Vorab!

Leider kommt im Internet bei meinem (inzwischen veralteten) FrontPage-Programm  längst nicht alles so, wie von mir in html angegeben. Farben kommen anders, als von mir geplant, Satzbreiten wollen nicht so wie von mir markiert, Bilder kommen manchmal an der falschen  Stelle, und - wenn  ich  Pech  habe  -  erscheint  statt  des  Bildes  gar  eine  Leerstelle.

Was tun? Wer kann helfen?

 

*

Wird laufend bearbeitet!

 

 

Ich bin eine MOLDAUERIN: Sweta aus Cişinǎu.

 

Foto aus: Rellers Völkerschafts-Archiv

Zeichnung: Karl-Heinz Döhring 

Die Seele, denke ich, hat keine Nationalität."

Juri Rytchëu (tschuktschischer Schriftsteller, 1930 bis 2008) in: Im Spiegel des Vergessens, 2007

Wenn wir für das eine Volk eine Zuneigung oder gegen das andere eine Abneigung hegen, so beruht das, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht, auf dem, was wir von dem jeweiligen Volk wissen oder zu wissen glauben. Das ist – seien wir ehrlich – oft sehr wenig, und manchmal ist dieses Wenige auch noch falsch.

Ich habe für die Berliner Illustrierte FREIE WELT als Reporterin wissenschaftlicher Themen jahrelang die Sowjetunion bereist, um – am liebsten – über abwegige Themen zu berichten: über Hypnopädie und Suggestopädie, über Geschlechtsumwandlung und Seelenspionage, über Akzeleration und geschlechtsspezifische Erziehung... Außerdem habe ich mit jeweils einem deutschen und einem Wissenschaftler aus dem weiten Sowjetland vielteilige Lehrgänge erarbeitet.* Ein sehr interessantes Arbeitsgebiet! Doch 1973, am letzten Abend einer Sibirienreise, – ich hatte zahlreiche Termine in Akademgorodok, der russischen Stadt der Wissenschaften – machte ich einen Abendspaziergang entlang des Ob. Und plötzlich wurde mir klar, dass ich zwar wieder viele Kapazitäten kennengelernt hatte, aber mit der einheimischen Bevölkerung kaum in Kontakt gekommen war.

Und da war in einem magischen Moment – Angesicht in Angesicht mit einem kleinen (grauen!) Eichhörnchen –  an einem großen sibirischen Fluss die große FREIE WELT-Völkerschaftsserie** geboren!

Und nun reiste ich ab 1975 zu zahlreichen Völkern des Kaukasus, war bei vielen Völkern Sibiriens, war in Mittelasien, im hohen Norden, im Fernen Osten und immer wieder auch bei den Russen.

Nach dem Zerfall der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zog es mich – nach der wendegeschuldeten Einstellung der FREIEN WELT***, nun als Freie Reisejournalistin – weiterhin in die mir vertrauten Gefilde, bis ich eines Tages mehr über die westlichen Länder und Völker wissen wollte, die man mir als DDR-Bürgerin vorenthalten hatte.

Nach mehr als zwei Jahrzehnten ist nun mein Nachholebedarf erst einmal gedeckt, und ich habe das Bedürfnis, mich wieder meinen heißgeliebten Tschuktschen, Adygejern, Niwchen, Kalmyken und Kumyken, Ewenen und Ewenken, Enzen und Nenzen... zuzuwenden.

Deshalb werde ich meiner Webseite www.reller-rezensionen.de (mit inzwischen etwa fünfhundert Rezensionen), die seit 2002 im Netz ist, ab 2013 meinen journalistischen Völkerschafts-Fundus von fast einhundert Völkern an die Seite stellen – mit ausführlichen geographischen und ethnographischen Texten, mit Reportagen, Interviews, Sprichwörtern, Aphorismen, Rätseln, Legenden, Märchen, Gedichten, Literaturhinweisen, Zitaten aus längst gelesenen und neu erschienenen Büchern; ethnographischen Zeichnungen, Ornamenten, Fotos…  So manches davon, teils erstmals ins Deutsche übersetzt, war bis jetzt – ebenfalls wendegeschuldet – unveröffentlicht geblieben.

Sollten sich in meinem Material Fehler oder Ungenauigkeiten eingeschlichen haben,  teilen  Sie  mir  diese  bitte  am liebsten in meinem Gästebuch oder per E-Mail gisela@reller-rezensionen.de mit. Überhaupt würde ich mich über eine Resonanz meiner Nutzer freuen!

