Vorab!

Leider kommt im Internet bei meinem (inzwischen veralteten) FrontPage-Programm  längst nicht alles so, wie von mir in html angegeben. Farben kommen anders, als von mir geplant, Satzbreiten wollen nicht so wie von mir markiert, Bilder kommen manchmal an der falschen  Stelle, und - wenn  ich  Pech  habe  -  erscheint  statt  des  Bildes  gar  eine  Leerstelle.

Was tun? Wer kann helfen?

 

*

Wird laufend bearbeitet!

 

Ich bin ein Nenze: Die .

 

Foto:

Fotos und Illustrationen richtig

Zeichnung: Karl-Heinz Döhring

Wenn wir für das eine Volk eine Zuneigung oder gegen das andere eine Abneigung hegen, so beruht das, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht, auf dem, was wir von dem jeweiligen Volk wissen oder zu wissen glauben. Das ist – seien wir ehrlich – oft sehr wenig, und manchmal ist dieses Wenige auch noch falsch.  

Ich habe für die Berliner Illustrierte FREIE WELT jahrelang die Sowjetunion bereist, um – am liebsten - über abwegige Themen zu berichten: über Hypnopädie und Suggestopädie, über Geschlechtsumwandlung und Seelenspionage, über Akzeleration und geschlechtsspezifisches Kinderspielzeug... Außerdem habe ich mit jeweils einem deutschen und einem Wissenschaftler aus dem weiten Sowjetland vielteilige Lehrgänge erarbeitet.* Ein sehr interessantes Arbeitsgebiet! Doch 1973, am letzten Abend meiner Reise nach Nowosibirsk – ich hatte viele Termine in Akademgorodok, der russischen Stadt der Wissenschaften – machte ich einen Abendspaziergang entlang des Ob. Und plötzlich wurde mir klar, dass ich zwar wieder viele Experten kennengelernt hatte, aber mit der einheimischen Bevölkerung kaum in Kontakt gekommen war.  

Da war in einem magischen Moment an einem großen sibirischen Fluss - Angesicht in Angesicht mit einem kleinen (grauen!) Eichhörnchen - die große FREIE WELT-Völkerschafts-Serie** geboren!  

Und nun reiste ich ab 1975 jahrzehntelang zu zahlreichen Völkern des Kaukasus, war bei vielen Völkern Sibiriens, war in Mittelasien, im hohen Norden, im Fernen Osten und immer wieder auch bei den Russen. 

Nach dem Zerfall der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zog es mich – nach der wendegeschuldeten Einstellung der FREIEN WELT***, nun als Freie Reisejournalistin – weiterhin in die mir vertrauten Gefilde, bis ich eines Tages mehr über die westlichen Länder und Völker wissen wollte, die man mir als DDR-Bürgerin vorenthalten hatte.

Nach mehr als zwei Jahrzehnten ist nun mein Nachholebedarf erst einmal gedeckt, und ich habe das Bedürfnis, mich wieder meinen heißgeliebten Tschuktschen, Adygen, Niwchen, Kalmyken und Kumyken, Ewenen und Ewenken, Enzen und Nenzen... zu widmen. 

Deshalb werde ich meiner Webseite www.reller-rezensionen.de (mit inzwischen weit mehr als fünfhundert Rezensionen), die seit 2002 im Netz ist, ab 2013 meinen journalistischen Völkerschafts-Fundus von fast einhundert Völkern an die Seite stellen – mit ausführlichen geographischen und ethnographischen Texten, mit Reportagen, Interviews, Sprichwörtern, Märchen, Gedichten, Literaturhinweisen, Zitaten aus längst gelesenen und neu erschienenen Büchern; so manches davon, teils erstmals ins Deutsche übersetzt, war bis jetzt – ebenfalls wendegeschuldet – unveröffentlicht geblieben. 

Sollten sich in meinem Material Fehler oder Ungenauigkeiten eingeschlichen haben, teilen Sie mir diese bitte am liebsten in meinem Gästebuch oder per E-Mail gisela@reller-rezensionen.de mit. Überhaupt würde ich mich über ein Feedback freuen!

Gisela Reller 

    * Lernen Sie Rationelles Lesen" / "Lernen Sie lernen" / "Lernen Sie reden" / "Lernen Sie essen" / "Lernen Sie, nicht zu rauchen" / "Lernen Sie schlafen" / "Lernen Sie logisches Denken".

 

  ** Im 1999 erschienenen Buch „Zwischen `Mosaik´ und `Einheit´. Zeitschriften in der DDR“ von Simone Barck, Martina Langermann, Siegfried Lokatis (Hrsg.), erschienen im Berliner Ch. Links Verlag, ist eine Tabelle veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass die Völkerschaftsserie der FREIEN WELT von neun vorgegebenen Themenkreisen an zweiter Stelle in der Gunst der Leser stand – nach „Gespräche mit Experten zu aktuellen Themen“.

(Quelle: ZA Universität Köln, Studie 6318)

 

*** Christa Wolf zur Einstellung der Illustrierten FREIE WELT in ihrem Buch "Auf dem Weg nach Tabou, Texte 1990-1994", Seite 53/54: „Aber auf keinen Fall möchte ich den Eindruck erwecken, in dieser Halbstadt werde nicht mehr gelacht. Im Gegenteil! Erzählt mir doch neulich ein Kollege aus meinem Verlag (Helmut Reller) – der natürlich wie zwei Drittel der Belegschaft längst entlassen ist –, daß nun auch seine Frau (Gisela Reller), langjährige Redakteurin einer Illustrierten (FREIE WELT) mitsamt der ganzen Redaktion gerade gekündigt sei: Die Zeitschrift werde eingestellt. Warum wir da so lachen mußten? Als im Jahr vor der `Wende´ die zuständige ZK-Abteilung sich dieser Zeitschrift entledigen wollte, weil sie, auf Berichterstattung aus der Sowjetunion spezialisiert, sich als zu anfällig erwiesen hatte, gegenüber Gorbatschows Perestroika, da hatten der Widerstand der Redaktion und die Solidarität vieler anderer Journalisten das Blatt retten können. Nun aber, da die `Presselandschaft´ der ehemaligen DDR, der `fünf neuen Bundesländer´, oder, wie der Bundesfinanzminister realitätsgerecht sagt: `des Beitrittsgebiets´, unter die vier großen westdeutschen Zeitungskonzerne aufgeteilt ist, weht ein schärferer Wind. Da wird kalkuliert und, wenn nötig, emotionslos amputiert. Wie auch die Lyrik meines Verlages (Aufbau-Verlag), auf die er sich bisher viel zugute hielt: Sie rechnet sich nicht und mußte aus dem Verlagsprogramm gestrichen werden. Mann, sage ich. Das hätte sich aber die Zensur früher nicht erlauben dürfen! – "Das hätten wir uns von der auch nicht gefallen lassen", sagt eine Verlagsmitarbeiterin.

Wo sie recht hat, hat sie recht.“

(Quelle: ZA Universität Köln, Studie 6318)

Zeichnung: Karl-Heinz Döhring

Wenn Sie sich die folgenden Texte zu Gemüte geführt und Lust bekommen haben, zu bereisen und auch die Nenzen kennenzulernen, sei Ihnen das Reisebüro ? empfohlen; denn – so lautet ein nenzisches Sprichwort -

 

Statt uns die Welt vorzustellen, wie sie sein könnte, sehen wir auf Reisen wie sie ist.

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Die NENZEN… (Eigenbezeichnung: )

… leben zum größten Teil im „Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen“ des Gebietes Tjumen. Größere Gruppen leben im „Autonomen Kreis der Nenzen“ im Gebiet Archangelsk sowie im „Autonomen Bezirk Taimyr“ der Krasnojarsker Region in der Russischen Föderation Sibiriens.

„Als ich zum ersten Mal die kleinen Völkerschaften des Nordens sah, Eskimos, Tschuktschen, Nenzen, Chanten, da dachte ich: `Mein Gott! Wie sehen sie sich doch alle ähnlich, wenn man sie mit den Augen eines Europäers betrachtet. Dabei sind sie bestimmt ganz unterschiedlich.´ Ich musste erst viele Jahre bei ihnen leben, bis ich diese Unterschiede sah. Äußerlich kann man sie tatsächlich kaum auseinanderhalten, denn in anthropologischer Hinsicht gehören sie alle zum Typ der Mongoloiden. Dazu sind sie alle Rentierzüchter und haben ähnliche Rituale und eine ähnliche Kultur. Aber es gibt wesentliche Unterschiede zwischen den Völkern der Arktis und den Bewohnern der Taiga. Erstere sind Nomaden, sie können in der nackten Tundra überleben und passen sich ungewöhnlich schnell an Wetteränderungen an. Sie schonen die Natur nicht, denn sie ist ebenfalls gnadenlos zu ihnen. Die Völker der Taiga sind anders. Sie sind mit ihrer Umwelt buchstäblich verwachsen, mit jedem Pfad und jedem Baum. Ihre Welt ist im Gleichgewicht.“

Tatjana Kuschtschewska in: Mein geheimes Rußland, 2000

 

