskimos, Verlag Neues Leben, Berlin 1985, mit Fotos von Heinz Krüger und Detlev Steinberg und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.

 

* Von der Wolga bis zum Pazifik, bei Tuwinern, Kalmyken, Niwchen und Oroken, Verlag der Nation, Berlin 1990, 236 Seiten mit Fotos von Detlev Steinberg und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.

 

Biographie:

 

* Pater Maksimylian Kolbe, Guardian von Niepokalanów und Auschwitzhäftling Nr. 16 670, Union Verlag, Berlin 1984, 2. Auflage.

 

 

... als Herausgeberin:

 

Sprichwörterbücher:

 

* Aus Tränen baut man keinen Turm, ein kaukasischer Spruchbeutel, Weisheiten der Adygen, Dagestaner und Osseten, Eulenspiegel Verlag Berlin in zwei Auflagen (1983 und 1985), von mir übersetzt und herausgegeben, illustriert von Wolfgang Würfel.

* Dein Freund ist dein Spiegel, ein Sprichwörter-Büchlein mit 111 Sprichwörtern der Adygen, Dagestaner Kalmyken, Karakalpaken, Karelier, Osseten, Tschuktschen und Tuwiner, von mir gesammelt und zusammengestellt, mit einer Vorbemerkung und ethnographischen Zwischentexten versehen, die Illustrationen stammen von Karl Fischer, die Gestaltung von Horst Wustrau, Herausgeber ist die Redaktion FREIE WELT, Berlin 1986.

 * Liebe auf Russisch, ein in Leder gebundenes Mini-Bändchen im Schuber mit Sprichwörtern zum Thema „Liebe“, Buchverlag Der Morgen, Berlin 1990, von mir (nach einer Interlinearübersetzung von Gertraud Ettrich) in Sprichwortform gebracht, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen, illustriert von Annette Fritzsch.

Aphorismenbuch:

* 666 und sex mal Liebe, Auserlesenes, 2. Auflage, Mitteldeutscher Verlag Halle/Leipzig, 200 Seiten mit Vignetten und Illustrationen von Egbert Herfurth.

 

... als Mitautorin:

 

Kinderbücher:

 

* Warum? Weshalb? Wieso?, Ein Frage-und-Antwort-Buch für Kinder, Band 1 bis 5, Herausgegeben von Carola Hendel, reich illustriert, Verlag Junge Welt, Berlin 1981 -1989.

 

Sachbuch:

 

* Die Stunde Null, Tatsachenberichte über tapfere Menschen in den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges, Hrsg. Ursula Höntsch, Verlag der Nation 1966.

 

 

... als Verantwortliche Redakteurin:

 

* Leben mit der Erinnerung, Jüdische Geschichte in Prenzlauer Berg, Edition  Hentrich, Berlin 1997, mit zahlreichen Illustrationen.

 

* HANDSCHLAG, Vierteljahreszeitung für deutsche Minderheiten im Ausland, Herausgegeben vom Kuratorium zur kulturellen Unterstützung deutscher Minderheiten im Ausland e. V., Berlin 1991 - 1993.

 

 

 

 

„Wir sind für unsere harte Arbeit bekannt, denn hier hätte nichts anderes uns das Überleben sichern können. Das Land ist uns nicht wohl gesonnen. Alles müssen wir ihm abringen.“

 

Die Wepsin Irina Michailowna in „Russland HEUTE“

 vom 24.12.2012

 

 

Pressezitate (Auswahl)

 zu Gisela Rellers Buchveröffentlichungen:

 

 

Dieter Wende in der „Wochenpost“ Nr. 15/1985:

„Es ist schon eigenartig, wenn man in der Wüste Kysyl-Kum von einem Kamelzüchter gefragt wird: `Kennen Sie Gisela Reller?´ Es ist schwer, dieser Autorin in entlegenen sowjetischen Regionen zuvorzukommen. Diesmal nun legt sie mit ihrem Buch Von der Wolga bis zum Pazifik Berichte aus Kalmykien, Tuwa und von der Insel Sachalin vor. Liebevolle und sehr detailgetreue Berichte auch vom Schicksal kleiner Völker. Die ethnografisch erfahrene Journalistin serviert Besonderes. Ihre Erzählungen vermitteln auch Hintergründe über die Verfehlungen bei der Lösung des Nationalitätenproblems.“