Gisela Reller

 

     * "Lernen Sie Rationelles Lesen" / "Lernen Sie lernen" / "Lernen Sie reden" / "Lernen Sie essen" / "Lernen Sie, nicht zu rauchen" / "Lernen Sie schlafen" / "Lernen Sie logisches Denken"...

 

   ** Im 1999 erschienenen Buch „Zwischen `Mosaik´ und `Einheit´. Zeitschriften in der DDR“ von Simone Barck, Martina Langermann, Siegfried Lokatis (Hrsg.), erschienen im Ch. Links Verlag, Berlin, ist eine Tabelle veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass die Völkerschaftsserie der FREIEN WELT von neun vorgegebenen Themenkreisen an zweiter Stelle in der Gunst der Leser stand – nach „Gespräche mit Experten zu aktuellen Themen“.

(Quelle: ZA Universität Köln, Studie 6318)

 

*** Christa Wolf dazu in ihrem Buch "Auf dem Weg nach Tabou, Texte 1990-1994", Seite 53/54: „Aber auf keinen Fall möchte ich den Eindruck erwecken, in dieser Halbstadt werde nicht mehr gelacht. Im Gegenteil! Erzählt mir doch neulich ein Kollege aus meinem Verlag (Helmut Reller) – der natürlich wie zwei Drittel der Belegschaft längst entlassen ist –, daß nun auch seine Frau (Gisela Reller), langjährige Redakteurin einer Illustrierten (FREIE WELT) mitsamt der ganzen Redaktion gerade gekündigt sei: Die Zeitschrift werde eingestellt. Warum wir da so lachen mußten? Als im Jahr vor der `Wende´ die zuständige ZK-Abteilung sich dieser Zeitschrift entledigen wollte, weil sie, auf Berichterstattung aus der Sowjetunion spezialisiert, sich als zu anfällig erwiesen hatte, gegenüber Gorbatschows Perestroika, da hatten der Widerstand der Redaktion und die Solidarität vieler anderer Journalisten das Blatt retten können. Nun aber, da die `Presselandschaft´ der ehemaligen DDR, der `fünf neuen Bundesländer´, oder, wie der Bundesfinanzminister realitätsgerecht sagt: `des Beitrittsgebiets´, unter die vier großen westdeutschen Zeitungskonzerne aufgeteilt ist, weht ein schärferer Wind. Da wird kalkuliert und, wenn nötig, emotionslos amputiert. Wie auch die Lyrik meines Verlages (Aufbau-Verlag), auf die er sich bisher viel zugute hielt: Sie rechnet sich nicht und mußte aus dem Verlagsprogramm gestrichen werden. Mann, sage ich. Das hätte sich aber die Zensur früher nicht erlauben dürfen! – Das hätten wir uns von der auch nicht gefallen lassen, sagt eine Verlagsmitarbeiterin.

Wo sie recht hat, hat sie recht.“

 

 

Zeichnung: Karl-Heinz Döhring

 

"Eine Reise durch Moldova könnte auch als Reise durch die fünfhundertjährige Kirchenarchitektur angelegt werden. Reich ist die kleine Republik an Klöstern und Felsenklöstern, an Kathedralen und kleinen Dorfkirchen. Die Einflüsse von außen waren vielfältig und haben sich in der Architektur niedergeschlagen. Eine derartige Reise wäre also auch eine Reise durch die Geschichte Moldovas.

In: "Wostok" Moldova-Spezial, 2004

 

Wenn Sie sich die folgenden Texte zu Gemüte geführt und Lust bekommen haben, Moldova zu bereisen und die Moldauer kennenzulernen, sei Ihnen das Reisebüro ? empfohlen; denn – so lautet ein moldauisches Sprichwort -

 

 

Reise um des Reisens willen.

 

 

(Hier könnte Ihre Anzeige stehen!)