 „Sibirien ist die Nacht, aus der man nie erwacht, um den Tag wiederzusehen“, schrieb Alexandre Dumas in „Reise durch Rußland“ (1858/1859). Die weit zerstreut zwischen der Petschora und der Taimyr-Halbinsel sowie zwischen mittleren Ob und dem Jenissej lebenden Nenzen sind die größte samojedische Gruppe. Ursprünglich lebten sie westlich des Urals, von wo sie in die heutigen Siedlungsgebiete zogen. - Friedtjof Nansen schreibt in „In Nacht und Eis“, Band 1: „Nachdem wir am nächsten Morgen längs der Küste vor der Mündung der Kara gekommen waren, nahmen wir Kurs auf die Halbinsel Ja[l]mal. Bald hatten wir dieses Tiefland in Sicht, kamen aber am Nachmittag in Nebel und dichtes Eis. Am nächsten Tag war es nicht besser. (…) Am Abend gingen einige von uns an Land. (…) Fährten von Rentieren gab es genug, aber selbstverständlich nur von den zahmen Tieren der Samojeden [Nenzen]. Es ist dies ja das Land der Samojeden. (…) Vormittags hatten wir Besuch von einem Boot mit zwei stattlichen Samojeden, die freundlich empfangen und mit Essen und Tabak versorgt wurden. Sie gaben uns zu verstehen, daß sie weiter nördlich landeinwärts in Zelten wohnten. Mit Gaben beschenkt, kehrten sie wieder nach Hause zurück.“

"Selbst im härtesten Winter bei Temperaturen bis zu minus 50 Grad leben sie [das Naturvolk der Nenzen] in ihren Zelten. (...) Nur die Geräusche der Rentiere und ab und zu das nähere oder fernere Heulen der Wölfe ist [in der Nacht] zu hören. Oder das laute Knarren der Schritte im festgefrorenen Schnee, wenn jemand das Zelt aus zusammengenähten Rentierhäuten verlässt. In der Mitte des Zeltes brennt ein Feuer in einem kleinen eisernen Ofen, auf dem Wasser für den Tee köchelt. Oder ein rußiger Topf hängt an einer Kette, die an einem eisernen Dreifuß festgemacht ist, über dem offenen Feuer. Es ist ein einfaches Leben, wie die Nenzen es schon vor hunderten von Jahren geführt haben."

Thomas Roth in: Russisches Tagebuch, 2002

Entfernung/Zeitunterschied

Bevölkerung:

 

 

 

 

Samojeden [Nenzen] im 17. Jahrhundert.

Zeichnung aus: Rellers Völkerschafts-Archiv

„Irgendwo im entlegenen Walddorf Bachta, in der Region Krasnojarsk (1 150 Kilometer vom Regionszentrum entfernt) lebt ein Mann, in den ich mich aus der Ferne verliebt hatte. Er ist gebürtiger Moskauer, Neffe des berühmten Filmregisseurs Andrej Tarkowski und Enkel des bekannten Dichters Arseni Tarkowski. Sein Name – Michail Tarkowski. (…) Er hatte die russische Hauptstadt verlassen, weil er nicht im Lichte des fremden Ruhms seiner berühmten Verwandten leben, sondern sein Leben selbst gestalten wollte. (…) Michail Tarkowski lebt bereits seit zwanzig Jahren in diesem sibirischen Walddorf. Er arbeitet als Jäger und schreibt Gedichte und Prosa – mit großem Erfolg.“ (Tatjana Kuschtschewsjaja, in: „Transsibirische Eisenbahn, Geschichte und Geschichten“)

Fläche:

Geschichtliches: Erste Kontakte mit Russen hatten die Nenzen bereits im 11. Jahrhundert; die erste Erwähnung der Nenzen in russischen historischen Dokumenten erfolgte 1096 in der Nestorchronik, die erste Erwähnung in der westeuropäischen Literatur ist auf 1247 datiert. - 1601 erfolgte die Gründung des „goldpfründigen“ Mangaseja am Tas-Fluss, von wo aus die Expeditionen der russischen Erkunder in den Jenissej-Norden, nach Taimyr und nach Ostsibirien ausgerüstet wurden. Die wissenschaftliche Erforschung Sibiriens beginnt 1720 bis 1727. Auf Initiative Peters I. wurde eine Expedition unter Leitung von Daniel Gottlieb Messerschmidt (1685 bis 1735) u. a. ins Nenzenland geschickt. Sibirien war zu jener Zeit für Europäer ein unerschlossenes, geheimnisvolles Land. Nur die mutigsten Männer, Pelztierjäger oder Goldsucher wagten sich in den riesigen Kühlschrank Asiens. - Bald darauf kamen die ersten Nenzen unter russische Herrschaft. Im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts waren schließlich alle Nenzen Untertanen des russischen Zaren geworden. „Kurz nach dem Eintreffen der Russen in Obdorsk (heute Salechard) reiste der Ostjaken-[Chanten-]Fürst mit großen Geschenken von Silberfüchsen, Zobeln, Mardern, Hermelinen zum Moskauer Zaren Fjodor Johannowitsch, um ihm seine Huldigung darzubringen. Der Zar behandelte ihn `gnädig´. Dem Fürsten wurden besondere Gemächer zur Verfügung gestellt, er wurde großartig bewirtet, man zeigte ihm Moskau und führte in zu einem Bad, dessen Schwelle er zum ersten Mal mit großer Angst überschritt. Zwei Monate später wurde er getauft. Bei der Taufe wurde dem Fürsten der Name Wassili gegeben, man nahm ihm den Eid ab, dass er ergeben bleibe und ließ ihn in Frieden ziehen. Der Fürst kehrte im Frühjahr des Jahres 1602 zurück – mit Fässern voller Bier.“ (A. Schachow) – Von 1733 bis 1743 und von 1768 bis 1774 arbeiteten in Sibirien Komplex-Expeditionen der Russischen Akademie der Wissenschaften; sie trugen überaus reichhaltiges Material zur Geschichte und Ethnografie der sibirischen Völker zusammen. – 1924 wurde ein „Komitee zur Unterstützung der Völkerschaften der Nordrandländer“ gegründet. 1928 begann die Bewegung der Nenzen-Armut geen die Willkür der ortsansässigen Reichen und gegen die zaristische Verwaltung. Nach der Oktoberrevolution erhielten die Nenzen zunächst Stammesräte. 1929 und 1930 wurden ihnen Autonomien eingerichtet. – 1957 wurde ein Beschluss des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und des Ministerrates der UdSSR angenommen: „Über Maßnahmen zur weiteren Entwicklung der Völkerschaften des Nordens“.

Staatsgefüge: Am 15. Juli 1929 wird der „Nationale Kreis der Nenzen“ gegründet, am 10. Dezember 1930 erfolgte die Gründung des „Nationalen Kreises der Jamal-Nenzen“ und der „Nationale Kreis Taimyr der Dolganen und Nenzen“.

„Den Namen dieser fernen Gegend jenseits des Polarkreises weiß ich noch von der Schule her und erinnere mich auch des naiven Kinderrätsels: `Welche Halbinsel spricht selber von ihrer Größe?´- `Jamal´, antworteten wir. (Russisch Я мал = Ich bin klein.) Dieser Name besteht wirklich aus zwei nenzischen Wörtern: „ja“ und „mal“, doch sie bedeuten etwas ganz anderes: Ende, Rand der Erde. Ich schlage die Karte auf und finde gleich hinter dem Uralgebirge den erhobenen Finger von Jamal. Nun, am Maßstab unseres riesigen Landes gemessen, erscheint er in der Tat nicht sehr groß, dieser Finger. Doch ich brauche den Blick nur auf die Karte von Westeuropa zu lenken… um mir sofort der wirklichen Größe der Halbinsel bewusst zu werden. – Viermal Belgien! Dreimal die Schweiz! Aber… ich möchte das ganze Land der Nenzen hinter dem Ural besuchen. Das aber ist nicht mehr Belgien, das ist ganz Frankreich, Teufel auch!"