B(erliner) Z(eitung) am Abend vom 24. September 1981:

"Gisela Reller, Mitarbeiterin der Illustrierten FREIE WELT, hat autonome Republiken und Gebiete kleiner sowjetischer Nationalitäten bereist: die der Burjaten, Adygen und Karelier. Was sie dort ... erlebte und was Heinz Krüger fotografierte, ergíbt den informativen, soeben erschienenen Band Zwischen Weißem Meer und Baikalsee."

Sowjetliteratur (Moskau)Nr. 9/1982:

 "(...) Das ist eine lebendige, lockere Erzählung über das Gesehene und Erlebte, verflochten mit dem reichhaltigen, aber sehr geschickt und unaufdringlich dargebotenen Tatsachenmaterial. (...) Allerdings verstehe ich sehr gut, wie viel Gisela Reller vor jeder ihrer Reisen nachgelesen hat und wie viel Zeit nach der Rückkehr die Bearbeitung des gesammelten Materials erforderte. Zugleich ist es ihr aber gelungen, die Frische des ersten `Blickes´ zu bewahren und dem Leser packend das Gesehene und Erlebte mitzuteilen. (...) Es ist ziemlich lehrreich - ich verwende bewusst dieses Wort: Vieles, was wir im eigenen Lande als selbstverständlich aufnehmen, woran wir uns ja gewöhnt haben und was sich unserer Aufmerksamkeit oft entzieht, eröffnet sich für einen Ausländer, sei es auch als Reisender, der wiederholt in unserem Lande weilt, sozusagen in neuen Aspekten, in neuen Farben und besitzt einen besonderen Wert. (...) Mir gefällt ganz besonders, wie gekonnt sich die Autorin an literarischen Quellen, an die Folklore wendet, wie sie in den Text ihres Buches Gedichte russischer Klassiker und auch wenig bekannter nationaler Autoren, Zitate aus literarischen Werken, Märchen, Anekdoten, selbst Witze einfügt. Ein treffender während der Reise gehörter Witz oder Trinkspruch verleihen dem Text eine besondere Würze. (...) Doch das Wichtigste im Buch Zwischen Weißem Meer und Baikalsee sind die Menschen, mit denen Gisela Reller auf ihren Reisen zusammenkam. Unterschiedlich im Alter und Beruf, verschieden ihrem Charakter und Bildungsgrad nach sind diese Menschen, aber über sie alle vermag die Autorin kurz und treffend mit Interesse und Sympathie zu berichten. (...)"

Neue Zeit vom 18. April 1983:

„In ihrer biographischen Skizze über den polnischen Pater Maksymilian Kolbe schreibt Gisela Reller (2. Auflage 1983) mit Sachkenntnis und Engagement über das Leben und Sterben dieses außergewöhnlichen Paters, der für den Familienvater Franciszek Gajowniczek freiwillig in den Hungerbunker von Auschwitz ging.“

Der Morgen vom 7. Februar 1984:

„`Reize lieber einen Bären als einen Mann aus den Bergen´. Durch die Sprüche des Kaukasischen Spruchbeutels weht der raue Wind des Kaukasus. Der Spruchbeutel erzählt auch von Mentalitäten, Eigensinnigkeiten und Bräuchen der Adygen, Osseten und Dagestaner. Die Achtung vor den Alten, die schwere Stellung der Frau, das lebensnotwendige Verhältnis zu den Tieren. Gisela Reller hat klug ausgewählt.“

1985 auf dem Solidaritätsbasar auf dem Berliner Alexanderplatz: Gisela Reller (vorne links) verkauft ihren „Kaukasischen Spruchbeutel“ und 1986 das extra für den Solidaritätsbasar von ihr herausgegebene Sprichwörterbuch „Dein Freund ist Dein Spiegel“.