 

 

 

 

 

 

 

Die MOLDAUER… (Eigenbezeichnung: Moldovean)

 

Bei keiner anderen Republik der ehemaligen Sowjetunion gibt es solche Schwierigkeiten mit dem Landesnamen. Die international übliche Landesbezeichnung ist Republik MOLDOVA. Noch aus Sowjetzeiten überkommen ist Republik MOLDAWIEN. Das deutsche Auswärtige Amt nennt das Land Republik MOLDAU. Da MOLDAWIEN russifiziert ist, man bei MOLDAU unwillkürlich an den Fluss denkt, der durch das tschechische Prag fließt, entscheide ich mich für REPUBLIK MOLDOVA und nenne die Einwohner MOLDAUER. - Der Name des Landes kommt vom mittelalterlichen Fürstentum Moldau, das wiederum nach dem Fluss Moldova (deutsch Moldau) im heutigen Rumänien benannt wurde. Sowohl Rumänien als auch die Republik Moldova sehen sich als Nachfolger dieses stolzen mittelalterlichen Staatsgebildes, obwohl der Fluss Moldova das Gebiet der Republik Moldova nicht berührt. - Moldova, Kernland im historischen Bessarabien zwischen den beiden Flüssen Prut und Dnjestr grenzt im Norden an die Podolsche Platte der Westukraine. Im Westen bildet der in den Karpaten entspringende Fluss Prut die Grenze. - Der Zeitunterschied zwischen Deutschland und Moldova beträgt eine Stunde; auch in Moldova gibt es eine Sommerzeit.

"Während dieser ganzen Zeit, seit 1848, hatte man im Lande darauf hingearbeitet, die Moldau und die Walachei zu einem Staate zu vereinigen und sie von der russischen Schutzherrschaft frei zu machen. Im Pariser Frieden 1856 wurde der Süden Bessarabiens der Moldau zurückgegeben und die Fürstentümer dem russischen Einfluss entzogen."

Brockhaus´ Konservations-Lexikon, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien 1894

Bevölkerung:  Nach  der  Volkszählung von  1926  zählten die  Moldauer 16 870 Angehörige; 1939  wurden 21 974 Moldauer gezählt; 1959  waren es 62 298 Moldauer; 1970 gleich 87 538; 1979 gleich 102 137, 1989 gleich 172 671; 2002 gleich 172 330;  nach der letzten Volkszählung von 2010 gaben sich 156 400 Personen als Moldauer aus. - Die Moldauer sind wie die Walachen Nachfahren der romanisierten Geto-Daker, die sich später mit Slawen und anderen Völkerschaften vermischten, aber ihre romanische Sprache beibehielten, die sich isoliert von der übrigen Romanis eigenständig entwickelte. Der Prozess der Entstehung des moldauischen Volkes vollzog sich unter wechselhaften Bedingungen, da von rumänischer Seite eine moldauische nationale Identität oft bestritten wird und die Moldauer als ein Stamm der rumänischen Nation wie die Walachen und Siebenbürger Rumänen angesehen werden. Fest steht jedoch, dass zur Zeit der Angliederung Bessarabiens an Russland die Wörter Rumänien, Rumäne und rumänisch als Staats-, Volks- und Sprachbezeichnung noch nicht existierten; sie kamen erst Jahrzehnte später in Gebrauch. Auch eine rumänische Nationalbewegung, die den Anschluss Bessarabiens an Rumänien betrieben hätte, hat es in der Zarenzeit nicht gegeben. Moldovas Bevölkerung beträgt insgesamt 3,56 Millionen Menschen (2012); neben Moldauern leben in Moldova Ukrainer, Russen, Gagausen, Juden und Zigeuner. - Soroca, eine Stadt im Nordosten Moldovas am rechten Ufer des Dnjestr  – mit etwa 37 600 Einwohnern (2015) die achtgrößte Stadt des Landes – heißt im Volksmund „Zigeunerhauptstadt Moldovas“; denn ein Stadtviertel, das als Zigeunerhügel bekannt ist, wird durch imposante Villen der Roma-Minderheit geprägt. - Die letzten offiziellen Zahlen über die Roma stammen aus sowjetischer Zeit. Nach der Volkszählung von 1989 lebten von den 0,3 Prozent der Landesbevölkerung, die damals als Zigeuner gelistet wurden (11 517 Personen) 1 700 in Soroca.

"Unübertroffen war die Konkurrenz der Klotzereien in der Stadt Soroca im Norden der Republik Moldau. Kein Ort der Welt demonstrierte entwaffnender, dass die Zigeuner mit dem linksautonomen Schlachtruf `Friede den Hütten, Krieg den Palästen ´ absolut nichts anfangen können. Wer hier in friedlicher Koexistenz im Schatten monumentaler Paläste lebte, war nicht etwa vom Neid zerfressen, sondern zollte jenen Patronen Achtung und Respekt, die mit einträglichen Geschäften, vorzugsweise in den russischen Metropolen, den Aufstieg in die Kaste der Neureichen geschafft hatten. Dass Dutzende von Klimbim-Schlössern, darunter ein beeindruckend kitschiger Nachbau des Kapitols in Washington, vor ihrer Fertigstellung schon wieder in das Stadium der Verwahrlosung übergingen, stand freilich auf einem anderen Blatt."