Georgi Metelski, in: Die Schwäne fliegen nach Norden, 1970

 

Verbannungsgebiet: memorial.krsk.ru Nikolai Robertowitsch Erdmann

Hauptstadt: Der Hauptort des „Autonomen Kreises der Jamal-Nenzen“ ist Salechard im Gebiet Tjumen, der Hauptort des „Autonomen Kreises der Nenzen“ ist Narjan-Mar des Gebiets Archangelsk. Salechard wurde 1595 als Obdorsk von Kosaken gegründet; die ehemalige Kosakensiedlungwurde 1807 abgerissen. Obdorsk blieb Jahrhunderte hindurch in fast gleichem Zustand wie zu des Fürsten Wassili Zeiten. Im Jahre 1896 gab es in der Stadt fünfzig Häuser, hundertzwanzig Speicher, ein staatliches Brotmagazin, eine Kirche mit einer dazugehörigen Schule, in der vierzehn Kinder lernten. Inzwischen wurde der ehemalige Kosakenfestung aufwendig restauriert. In Salechard gibt es heute ein neues Museum der Völker des Nordens. Sehenswert ist auch das Polarkreisdenkmal sowie das Denkmal Projekt 501, mit dem an die unter Stalin fast fertig gestellte Todesbahn vom Ob an den Jenissej erinnert wird. Tatjana Kuschtewskaja schreibt in „Meine sibirische Flickendecke“: „Einer der traurigsten Schauplätze, die ich in Sibirien gesehen habe, war die berühmte „Tote Trasse“ – Eisenbahngleise, die durch Wälder, Brachen und Moore führen und kurz vor Salechard abbrechen. An der Jenissej-Biegung, nicht weit von Jermakowo, im tiefen Wald stieß ich mit Freunden auf diesen `großen Bauplatz Stalins´. Weit und breit keine Menschenseele. Die Gebäude verfallen, die Dächer von Bäumen und Sträuchern durchwuchert. Am Ufer des Tas unter Bergen von Windbruch ein ganzes Depot verrosteter Lokomotiven und Waggons. Und mitten durch die Wildnis, über Hunderte von Kilometern hinweg, das schrundige, durch das Eis wieder aufgebrochene Gleisbett der `Toten Trasse´. Ein gespenstischer Anblick. Als ob hier eine kosmische Katastrophe passiert wäre. (…) Was wurde hier gebaut und zu welchem Zweck? Im Januar 1949 bei einer seiner berühmt-berüchtigten Nachtsitzungen, hat Stalin mit seinen Beratern den Beschluß gefasst, bei der Siedlung Igarka am Unterlauf des Jenissej einen Hafen bauen und vom Ural aus eine Eisenbahnstrasse von 13.000 km Länge dorthin legen zu lassen. Schon nach wenigen Tagen wurden Tausende Sträflinge sowie Baumaterial und Baugeräte in die Taiga geschafft. Die Projektierung und technische Dokumentation des Baus sind erst später entstanden, im nach hinein, als auf Teilstrecken der Trasse bereits Züge verkehrten. Insgesamt haben hier 120.000 Sträflinge gearbeitet, deutsche Kriegsgefangene, sogenannte Spione und Konterrevolutionäre und viele andere, wer weiß warum Inhaftierte. Sie alle waren über die  Etappengefängnisse Krasnojarks zur `Stalintrasse´ getrieben worden. Als Ansporn für höhere Arbeitsleistungen gab es eine besondere Prämie. Norm war ein Kilometer Schienenstrang pro Schicht. Die Wachleute steckten 1.300 Meter ab und stellten am Ende einen Tisch mit Brot, Fleischkonserven, Spirituosen und einem Beutel Machorka [Tabak] auf. Diejenigen, die zuerst hingelangten, durften alles haben. Doch kaum war Stalin gestorben, wurde dieses sein Lieblingsprojekt fallengelassen. Es gab nichts und niemanden mehr in die Taigawildnis zu befördern. Die Lager leerten sich und wurden nach und nach stillgelegt, die Maschinen und Geräte begannen zu verrotten. So erhielt die Bahnstrecke den Beinamen `Tote Trasse´.“ (…) Wie viel Menschenleben sie gefordert hat! Welcher Preis für nichts.“ Salechard liegt am Ufer des Poluja, zwei Kilometer nördlich vom Polarkreis. Salechard bedeutet „Die Siedlung am Kap“ und ist eine der wenigen Städte, die direkt in der Tundra errichtet wurde. Die Stadt liegt an der Grenze der Waldtundra und der eigentlichen Tundra, auf dem hohen Kap des Poluja-Flusses, zwölf Kilometer vom Ob entfernt.

Wirtschaft:

1953 schreibt A. Schachow in seinem Buch „ Auf Rentierpfaden“, dass es im Bezirk Salechard keine Getreidefelder gibt. Doch das hindere die Wissenschaftler durchaus nicht, davon zu sprechen, dass Salechard der zukünftige Mittelpunkt eines landwirtschaftlichen Bezirkes sein werde. Heute ist im Bezirk Salechard die Fleisch- und Milchviehzucht zu Hause, die Rentierzucht, die Zucht von Blau- und Silberfüchsen und: Es werden Gemüse und Kartoffeln angebaut. – Bis heute sind die Nenzen überwiegend nomadisierende Rentierzüchter.

„Die genialsten Rentierzüchter sind die Nenzen, Tschuktschen und Ewenken. Aber auch bei ihnen gibt es Unterschiede. Die Ewenken bewegen sich sehr geschmeidig. Auch ihre Kultur ist ungewöhnlich leicht. Sie sind scharfsinnig und fröhlich. Das Fellzelt der Nenzen, ihr Haus, ist nicht zu übertreffen. Alles darin ist zweckmäßig eingerichtet und sehr bequem. Auch ihr Verhältnis zu den Rentieren ist beispiellos. Ihre Tiere sind zahm wie Hunde."

Tatjana Kuschtschewska in: Mein geheimes Rußland, 2000

Heute arbeiten ähnliche Anlagen in den Siedlungen Sejakha und Antipajuta. Alleine die Anlage in Sejakha hat eine Produktionsleistung von 400 Tonnen. In der Bauphase befinden sich die Anlagen in der Saison-Siedlung Yuribej und den Siedlungen Pajuta und Nyda.

Die Erhöhung der Fleischproduktion ermöglicht eine Senkung der Belastung der Rentierweiden. Für uns ist es wichtig, dass die Anzahl der Rentiere der Fläche der Weiden entspricht.

Die Nachfrage nach Rentierfleisch, wie auch nach Edelsorten von Fisch ist nicht nur am Jamal, sondern auch im Ausland enorm. Im Jahr 2008 exportierten wir bis zu 50 Tonnen, und im Jahr 2011 stieg unser Export auf 537 Tonnen an. Europa hat die einzigartigen Eigenschaften desmageren Rentierfleisches kennen und lieben gelernt, deswegen ist es für uns sehr wichtig, die Verarbeitung zu vertiefen. In diesem Jahr soll die in Salechard gebaute Fleischerei, die rund 2 Tonnen Fleischerzeugnisse pro Schicht herstellen wird, die erste Wurst und Delikatessen des Premium-Segments an ihre Kunden ausliefern.

Dieses Investitionsprojekt wird im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen, zum Schutz der Ökosysteme von Ob und Tas. Die Inbetriebnahme der Züchterei ist für das Jahr 2013 geplant. Sie soll als Basis wir wissenschaftliche Forschungen und Entwicklung von neuen Technologien für die Züchtung von Edelfischarten, Sanierung der Arktis-Gewässer und Ausbildung von Spezialisten für die Fischzuchtbranche dienen. In 8 Jahren sollen bis zu 100 Tonnen Muksun pro Jahr gezüchtet werden. Dank dieser Maßnahmen werden im Jahr 2020 am Jamal etwa 10-12 Tausend Tonnen Weißfisch gefangen werden.

 

Verkehr:  

Sprache/Schrift: Das Nenzische gehört zur samojedischen Gruppe der uralisch-altaiischen Sprachefamilie. Als Schrift dient das kyrillische Alphabet. Die erste Nenzen-Fibel erschien 1932.

die Kyrillisierungsidee hatte 1934 der Erste Sekretär des Ostsibirischen Gebietskomitees, vorgetragen auf dem 17. Parteitag: „Ich muss, Genossen, hier auf einen ernsthaften Fehler zu sprechen kommen, der meines Erachtens bei der Einführung einer Schrift für die nördlichen Völker zugelassen wurde. Bei uns im Norden gibt es ungefähr fünfzehn Völker, und einige von ihnen, wie zum Beispiel die Tofalaren, die Nenzen, die Dolganen, zählen nur ein bis zweitausend Seelen. Da fragt man sich: wozu brauchen sie ein lateinisches Alphabet? Ist es nicht einfacher, für die Schrift dieser Völker das russische Alphabet zur Grundlage zu nehmen, um den Werktätigen der nördlichen Völker die Beherrschung der Schrift in zwei Sprachen – der Muttersprache und der russischen – zu erleichtern?“

Literatursprache/Literatur: Seit 1932 ist das Nenzische neben Russisch Literatursprache. – Einer der bekanntesten Nenzen-Dichter ist Leonid Lapzuj, 1932 auf Jamal als Sohn eines Jägers und Rentierzüchters geboren, arbeitete in einem Fischverarbeitungsbetrieb, studierte dann Journalistik, veröffentlichte Lyrik und Prosa seit 1961.

1910 wurde der nenzische Maler Konstantin Pankow geboren, er starb 1942 mit 32 Jahren an der Wolchow-Front. Seine Eltern,  Vater war Nenze, die Muter Mansin, waren Jäger.

Bildung: 1931 gab es im „Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen“ sieben Schulen, in den fünfziger Jahren waren es bereits einundsechzig, darunter fünfzehn Mittelschulen

Kultur/Kunst:

1910 wurde der nenzische Maler Konstantin Pankow geboren, er starb 1942 mit 32 Jahren an der Wolchow-Front. Seine Eltern,  Vater war Nenze, die Muter Mansin, waren Jäger.

"Das ist ein Bild des Nenzen-Malers Pankow, eines ehemaligen Studenten des aufgelösten Instituts für die Völker des Nordens. Primitiv, aber manch einem gefällt es."