Foto: Alfred Paszkowiak

 Neues Deutschland vom 15./16. März 1986:

"Vor allem der an Geschichte, Bräuchen, Nationalliteratur und Volkskunst interessierte Leser wird manches bisher `Ungehörte´ finden. Er erfährt, warum im Kaukasus noch heute viele Frauen ein Leben lang Schwarz tragen und was es mit dem `Ossetenbräu´ auf sich hat, weshalb noch 1978 in Nukus ein Eisenbahnzug Aufsehen erregte und dass vor Jahrhunderten um den Aralsee fruchtbares Kulturland war, dass die Tschuktschen vier Begriff für `Freundschaft´, aber kein Wort für Krieg besitzen und was ein Parteisekretär in Anadyr als notwendigen Komfort, was als entbehrlichen Luxus ansieht. Großes Lob verdient der Verlag für die großzügige Ausstattung von Diesseits und jenseits des Polarkreises.“

 

 Gisela Reller während einer ihrer über achthundert Buchlesungen in der Zeit von 1981 bis 1991.

Foto aus: Rellers Völkerschaftsarchiv

Berliner Zeitung vom 2./3. Januar 1988:

„Gisela Reller hat klassisch-deutsche und DDR-Literatur auf Liebeserfahrungen durchforscht und ist in ihrem Buch 666 und sex mal Liebe 666 und sex mal fündig geworden. Sexisch illustriert, hat der Mitteldeutsche Verlag Halle alles zu einem hübschen Bändchen zusammengefügt.“

Neue Berliner Illustrierte (NBI) Nr. 7/88:

„Zu dem wohl jeden bewegenden Thema finden sich auf 198 Seiten 666 und sex mal Liebe mannigfache Gedanken von Literaten, die heute unter uns leben, sowie von Persönlichkeiten, die sich vor mehreren Jahrhunderten dazu äußerten.“

Das Magazin Nr. 5/88.

"`Man gewöhnt sich daran, die Frauen in solche zu unterscheiden, die schon bewusstlos sind, und solche, die erst dazu gemacht werden müssen. Jene stehen höher und gebieten dem Gedenken. Diese sind interessanter und dienen der Lust. Dort ist die Liebe Andacht und Opfer, hier Sieg und Beute.´ Den Aphorismus von Karl Kraus entnahmen wir dem Band 666 und sex mal Liebe, herausgegeben von Gisela Reller und illustriert von Egbert Herfurth."

 

Schutzumschlag zum „Buch 666 und sex mal Liebe“ .

Zeichnung: Egbert Herfurth

 

FÜR DICH, Nr. 34/89:

 

"Dem beliebten Büchlein 666 und sex mal Liebe entnahmen wir die philosophischen und frechen Sprüche für unser Poster, das Sie auf dem Berliner Solidaritätsbasar kaufen können. Gisela Reller hat die literarischen Äußerungen zum Thema Liebe gesammelt, Egbert Herfurth hat sie trefflich illustriert."

Messe-Börsenblatt, Frühjahr 1989:

"Die Autorin – langjährige erfolgreiche Reporterin der FREIEN WELT - ist bekannt geworden durch ihre Bücher Zwischen Weißem Meer und Baikalsee und Diesseits und jenseits des Polarkreises. Diesmal schreibt die intime Kennerin der Sowjetunion in ihrem Buch Von der Wolga bis zum Pazifik über die Kalmyken, Tuwiner und die Bewohner von Sachalin, also wieder über Nationalitäten und Völkerschaften. Ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wird uns in fesselnden Erlebnisberichten nahegebracht."