Rolf Bauerdick in: Zigeuner, Begegnungen mit einem ungeliebten Volk, 2015

Fläche: Die Republik Moldova liegt zwischen den Flüssen Dnjestr und Prut, mit einem schmalen Landstreifen jenseits des Dnjestr (Transnistrien), nordöstlich von Rumänien. Sie hat eine Fläche von 33 843 Quadratkilometern, damit ist Moldova - nur etwas größer als Brandenburg - das zweitkleinste Land, welches aus der ehemaligen Sowjetunion hervorging - nur Armenien ist mit 29 800 Quadratkilometern noch kleiner.  Die Bevölkerungsdichte Moldovas beträgt 103,4 Einwohner pro Quadratkilometer, damit ist Moldova die am dichtesten besiedelte Republik der ehemaligen Sowjetunion.

„Die Republik Moldau ist ein etwa 34 000 km² großer Staat mit rund 3,4 Mio Einwohnern im nordöstlichen Balkan. Zum Vergleich: Deutschland besitzt etwa die 10fache Fläche bei 20facher Bevölkerungszahl, Baden-Württemberg die gleiche Fläche bei 3mal so großer Bevölkerung.“

Beate Roso in: Mein Abenteuer in Moldawien, 2012

Geschichtliches: Weil sich Moldova an der Kreuzung der Verbindungswege zwischen West und Ost befindet, wurde das Land im Verlaufe seiner Geschichte oft zur Arena blutiger und dramatischer Ereignisse. Es wurde von Hunnen, von griechischen und römischen Heeren, von den mongolo-tatarischen Horden und von anderen Eroberern heimgesucht. - 1359 wurde das Fürstentum Moldau gegründet. Die heutige Republik Moldova war bis 1812 Teil dieses Fürstentums, das ebenso wie die benachbarte Walachei unter türkischer Oberhoheit stand; seit 1456 war das Fürstentum dem Osmanischen Reich tributpflichtig und galt als seine "Speisekammer". 1812 musste das Osmanische Reich an Russland das östliche Moldaugebiet zwischen Prut und Dnjestr abtreten, die nun ein eigenes Gouvernement unter dem Namen Bessarabien bildete. Nach 1812 flüchteten viele rumänische Bauern nach Westen, aus Angst, in die berüchtigte russische Leibeigenschaft zu geraten. Nach dem Krimkrieg (1853-1856) trat Russland einige südliche Distrikte Bessarabiens wieder an das Fürstentum Moldau ab, holte sich dieses Gebiet aber nach dem Russisch-Türkischen Krieg von 1877/78 wieder zurück.

 

 

Als Russisch-Türkische Kriege oder als Russisch-Osmanische Kriege bezeichnet man elf Kriege zwischen Russland und dem Osmanischen Reich. Dabei vermischten sich religiöse Motive mit Großmachtbestreben. Besondere Bedeutung erhielt derjenige Russisch-Osmanische Krieg, der in den Krimkrieg (1853-1856) mündete, die größte militärische Auseinandersetzung in Europa im Zeitraum zwischen Napoleon und dem ersten Weltkrieg. Frankreich, Großbritannien und Österreich stellten sich auf die Seite der Osmanen, was das Verhältnis zwischen ihnen und Russland nachhaltig zerrüttete. Die elf Russisch-Türkischen Kriege fanden statt:

1. 1568-1570

2. 1676-1681

3. 1686-1700

4. 1710-1711 - Teil des Großen Nordischen Krieges

5. 1735-1739

.6. 1768-1774

.7. 1787-1792

8. 1806-1812

.9 1828-1829

10. 1853-1856 – Krimkrieg

11. 1877-1878.

 

Berüchtigt ist das Kischinjower Pogrom von 1903.