Juri Rytchëu (tschuktschischer Schriftsteller, 1930 bis 2008)

in: Im Spiegel des Vergessens, 2007

Gesundheitswesen:

Klima: Starke Schneestürme bringen starke Fröste von 30 bis 35 Grad minus mit sich. Anfang Dezember muss man mit Frösten bis zu 40 Grad minus rechnen. Gewöhnlich herrscht bei dieser Temperatur Windstille und die Tundra dampft in dichtem Nebel. Im Frühling – April/Mai – wechseln warme, sonnige Tage mit Tagen, an denen Schneestürme brausen. Oft weht Südwind, um den ersten Juni herum bricht in der Regel das Eis des Ob auf. Friedtjof Nansen in „In Nacht und Eis“, Band 1: „Seltsam, wie sich das Empfindungsvermögen des Menschen ändert. Zu Hause empfinde ich es unangenehm, wenn ich bei unter 20 Grad Kälte, auch bei windstillem Wetter, aus der Tür trete. Hier aber finde ich es auch nicht kälter, selbst wenn ich bei 50 Grad Kälte und Wind an Deck laufe. Sitzt man zu Hause im warmen Zimmer, so bekommt man übertriebene Begriffe von der Schrecklichkeit der Kälte. Sie ist wirklich nicht im mindesten schrecklich; wir alle befinden und sehr wohl dabei (…).“

"Noch gestern - so schien es - hatte das Nordlicht am Himmel seine bizarren Muster gezeichnet, wurde die Stille gestört durch das Heulen des Windes und das Rascheln der Schneeflocken auf den Kämmen der Sastrugi. Heute nun scheint die Sonne beinahe unerträglich grell, wo weiße Schneewehen schimmerten, murmeln heute Bächlein, und gleichsam als Echo lärmt ein nicht enden wollender  Vogelchor. (...) Aber die Bächlein verstummen bald, und stiller, irgendwie unauffälliger werden die Vögel, die nun familiäre Sorgen zu bewältigen haben. Und schon stiehlt sich unbemerkt der Herbst heran, zunächst mit Frühfrosten, später mit Tagesfrösten, und ihm folgt dann, noch unmerklicher, so ganz heimlich schleicht er sich an, der Winter."

Sawwa Uspenski in: Tiere in Eis und Schnee, 1983

 

Natur/Umwelt: In der ausgedehnten Wald-Mittelzone der Russischen Föderation sind die wichtigsten Waldressourcen Sibiriens konzentriert. Holz wird von allem in der Region Krasnojarsk und im Gebiet Irkutsk geschlagen.

Pflanzen- und Tierwelt: Wenn Rentierflechten abgebrochen sind, wachsen sie zwei Jahre lang nicht mehr; erst nach zwanzig Jahren erreichen sie wieder die ursprüngliche Größe. - Ein typischer Tundravogel ist der Falke.

"Der Falke hat ein bescheiden gefärbtes Federkleid und ist kein überragender Sänger. Trotzdem könnte man gerade die Falken als die Vollkommensten unter den Vögeln bezeichnen; unter den zahlreichen Greifvögeln sind die Falken es in der Tat. (...) Nur bei Falken kann man Kraft, Gewandtheit, Mut, Schnelligkeit und Eleganz des Fluges so bemerkenswert vereint sehen. (...)  Es ist bekannt, daß es in Kiew schon im 9. Jahrhundert zu Zeiten des Fürsten Oleg einen Falkenhof gab."

Sawwa Uspenski in: Tiere in Eis und Schnee, 1983

 

Behausungen:

Ernährung: Die Kost der Nenzen ist monoton. Obwohl Brot seit einem Jahrhundert bekannt ist, ist es erst in den letzten Jahrzehnten populär geworden. Das vornehmliche Essen besteht aus Fleisch und Fisch. Normalerweise wird es roh gegessen in frischem Blut. Aber sie mögen es auch getrocknet, gefroren oder gekocht. Im Sommer wird Fleisch und Fisch getrocknet, manchmal auch geräuchert und eingesalzen, um es haltbarer zu machen. Im Winter bleibt es ohne weitere Behandlung gefroren. Schmackhafte Suppen werden aus Fleisch, Fisch und Roggen hergestellt. Fett wird aus Fisch gemacht und mit dem Rogen (Fischeier), Fischstücken und zerstoßenen Beeren gegessen. Es ist üblich, das Knochenmark und das Blut frisch geschlachteter Tiere zu verspeisen. Das Blut wird aber auch konserviert und gefroren, um es später im kochenden Wasser zu schmelzen und mit Mehl und Beeren zu einer Art Kuchen zu verarbeiten. Eine spezielle Delikatesse ist das Geweih von jungen Rentieren, das im Frühling sehr weich ist. Das Getränk der Nenzen ist Tee aus gepressten Teeziegeln.

Kleidung: Die Kleidung der Nenzen besteht aus einem Mantel aus umgekehrtem (mit dem Fell nach innen) Rentierfell mit Kapuze. Darüber kommt noch ein "sawak", der darüber gezogen wird, wenn es sehr kalt ist, mit dem Fell nach außen. Ihre Hosen reichen bis zur Mitte der Beine. An den Füßen tragen sie mit Heu gefüllte Stiefel. Die Frauen tragen lange Pelzmäntel aus doppeltem Rentierfell, die am Saum mit einem extra Pelzbesatz verziert sind. Auf dem Kopf tragen sie Pelzkappen, mit metallenen Ornamenten und Glasperlen verziert.

Sommerkleidung eines nenzischen Rentierzüchters: Das geschlossene Obergewand mit

angearbeiteter Kapuze ist aus Rentierleder gefertigt.

Die Hose hat einen Lederfransenschurz. Auf rotem Streifenuntergrund sind mit Rentierhaar

geometrische Ornamente aufgestickt. Am Gürtel sind Messer und Wetzsteinbehälter befestigt.

Foto aus: Rellers Völkerschafts-Archiv

Folklore:

Feste/Bräuche: Noch heute ist das Schlittenspringen Brauch, bei dem – meist Jungen – über bis zu fünf Schlitten springen. – Auch das Beilwerfen ist bei den Nenzen noch heute ein beliebter Brauch; es kommt darauf an, wer das Beil am weitesten wirft.

"Die Nenzen schafften in alten Zeiten die Schädel erlegter Eisbären auf spezielle `Opferstätten´ und schichteten sie zu Haufen - `Opferaltären´- auf. Eine der größten dieser nenzischen `Opferstätten´ befand sich im äußersten Norden der Jamal-Halbinsel. Mitte 1970 besuchte ich mit einem Kameraden diese Gegend. Allein auf einer dieser Opferaltäre - auf dem `Hauptschaitan´, wie die ersten Erforscher der Jamal-Halbinsel  ihn nannten - zählten wir 170 Bärenschädel. (...) Hier handelt es sich um eine Erscheinung echten Eisbärenkultes bei den Nenzen. Als `heiligster´ Eid oder Schwur galt bei ihnen der, den man auf eine Bärenschnauze oder Bärentatze ablegte. (...) Hoch geschätzt war bei den Nenzen wie auch bei anderen Völkern des Nordens als Amulett ein Zahn, besonders ein Reißzahn des Eisbären."

Sawwa Uspenski in: Tiere in Eis und Schnee, 1983

Religion: Die Nenzen sind teils orthodoxe Christen, teils schamanische Animisten.

"Die sibirischen Völker können nicht ohne Schamanen leben. Zum Pfarrer kann man ausgebildet werden, als Schamane wird man geboren."

Jacek Hugo-Bader (polnischer Buchautor) in: Ins eisige Herz Sibiriens, Eine Reise von Moskau nach Wladiwostok, 2014

 

 

 

 

 

Rentierschlittengespann und Kultbilder der Samojeden [Nenzen] in:

"Reise oder Schiffahrt nach Norden", 1601)

Aus: Rellers Völkerschafts-Archiv

Ereignisse nach dem Zerfall der Sowjetunion, sofern sie nicht bereits oben aufgeführt sind: 2002 machte der russische Föderationsrat in Moskau den Vorschlag, vom Aussterben bedrohte Völker im hohen Norden Russlands mit weniger Wodka zu beliefern, weil die Todesrate durch Alkohol unter den Tschuktschen, Nenzen und Korjaken 20 Mal höher sei als bei den Russen, die in derselben Region leben. - Ende November 2012 fand in der auf dem Polarkreis gelegenen Stadt Salechard (Autonomer Kreis der Jamal-Nenzen) das 10. Internationale Festival der Eisskulpturen „Polare Rhapsodie“ statt- Zehn Teams aus Belarus, Indien, Kanada, Lettland, Litauen, Russland, Tschechien, der Ukraine hatten eine Woche Zeit, um ihre Eisskulpturen zum Thema „Wunder der Welt“ zu kreieren.

Kontakte zur Bundesrepublik Deutschland:

2011 wird die Ostsee-Pipeline eingeweiht. Sie transportiert russisches Erdgas u. a. vom Erdgasfeld Juschno-Russkoje (Gebiet der Jamal-Nenzen) durch die Ostsee nach Deutschland.

"Die Ostsee-Pipeline war ein Projekt von gewaltigen Dimensionen. Zwei parallele Leitungsstränge von 1 224 Kilometer Länge, vom russischen Wyborg ins mecklenburgische Lubmin. eine Gesamtkapazität von 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr. Ein Investitionsvolumen von 7,4 Milliarden Euro.