Im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel schrieb ich in der Ausgabe 49 vom 7. Dezember 1982 unter der Überschrift „Was für ein Gefühl, wenn Zuhörer Schlange stehen“:

„Zu den diesjährigen Tagen des sowjetischen Buches habe ich mit dem Buch Zwischen Weißem Meer und Baikalsee mehr als zwanzig Lesungen bestritten. (…) Ich las vor einem Kreis von vier Personen (in Klosterfelde) und vor 75 Mitgliedern einer DSF-Gruppe in Finow; meine jüngsten Zuhörer waren Blumberger Schüler einer 4. Klasse, meine älteste Zuhörerin (im Schwedter Alten- und Pflegeheim) fast 80 Jahre alt. Ich las z.B. im Walzwerk Finow, im Halbleiterwerk Frankfurt/Oder, im Petrolchemischen Kombinat Schwedt; vor KIM-Eiersortierern in Mehrow, vor LPG-Bauern in Hermersdorf, Obersdorf und Bollersdorf; vor zukünftigen Offizieren in Zschopau; vor Forstlehrlingen in Waldfrieden; vor Lehrlingen für Getreidewirtschaft in Kamenz, vor Schülern einer 7., 8. und 10 Klasse in Bernau, Schönow und Berlin; vor Pädagogen in Berlin, Wandlitz, Eberswalde. - Ich weiß nicht, was mir mehr Spaß gemacht hat, für eine 10. Klasse eine Geographiestunde über die Sowjetunion einmal ganz anders zu gestalten oder Lehrern zu beweisen, dass nicht einmal sie alles über die Sowjetunion wissen – was bei meiner Thematik – `Die kleinen sowjetischen Völkerschaften!´ – gar nicht schwer zu machen ist. Wer schon kennt sich aus mit Awaren und Adsharen, Ewenken und Ewenen, Oroken und Orotschen, mit Alëuten, Tabassaranern, Korjaken, Itelmenen, Kareliern… Vielleicht habe ich es leichter, Zugang zu finden als mancher Autor, der `nur´ sein Buch oder Manuskript im Reisegepäck hat. Ich nämlich schleppe zum `Anfüttern´ stets ein vollgepacktes Köfferchen mit, darin von der Tschuktschenhalbinsel ein echter Walrosselfenbein-Stoßzahn, Karelische Birke, burjatischer Halbedelstein, jakutische Rentierfellbilder, eskimoische Kettenanhänger aus Robbenfell, einen adygeischen Dolch, eine karakalpakische Tjubetejka, der Zahn eines Grauwals, den wir als FREIE WELT-Reporter mit harpuniert haben… - Schön, wenn alles das ganz aufmerksam betrachtet und behutsam befühlt wird und dadurch aufschließt für die nächste Leseprobe. Schön auch, wenn man schichtmüde Männer nach der Veranstaltung sagen hört: `Mensch, die Sowjetunion ist ja interessanter, als ich gedacht habe.´ Oder: `Die haben ja in den fünfundsechzig Jahren mit den `wilden´ Tschuktschen ein richtiges Wunder vollbracht.´ Besonders schön, wenn es gelingt, das `Sowjetische Wunder´ auch denjenigen nahezubringen, die zunächst nur aus Kollektivgeist mit ihrer Brigade mitgegangen sind. Und: Was für ein Gefühl, nach der Lesung Menschen Schlange stehen zu sehen, um sich für das einzige Bibliotheksbuch vormerken zu lassen. (Schade, wenn man Kauflustigen sagen muss, dass das Buch bereits vergriffen ist.) – Dank sei allen gesagt, die sich um das zustande kommen von Buchlesungen mühen – den Gewerkschaftsbibliothekaren der Betriebe, den Stadt- und Kreisbibliothekaren, den Buchhändlern, die oft aufgeregter sind als der Autor, in Sorge, `dass auch ja alles klappt´. – Für mich hat es `geklappt´, wenn ich Informationen und Unterhaltung gegeben habe und Anregungen für mein nächstes Buch mitnehmen konnte.“

 

Die Rechtschreibung der Texte wurde behutsam der letzten Rechtschreibreform angepasst.

 

Die WEPSEN wurden am 24.02.2014 ins Netz gestellt. Die letzte Bearbeitung erfolgte am 14.12.2015.

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Zeichnung: Karl-Heinz Döhring