Matthias Nass in: Die Zeit vom 20.11.2014

 

Interessant, zu wissen..., dass auf der Halbinsel Jamal 2007 ein nahezu unversehrtes Mammut-Baby entdeckt wurde.

Ein sensationeller Fund bei den NENZEN! Das Tier wurde zufällig vom nenzischen Rentierzüchter Juri Hudi entdeckt. Als sich herausstellte, dass es sich um ein weibliches Tier handelte, taufte er es auf den Namen Ljuba, zu Ehren seiner Ehefrau. Paläontologen vertreten den Standpunkt, dass das Mammutjunge nur einen Monat alt gewesen ist, als es im Sumpf versank. Die einmalige Unversehrtheit des Körpers Ljubas, der 42 000 Jahre im Dauerfrostboden gelegen hatte, konnten bereits Einwohner vieler Länder der Erde bewundern. Der Rüssel, die Augen und das Fell des Mammutbabys sind erhalten geblieben, und in seinem Magen wurden Reste von Muttermilch festgestellt. Ljubas Welttournee begann im Oktober 2009 mit der Teilnahme an einer Wanderausstellung von Mammuten in den USA. Zurzeit beteiligt sich Ljuba an der internationalen paläontologischen Ausstellung in Hongkong. Allein in den ersten beiden Wochen sind 100 000 Besucher gekommen. Jetzt ist die Mumie des jungen Mammuts aus dem Internationalen Finanzzentrum von Hongkong in das Museum der Wissenschaft umgezogen, wo zusätzliche Informationen über das Verschwinden von Mammuten, die Ursachen und die Auswirkungen ihres Aussterbens präsentiert werden. Das Mammutbaby Ljuba wird seine triumphale Welttournee unterbrechen und Ende Juni „nach Hause“, in das „Schemanowski“-Museum in der westsibirischen Stadt Salechard, zurückkehren. Hier, am „Ende der Erde“, soll das kleine Mammut zur Schlüsselfigur der Ausstellung „Mammutzeit“ werden. Die Ausstellung knüpft an die dort beginnende internationale Konferenz „Ressourcen und Risiken der Regionen mit dem Dauerfrostboden in der sich verändernden Welt“ an. Diese fand vom 25. bis 29. Juni 2013 statt und der Erforschung von Permafrost, eines Teils der Erdkruste, in der Arktis gewidmet sein. Nach Beendigung der Konferenz in Salechard wird das inzwischen weltbekannte Mammutbaby seine Tournee durch die Welt fortsetzen: Es wird China, Indonesien, Singapur und andere Länder besuchen. Ljubas Auslandsreise findet 2014 im Londoner Natural History Museum  ihren Abschluss.

 

Die ursprüngliche Heimat ist eine Mutter, die zweite eine Stiefmutter.

Sprichwort der Nenzen

 

Als Journalistin der Illustrierten FREIE WELT – die als Russistin ihre Diplomarbeit über russische Sprichwörter geschrieben hat - habe ich auf allen meinen Reportagereisen in die Sowjetunion jahrzehntelang auch Sprichwörter der dort ansässigen Völker gesammelt - von den Völkern selbst,  von einschlägigen Wissenschaftlern und Ethnographen, aus Büchern ... - bei einem vierwöchigen Aufenthalt in Moskau saß ich Tag für Tag in der Leninbibliothek. So ist von mir erschienen: 

* Aus Tränen baut man keinen Turm, ein kaukasischer Spruchbeutel, Weisheiten der Adygen, Dagestaner und Osseten, Eulenspiegel Verlag Berlin in zwei Auflagen (1983 und 1985), von mir übersetzt und herausgegeben, illustriert von Wolfgang Würfel.

* Dein Freund ist dein Spiegel, ein Sprichwörter-Büchlein mit 111 Sprichwörtern der Adygen, Dagestaner Kalmyken, Karakalpaken, Karelier, Osseten, Tschuktschen und Tuwiner, von mir gesammelt und zusammengestellt, mit einer Vorbemerkung und ethnographischen Zwischentexten versehen, die Illustrationen stammen von Karl Fischer, die Gestaltung von Horst Wustrau, Herausgeber ist die Redaktion FREIE WELT, Berlin 1986.

 * Liebe auf Russisch, ein in Leder gebundenes Mini-Bändchen im Schuber mit Sprichwörtern zum Thema „Liebe“, Buchverlag Der Morgen, Berlin 1990, von mir (nach einer Interlinearübersetzung von Gertraud Ettrich) in Sprichwortform gebracht, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen, illustriert von Annette Fritzsch.

Ich bin, wie man sieht, gut damit gefahren, es mit diesem turkmenischen Sprichwort zu halten: Hast du Verstand, folge ihm; hast du keinen, gibt`s ja noch die Sprichwörter.

 

Hier fünfzig nenzische Sprichwörter:

 

(Bisher Unveröffentlicht)

 

Jeder Fisch hat Gräten, jeder Mensch hat Fehler.

Einen gefügigen Kopf fällt kein Schwert.

Neue trage achtsam - Altes gut repariert.

Zu großer Schritt erreicht die Schwelle nicht.

Der Sturm nimmt die Geborgenheit, der Gedanke - den Schlaf.

Die Wahrheit strahlt heller als die Sonne.

Hat das Wasser das Land einmal heimgesucht, kommt es immer wieder.

Schlechtes Wetter geht vorüber, menschliche Bosheit bleibt.

Ein Feigling stirbt immer sinnlos.

Ein einsamer Baum fürchtet den Wind, ein einsamer Mensch - den Menschen.

Ist´s Eisen - schneid´s kürzer, ist´s Holz - schneid´s länger.

Ein Fischer wird nicht reich, auch wenn sein Rocksaum niemals trocknet.

Wer viel leistet, muss viel essen.

Besser ein kleiner guter Gedanke, als ein großes schlimmes Wort.

Gutes färbt ab.

Wenn auch klapprig, doch eine Hütte; wenn auch fleischlos, doch eine Suppe.

Dem Faulen ist der Tag zu lang, dem Fleißigen - die Nacht.

Erst wird gelobt, dann verflucht.

Für die linke Hand gibt es keinen Richter.

Einem Kind, das nicht schreit, gibt man nicht die Brust.

Einem Klatschmaul erzähle keine Neuigkeit.

Von zweien ist immer einer der Klügere.

Ein wütender Mensch gebärdet sich wie eine ins Feuer geworfene Sehne.

Halte dich selbst nicht für ein Messer und deine Frau nicht für das Fleisch.

Der Neider hat kein Hemd.

Der Ruhelose ist wie ein Rentier ohne Lager, wie ein Fisch ohne Gewässer.

Ein windiger Tag ist ohne Ruhe, eine gedankenschwere Nacht - ohne Schlaf.

Jagst du etwas in der Tundra - lobe dich nicht, jagst du nichts - gräm dich nicht.

Stumpfes wetze nicht, einen Tölpel belehre nicht.

Den Tod kann das schnellste Rentier nicht einholen

In seinem Tümpel ist der Fisch das stolze Ren.

Verdacht bringt dichten Nebel, Glaube - wolkenlosen Himmel .

Mit etwas Verstand finden die Hände viel Arbeit.

Wer sein Volk verlassen hat, wird Beute des Feindes.

Zu kurz der Weg für ein gutes Ren, zu kurz die Nacht für ein gutes Spiel.

Belehre nicht durch linkes, sondern durch rechtes Wort.

Die Worte eines Mannes müssen so schön sein wie sein Schlitten.

Was Wurzeln hat, kann schwanken - was Beine hat - stolpern.

Eine lose Zunge ist zu großem Schuhwerk gleich.

Vor sieben der Seinen fürchtet sich nicht einmal der Vielfraß; vor zwei Brüdern reißt sogar der Bär aus.   

Wo man dich bewirtet, übernachte nicht neun Tage.

Wohin du auch gehst, verweile nicht zu oft unterwegs.

Ein Geizkragen zahl seine Schulden erst zurück, wenn sein Tannenwald alle Nadeln abgeworfen hat.

Wer sich entschließt loszugehen, kommt auch über den Fluss.

Kein richtiger Mann, den Herzeleid und Trauer verschont.

Nachdem du Gutes getan, lauf nicht davon.

Die kunstfertige Hand braucht keine Messlatte, ein scharsinniger Mensch keinen Wortführer.

Wessen Hände schlafen, muss geflickte Hosen tragen.

Das Feuer mit Wärme beschenkt, der Weise mit Worten erleuchtet.

Inmitten Herzloser darf sich ein guter Mensch nichts zu Herzen nehmen.

 

 Gesammelt, aus dem Russischen übersetzt und in Sprichwortform gebracht von Gisela Reller

 

 

 

 

 

Das Zitat: Der Geobotanker A. Schachow fragte auf seiner Expeditions-Reise im Jahre 19.. einen Nenzen, ob er gut lebe und ob er sich etwas wünsche. Dessen Antwort -: „Rentier ist da, Schlitten ist da. Hund ist da, Fisch ist da, Fleisch ist da. Was noch nötig? Lesen und Schreiben ist nötig. Der Nenze will russisch verstehen.“

 

 

 

 

Von Leonid Lapzui brachte ich von den Nenzen das Gedicht „Mein Jamal“ mit, veröffentlicht in der Illustrierten FREIE WELT 5/1978 – innerhalb der „Völkerschaftsserie“:

 

Wer nie zur Nachtruh sich im Schnee verschanzte / in unserer weiten Tundra auf Jamal, / nicht unverdrossen stapfte, während ihm zur Qual / die Mückenschwärme überm Moospfad tanzten; / wer nur aus Büchern weiß, wie wütend hier der Eissturm fegt, / im Sumpf nicht irrte ohne Weg und Steg – was weiß der schon von unserer Tundra?! / Was schwebt ihm vor? Wie Rentierherden schweifen, / wie hier im weißen Zottelpelz der Bär / bedächtig trottet, oder wie das Meer / das Packeis türmt entlang den Küstenstreifen… / Das alles ist naiv, muss ich schon sagen. / ich lad auch, Freunde, aller herzlich ein: / Kommt, überzeugt euch durch den Augenschein, / wie wohnlich mein Jamal ist heutzutage. / Unüberblickbar sind die Rentierherden, freilich… / Doch ausgerichtet stehen in reih und Glied / Bohrtürme und verblüffen jeden Neuling / mit wuchtiger Motoren stolzem Lied. / Rings alles öd? / Nur Wind und Wellen heulen? / Nein, andre Stimmen werden heute laut. / Der Wechselklang des Hammers und des Beiles / und junge Lieder, wo die Jugend baut. / Auf eisverharschter Decke weit und breit / der Häuser Lichtreflexe flimmernd gleißen; / sie sind´s, die meinen rauen Norden heut / mit starker Hand der Finsternis entreißen. / Aus seiner Flugzeugkanzel sieht das alles / der Nenze, fest die Hand am Steuerrad, / er sieht, wie wunderbar verjüngt Jamal ist, / seit es den großen Schritt ins Morgen tat. / Nach tiefem Schlaf seit uralt-grauen Zeiten / steigt gleichsam meine Halbinsel jetzt kühn / empor aus eisigkalter Meeresweite / dank kluger Hände frohem Schaffensmüh´n. / Jamal, noch gestern wie ein siecher Greis, / reckt heute seine Schultern jugendwuchtig, / und nicht mehr trostlos-öde ist das Weiß… / Euch wird es hier gefallen, kommt, besucht uns! / Wir warten, Freunde! / Und was macht´s schon aus, / wenn euch das Schneegestöber anfaucht beißend; / im Tschum, aus Rentierfell dem warmen haus, / wird man euch überall willkommen heißen. / Mein heimatlicher Norden scheint nur so - / so rau und unwirtlich. Mag´s draußen heulen, / ein jeder meiner Landsleute wird froh / dem Heims und Herzens Wärme mit euch teilen. //

(Nachdichtung: Johann Warkentin)

 

Von den Nenzen brachte ich das Märchen „Der Knabe und der Wundervogel“ mit, veröffentlicht in der Illustrierten FREIE WELT 5/1978:

 

*

Es lebte einmal ein Knabe, klein und schmächtig wie Vater und Mutter. Immer spielte er allein. Eines Tages schenkte der Vater seinem Söhnchen Pfeil und Bogen. Der Knabe freute sich, spannte den Bogen und wanderte los, weiter und weiter. Da sah er einen großen schwarzen Vogel, der wie ein Adler anzusehen war. Als der Knabe zu weinen begann, sprach der Vogel: „Warum weinst du? Komm her.“ – Der Vogel hieß Niochi, hatte einen großen kopf und mächtige Flügel. „Wieso bist du hier?“ fragte er. – „Ich ging und ging…, dann sah ich dich.“ – „Gut, dass du hier bist. Dein Vater versteht sich darauf, Eisen zu schieden. Sag ihm ich brauche einen neuen Flügelknochen. Wenn ich wieder fliegen kann, erhältst du von mir eine Belohnung.“ – Der Knabe machte sich auf den Heimweg. Zuhause im Tschum bat er den Vater inständig, dem großen schwarzen Vogel zu helfen. – „Gut, geh schlafen. Ich mache mich an die Arbeit.“ – Ehe noch die Nacht um war, schmiedete der Vater des Knaben einen Knochen, der aussah wie ein Gänseflügel. – Am anderen Morgen machte sich der Knabe auf den Weg. Der Vogel stand noch dort, wo er ihn verlassen hatte. Froh bat er: „Komm nach sechs Tagen wieder her.“ Als der Knabe am sechsten Tag zurück kam, saß dort eine Frau – eines ihrer Augen war wie bei allen Menschen, das andere aber aus Eisen. Der Junge schritt näher. Da verschwand die Frau. Jetzt stand ein schmächtiger Baum dort. Als er weiter ging, verwandelte sich dieser Baum blitzschnell in einen schwarzen Stein. Aber dann, dann saß mit einem Mal eine Frau aus Fleisch und Blut auf dem schwarzen Stein und --- der Knabe war zum Jüngling herangewachsen…

„Mein Vater Niochi hat mich geschickt“, sagte sie. Ohne dich wäre unser Land untergegangen. Wir wollen für immer zusammen bleiben.“ – Traurig sagte der Jüngling: „Ich habe nur ein schäbiges, schmutziges Rentiergewand. Wirst du mit mir leben wollen?“ – „Mich stört das nicht“, erwiderte die liebreizende Frau. Als sie beide des Morgens erwachten, warteten bereits zwölf Rentiergespanne.

Die Zeit verging. Die Frau gebar Kinder. Die Mädchen wuchsen heran, reiften zu Frauen und setzten ebenfalls Kinder in die Welt…

Sechsundzwanzig Kindern schenkte die Tochter Niochis das Leben. Und so stammen von ihr und ihrem Mann – so sagt man – die sechsundzwanzig kleinen Völkerschaften des Nordens ab. Weit haben sie sich über das Land verstreut…

*

Die 26 kleinen Völker des Nordens: die Alëuten, Chanten, Dolganen, Enzen, Eskimos, Ewenen, Ewenken,

Itelmenen, Jukagiren, Keten, Korjaken, Mansen, Nanaier,

Negidalen, Nenzen, Nganasanen, Niwchen, Oroken, Orotschen, Samen, Selkupen, Tofalaren, Tschuktschen, Tschuwanen, Ultschen. 1 Volk fehlt!!!!

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Nenzen sind das freiheitsliebendste, stolzeste

Volk der Tundra.“

Tatjana Kuschtschewska in: Mein geheimes Rußland, 2000

 

 

Rezensionen und Literaturhinweise (Auswahl) zu den NENZEN

 

 

Rezension in meiner Webseite www.reller-rezensionen.de

 

* KATEGORIE REISELITERATUR/BILDBÄNDE: Edeltraud Maier-Lutz, Flußkreuzfahrten in Rußland, Unterweg auf Wolga, Don, Jenissej und Lena, Trescher-Reihe Reisen, herausgegeben von Sabine Fach und Bernd Schwenkros, mit zahlreichen Schwarz-Weiß-Aufnahmen, Trescher Verlag, 4. Auflage, Berlin 2002.

 

Literaturhinweise (Auswahl)

* Tatjana Kuschtewskaja, Transsibirische Eisenbahn, Geschichte und Geschichten. Wostok, Berlin 2002. Ein außerordentlich gut recherchiertes Buch über alles, was unmittelbar und mittelbar mit der Transsibirischen Eisenbahn zu tun hat. Viele Fakten entdeckte ich nur bei ihr zu diesem Thema.

* Tatjana Kuschtewskaja, Mein geheimes Rußland, Reportagen, Grupello Verlag 2000.

* Georgi Mietelski, Die Schwäne fliegen nach Norden, VEB. F. A. Brockhaus Verlag, Leipzig 1970.

* Friedtjof Nansen, In Nacht und Eis, Band 1 und 2, Verlag Volk und Welt, Berlin 1987.

* A. Schachow, Auf Rentierpfaden, Der Kinderbuchverlag Berlin, 1953. Die Geschichten dieses Bandes erzählen vom Alltag der Nenzen, die als kleines Volk hoch im Norden der Sowjetunion leben, von ihrem besten Freund – dem Ren und vom Leben unter der Sowjetmacht. Der Autor Schachow war als Geobotaniker bei den Nenzen.

* Igor Sabelin, Der hohe Norden lockt. Darin: Wahre Geschichten vom Ochotskischen Meer.

 

 * Die Sonnentochter und andere Märchen der Tundra, darin die nenzischen Märchen "Der Fuchs, das Vöglein und der Rabe" und "Wie der Hund zum Menschen kam", Die von Margarete Spady übersetzten Märchen wurden von Lieselotte Fleck nacherzählt, Zeichnungen: N. G. Basmanowa, Verlag Kultur und Fortschritt, Berlin 1954.

 

Von 1953 bis 1956 habe ich im Berliner Verlag Kultur und Fortschritt Verlagsbuchhändlerin gelernt. Als 1954 "Die Sonnentochter und andere Märchen der Tundra" erschien, erfuhr ich das erste Mal von Völkern wie   Eskimos, Ewenen, Ewenken, Itelmenen [Kamtschadalen], Jakuten, Jukagiren, Keten, Korjaken, Mansen, Nanaier, Nenzen, Nganassanen, Niwchen,  Oroken,  Saamen [Lappen], Selkupen, Tschuktschen, Udehen. Ich war fasziniert!

Es sollte dann noch fast ein Vierteljahrhundert vergehen, bis ich die Lebensorte dieser Völker als Journalistin der Illustrierten FREIE WELT selbst bereiste. 

Gisela Reller

* Märchen der Völker der RSFSR, darin das nenzische Märchen "Der Herr über die Winde", Illustriert von Vitali Petrow-Kamtschatski, Raduga-Verlag, Moskau 1968 (?).

 

* Märchen der Nordvölker, Die Herrin des Feuers, Verlag Progreß, Moskau 1974 (in deutscher Sprache).

Darin auch Märchen der Nenzen.

 

 

Zeichnung von Vitali Petrow-Kamtschatski aus: Rellers Völkerschafts-Archiv.

 

* Märchen der Völker des Nordens, Der Rabe Kutcha, Verlag Malysch, Moskau 1976 (in deutscher Sprache).

Von den fernen Küsten der eisigen Meere des Nordens, aus den Weiten der Tundra, aus der Taigawildnis und von den Ufern der riesigen sibirischen Ströme kommen diese nenzischen Märchen, deren Helden Tiere sind.

 

* Märchen aus dem hohen Norden der Sowjetunion, Die Kranichfeder, Für Kinder nacherzählt von N. Gesse und S. Sadunaiskaja, Mit Illustrationen von Manfred Butzmann, 4. Auflage, Der Kinderbuchverlag, Berlin 1983.

Jäger und Rentierzüchter sind die Helden dieser Märchen. Sie fahren mit dem Schneesturm um die Wette, ringen mit eisernen Ungeheuern, messen ihre Kräfte mit Waldriesen und verehren die Herrin des Feuers. Vielfältig spiegelt sich das Leben der Völker aus dem hohen Norden in seiner reichen Folklore, auch das der Nenzen.

 

 

1. Streifenornament

 

Bibliographie zu Gisela Reller

 

Bücher als Autorin:

 

Länderbücher:

 

*  Zwischen Weißem Meer und Baikalsee, Bei den Burjaten, Adygen und Kareliern,  Verlag Neues Leben, Berlin 1981, mit Fotos von Heinz Krüger und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.

 

* Diesseits und jenseits des Polarkreises, bei den Südosseten, Karakalpaken, Tschuktschen und asiatischen Eskimos, Verlag Neues Leben, Berlin 1985, mit Fotos von Heinz Krüger und Detlev Steinberg und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.

 

* Von der Wolga bis zum Pazifik, bei Tuwinern, Kalmyken, Niwchen und Oroken, Verlag der Nation, Berlin 1990, 236 Seiten mit Fotos von Detlev Steinberg und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.

 

Biographie:

 

* Pater Maksimylian Kolbe, Guardian von Niepokalanów und Auschwitzhäftling Nr. 16 670, Union Verlag, Berlin 1984, 2. Auflage.

 

 

... als Herausgeberin:

 

Sprichwörterbücher:

 

* Aus Tränen baut man keinen Turm, ein kaukasischer Spruchbeutel, Weisheiten der Adygen, Dagestaner und Osseten, Eulenspiegel Verlag Berlin in zwei Auflagen (1983 und 1985), von mir übersetzt und herausgegeben, illustriert von Wolfgang Würfel.

* Dein Freund ist dein Spiegel, ein Sprichwörter-Büchlein mit 111 Sprichwörtern der Adygen, Dagestaner Kalmyken, Karakalpaken, Karelier, Osseten, Tschuktschen und Tuwiner, von mir gesammelt und zusammengestellt, mit einer Vorbemerkung und ethnographischen Zwischentexten versehen, die Illustrationen stammen von Karl Fischer, die Gestaltung von Horst Wustrau, Herausgeber ist die Redaktion FREIE WELT, Berlin 1986.

 * Liebe auf Russisch, ein in Leder gebundenes Mini-Bändchen im Schuber mit Sprichwörtern zum Thema „Liebe“, Buchverlag Der Morgen, Berlin 1990, von mir (nach einer Interlinearübersetzung von Gertraud Ettrich) in Sprichwortform gebracht, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen, illustriert von Annette Fritzsch.

Aphorismenbuch:

* 666 und sex mal Liebe, Auserlesenes, 2. Auflage, Mitteldeutscher Verlag Halle/Leipzig, 200 Seiten mit Vignetten und Illustrationen von Egbert Herfurth.

 

... als Mitautorin:

 

Kinderbücher:

 

* Warum? Weshalb? Wieso?, Ein Frage-und-Antwort-Buch für Kinder, Band 1 bis 5, Herausgegeben von Carola Hendel, reich illustriert, Verlag Junge Welt, Berlin 1981 -1989.

 

Sachbuch:

 

* Die Stunde Null, Tatsachenberichte über tapfere Menschen in den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges, Hrsg. Ursula Höntsch, Verlag der Nation 1966.

 

 

... als Verantwortliche Redakteurin:

 

* Leben mit der Erinnerung, Jüdische Geschichte in Prenzlauer Berg, Edition  Hentrich, Berlin 1997, mit zahlreichen Illustrationen.

 

* HANDSCHLAG, Vierteljahreszeitung für deutsche Minderheiten im Ausland, Herausgegeben vom Kuratorium zur kulturellen Unterstützung deutscher Minderheiten im Ausland e. V., Berlin 1991 - 1993.

 

 

2. Streifenornament

 

Pressezitate (Auswahl) zu Gisela Rellers Buchveröffentlichungen:

Dieter Wende in der „Wochenpost“ Nr. 15/1985:

„Es ist schon eigenartig, wenn man in der Wüste Kysyl-Kum von einem Kamelzüchter gefragt wird: `Kennen Sie Gisela Reller?´ Es ist schwer, dieser Autorin in entlegenen sowjetischen Regionen zuvorzukommen. Diesmal nun legt sie mit ihrem Buch Von der Wolga bis zum Pazifik Berichte aus Kalmykien, Tuwa und von der Insel Sachalin vor. Liebevolle und sehr detailgetreue Berichte auch vom Schicksal kleiner Völker. Die ethnografisch erfahrene Journalistin serviert Besonderes. Ihre Erzählungen vermitteln auch Hintergründe über die Verfehlungen bei der Lösung des Nationalitätenproblems.“

B(erliner) Z(eitung) am Abend vom 24. September 1981:

"Gisela Reller, Mitarbeiterin der Ilustrierten FREIE WELT, hat autonome Republiken und gebiete kleiner sowjetischer Nationalitäten bereist: die der Burjaten, Adygen und Karelier. Was sie dort ... erlebte und was Heinz Krüger fotografierte, ergíbt den informativen, soeben erschienenen Band Zwischen Weißem Meer und Baikalsee."

Sowjetliteratur (Moskau)Nr. 9/1982:

 "(...) Das ist eine lebendige, lockere Erzählung über das Gesehene und Erlebte, verflochten mit dem reichhaltigen, aber sehr geschickt und unaufdringlich dargebotenen Tatsachenmaterial. (...) Allerdings verstehe ich sehr gut, wie viel Gisela Reller vor jeder ihrer Reisen nachgelesen hat und wie viel Zeit nach der Rückkehr die Bearbeitung des gesammelten Materials erforderte. Zugleich ist es ihr aber gelungen, die Frische des ersten `Blickes´ zu bewahren und dem Leser packend das Gesehene und Erlebte mitzuteilen. (...) Es ist ziemlich lehrreich - ich verwende bewusst dieses Wort: Vieles, was wir im eigenen Lande als selbstverständlich aufnehmen, woran wir uns ja gewöhnt haben und was sich unserer Aufmerksamkeit oft entzieht, eröffnet sich für einen Ausländer, sei es auch als Reisender, der wiederholt in unserem Lande weilt, sozusagen in neuen Aspekten, in neuen Farben und besitzt einen besonderen Wert. (...) Mir gefällt ganz besonders, wie gekonnt sich die Autorin an literarischen Quellen, an die Folklore wendet, wie sie in den Text ihres Buches Gedichte russischer Klassiker und auch wenig bekannter nationaler Autoren, Zitate aus literarischen Werken, Märchen, Anekdoten, selbst Witze einfügt. Ein treffender während der Reise gehörter Witz oder Trinkspruch verleihen dem Text eine besondere Würze. (...) Doch das Wichtigste im Buch Zwischen Weißem Meer und Baikalsee sind die Menschen, mit denen Gisela Reller auf ihren Reisen zusammenkam. Unterschiedlich im Alter und Beruf, verschieden ihrem Charakter und Bildungsgrad nach sind diese Menschen, aber über sie alle vermag die Autorin kurz und treffend mit Interesse und Sympathie zu berichten. (...)"

Neue Zeit vom 18. April 1983:

„In ihrer biographischen Skizze über den polnischen Pater Maksymilian Kolbe schreibt Gisela Reller (2. Auflage 1983) mit Sachkenntnis und Engagement über das Leben und Sterben dieses außergewöhnlichen Paters, der für den Familienvater Franciszek Gajowniczek freiwillig in den Hungerbunker von Auschwitz ging.“

Der Morgen vom 7. Februar 1984:

„`Reize lieber einen Bären als einen Mann aus den Bergen´. Durch die Sprüche des Kaukasischen Spruchbeutels weht der raue Wind des Kaukasus. Der Spruchbeutel erzählt auch von Mentalitäten, Eigensinnigkeiten und Bräuchen der Adygen, Osseten und Dagestaner. Die Achtung vor den Alten, die schwere Stellung der Frau, das lebensnotwendige Verhältnis zu den Tieren. Gisela Reller hat klug ausgewählt.“

1985 auf dem Solidaritätsbasar auf dem Berliner Alexanderplatz: Gisela Reller (vorne links) verkauft ihren „Kaukasischen Spruchbeutel“ und 1986 das extra für den Solidaritätsbasar von ihr herausgegebene Sprichwörterbuch „Dein Freund ist Dein Spiegel“.

Foto: Alfred Paszkowiak

 Neues Deutschland vom 15./16. März 1986:

"Vor allem der an Geschichte, Bräuchen, Nationalliteratur und Volkskunst interessierte Leser wird manches bisher `Ungehörte´ finden. Er erfährt, warum im Kaukasus noch heute viele Frauen ein Leben lang Schwarz tragen und was es mit dem `Ossetenbräu´ auf sich hat, weshalb noch 1978 in Nukus ein Eisenbahnzug Aufsehen erregte und dass vor Jahrhunderten um den Aralsee fruchtbares Kulturland war, dass die Tschuktschen vier Begriff für `Freundschaft´, aber kein Wort für Krieg besitzen und was ein Parteisekretär in Anadyr als notwendigen Komfort, was als entbehrlichen Luxus ansieht. Großes Lob verdient der Verlag für die großzügige Ausstattung von Diesseits und jenseits des Polarkreises.“

 

 Gisela Reller während einer ihrer über achthundert Buchlesungen

in der Zeit von 1981 bis 1991.

Berliner Zeitung vom 2./3. Januar 1988:

„Gisela Reller hat klassisch-deutsche und DDR-Literatur auf Liebeserfahrungen durchforscht und ist in ihrem Buch 666 und sex mal Liebe 666 und sex mal fündig geworden. Sexisch illustriert, hat der Mitteldeutsche Verlag Halle alles zu einem hübschen Bändchen zusammengefügt.“

Neue Berliner Illustrierte (NBI) Nr. 7/88:

„Zu dem wohl jeden bewegenden Thema finden sich auf 198 Seiten 666 und sex mal Liebe mannigfache Gedanken von Literaten, die heute unter uns leben, sowie von Persönlichkeiten, die sich vor mehreren Jahrhunderten dazu äußerten.“

Das Magazin Nr. 5/88.

"`Man gewöhnt sich daran, die Frauen in solche zu unterscheiden, die schon bewusstlos sind, und solche, die erst dazu gemacht werden müssen. Jene stehen höher und gebieten dem Gedenken. Diese sind interessanter und dienen der Lust. Dort ist die Liebe Andacht und Opfer, hier Sieg und Beute.´ Den Aphorismus von Karl Kraus entnahmen wir dem Band 666 und sex mal Liebe, herausgegeben von Gisela Reller und illustriert von Egbert Herfurth."

 

Schutzumschlag zum „Buch 666 und sex mal Liebe“ .

Zeichnung: Egbert Herfurth

 

FÜR DICH, Nr. 34/89:

 

"Dem beliebten Büchlein 666 und sex mal Liebe entnahmen wir die philosophischen und frechen Sprüche für unser Poster, das Sie auf dem Berliner Solidaritätsbasar kaufen können. Gisela Reller hat die literarischen Äußerungen zum Thema Liebe gesammelt, Egbert Herfurth hat sie trefflich illustriert."

Messe-Börsenblatt, Frühjahr 1989:

"Die Autorin – langjährige erfolgreiche Reporterin der FREIEN WELT - ist bekannt geworden durch ihre Bücher Zwischen Weißem Meer und Baikalsee und Diesseits und jenseits des Polarkreises. Diesmal schreibt die intime Kennerin der Sowjetunion in ihrem Buch Von der Wolga bis zum Pazifik über die Kalmyken, Tuwiner und die Bewohner von Sachalin, also wieder über Nationalitäten und Völkerschaften. Ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wird uns in fesselnden Erlebnisberichten nahegebracht."

Im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel schrieb ich in der Ausgabe 49 vom 7. Dezember 1982 unter der Überschrift „Was für ein Gefühl, wenn Zuhörer Schlange stehen“:

„Zu den diesjährigen Tagen des sowjetischen Buches habe ich mit dem Buch Zwischen Weißem Meer und Baikalsee mehr als zwanzig Lesungen bestritten. (…) Ich las vor einem Kreis von vier Personen (in Klosterfelde) und vor 75 Mitgliedern einer DSF-Gruppe in Finow; meine jüngsten Zuhörer waren Blumberger Schüler einer 4. Klasse, meine älteste Zuhörerin (im Schwedter Alten- und Pflegeheim) fast 80 Jahre alt. Ich las z.B. im Walzwerk Finow, im Halbleiterwerk Frankfurt/Oder, im Petrolchemischen Kombinat Schwedt; vor KIM-Eiersortierern in Mehrow, vor LPG-Bauern in Hermersdorf, Obersdorf und Bollersdorf; vor zukünftigen Offizieren in Zschopau; vor Forstlehrlingen in Waldfrieden; vor Lehrlingen für Getreidewirtschaft in Kamenz, vor Schülern einer 7., 8. und 10 Klasse in Bernau, Schönow und Berlin; vor Pädagogen in Berlin, Wandlitz, Eberswalde. - Ich weiß nicht, was mir mehr Spaß gemacht hat, für eine 10. Klasse eine Geographiestunde über die Sowjetunion einmal ganz anders zu gestalten oder Lehrern zu beweisen, dass nicht einmal sie alles über die Sowjetunion wissen – was bei meiner Thematik – `Die kleinen sowjetischen Völkerschaften!´ – gar nicht schwer zu machen ist. Wer schon kennt sich aus mit Awaren und Adsharen, Ewenken und Ewenen, Oroken und Orotschen, mit Alëuten, Tabassaranern, Korjaken, Itelmenen, Kareliern… Vielleicht habe ich es leichter, Zugang zu finden als mancher Autor, der `nur´ sein Buch oder Manuskript im Reisegepäck hat. Ich nämlich schleppe zum `Anfüttern´ stets ein vollgepacktes Köfferchen mit, darin von der Tschuktschenhalbinsel ein echter Walrosselfenbein-Stoßzahn, Karelische Birke, burjatischer Halbedelstein, jakutische Rentierfellbilder, eskimoische Kettenanhänger aus Robbenfell, einen adygeischen Dolch, eine karakalpakische Tjubetejka, der Zahn eines Grauwals, den wir als FREIE WELT-Reporter mit harpuniert haben… - Schön, wenn alles das ganz aufmerksam betrachtet und behutsam befühlt wird und dadurch aufschließt für die nächste Leseprobe. Schön auch, wenn man schichtmüde Männer nach der Veranstaltung sagen hört: `Mensch, die Sowjetunion ist ja interessanter, als ich gedacht habe.´ Oder: `Die haben ja in den fünfundsechzig Jahren mit den `wilden´ Tschuktschen ein richtiges Wunder vollbracht.´ Besonders schön, wenn es gelingt, das `Sowjetische Wunder´ auch denjenigen nahezubringen, die zunächst nur aus Kollektivgeist mit ihrer Brigade mitgegangen sind. Und: Was für ein Gefühl, nach der Lesung Menschen Schlange stehen zu sehen, um sich für das einzige Bibliotheksbuch vormerken zu lassen. (Schade, wenn man Kauflustigen sagen muss, dass das Buch bereits vergriffen ist.) – Dank sei allen gesagt, die sich um das zustande kommen von Buchlesungen mühen – den Gewerkschaftsbibliothekaren der Betriebe, den Stadt- und Kreisbibliothekaren, den Buchhändlern, die oft aufgeregter sind als der Autor, in Sorge, `dass auch ja alles klappt´. – Für mich hat es `geklappt´, wenn ich Informationen und Unterhaltung gegeben habe und Anregungen für mein nächstes Buch mitnehmen konnte.“

Die Rechtschreibung der Texte wurde behutsam der letzten Rechtschreibreform angepasst.

Die NENZEN wurden am am 30. 09.2015 ins Netz gestellt. Die letzte Bearbeitung erfolgte am 05.12.2015.

Die Weiterverwertung der hier veröffentlichten Texte, Übersetzungen, Nachdichtungen, Fotos, Zeichnungen, Illustrationen... ist nur mit Verweis auf die Internetadresse www.reller-rezensionen.de gestattet - und mit  korrekter Namensangabe des jeweils genannten geistigen Urhebers.  

 

Zeichnung: Karl-Heinz Döhring