"Die Hauptkräfte des Pogroms waren im Wesentlichen Moldawier. Der Kischinjower Pogrom nahm seinen Anfang am 6. April 1903, dem letzten Tag des jüdischen Pessach-Festes und dem ersten orthodoxen Osterfeiertag. (...)  An Leichen ... wurden 42 registriert, von denen 38 Juden waren; bei allen Getöteten wurde durch schwere stumpfe Waffen, wie Knüppel, Steine und Schaufeln, bei manchen auch durch scharfe Beile hervorgerufene Verletzungen festgestellt; diese Verletzungen waren fast alle ohne Ausnahme Kopfverletzungen, es gab auch schwer geschundene Körper. (...) Verletzt waren insgesamt 456, davon 62 Christen... acht von ihnen mit Schussverletzungen... Von den (394 verletzten) Juden erlitten nur fünf schwere Verletzungen, alle anderen leichte. (...) Es waren ungefähr 1 350 Häuser demoliert worden, also kaum weniger als ein Drittel aller Häuser Kischinjows, das waren entsetzliche Verheerungen, wie nach einer Bombe..."

Alexander Solschenizyn in: Zweihundert Jahre zusammen. Die russisch-jüdische Geschichte 1795 bis 1916

- 1918 erklärte eine Art Parlament ("Landesrat") den Anschluss Bessarabiens an Rumänien, der von Sowjetrussland nicht anerkannt wurde, aber angesichts der bestehenden Machtverhältnisse (Besetzung der Ukraine durch die Mittelmächte) nicht zu verhindern war. - Das zu Rumänien gehörige Gebiet Bessarabiens und die nördliche Bukowina wurden im Juni 1940 mit deutscher Zustimmung als Konsequenz des geheimen Zusatzprotokolls des Hitler-Stalin-Paktes von sowjetischen Truppen besetzt und von der UdSSR annektiert. - Am 2. August 1940 wurde die Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik errichtet,  indem man Bessarabien mit einem Teil der Moldauischen ASSR vereinigte (der Rest ging an die Ukrainische SSR). Durch die Gründung der Moldauischen SSR war Bessarabien nun abermals geteilt. - 1941 kam Stalins Terror auch nach Moldawien.

"Am 12. und 13. Juni 1941, nur eine Woche vor dem Angriff der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion, verlange der Diktator, daß auch in Moldawien vollzogen werden müsse, was in den baltischen Republiken bereits geschehen war.  Fast 33 000 Menschen mußten diese Entscheidung mit dem Verlust ihrer Freiheit und ihrer Heimat bezahlen."

Jörg Baberoweski in:  Stalins Herrschaft der Gewalt, 2012

- Anfang August 1941 besetzen deutsche Truppen das gesamte moldawische  Territorium. Von da an kämpften Moldauer und Gagausen gemeinsam in der Roten Armee. Nach unvollkommenen Angaben wurden in den Jahren der Okkupation  von den Faschisten  64 000 Menschen  erschossen,  gehenkt und in Lagern ermordet, mehr als 47 000 Menschen wurden verschleppt, mehr als 207 000 gemartert und gefoltert, darunter viele Juden.

"Überall in den besetzten Gebieten arbeiteten Einheimische freiwillig mit der deutschen Verwaltung zusammen und halfen den Einsatzgruppen und SS-Verbänden bei der Durchführung des Massenmords an den Juden. Besonders ausgeprägt war die Kollaboration im Litauen, Lettland, Estland, Moldawien und der westlichen Ukraine."

Wassili Großmann/Ilja Ehrenburg in: Das Schwarzbuch, Der Genozid an den sowjetischen Juden, 1994*

Im August 1944 wird ganz Moldawien von der Roten Armee befreit. Das Leben in Moldawien war hart. 1946 und 1947 waren Dürrejahre, Zehntausende Bessarabier starben den Hungertod

"Tag für Tag stürben Menschen an Hunger und Entkräftung, meldete der Minister für Staatssicherheit  Moldawiens, Mordowez, im Dezember 1946 nach Moskau. Leichen lägen auf den Straßen, und in den Krankenhäusern verhungerten erschöpfte und ausgetrocknete Kinder.""

Jörg Baberoweski in:  Stalins Herrschaft der Gewalt, 2012

Staatsgefüge: Die Moldawische bzw. Moldauische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik (ASSR) wurde am 12. Oktober 1924 von bessarabischen Kommunisten und einflussreichen Vertretern der moldauischen Minderheit mit Unterstützung Moskaus am linken Ufer des Dnjestr gegründet, um eine eigene moldauische Identität zu konstruieren. Die Moldawische ASSR war eine autonome Teilrepublik innerhalb der Ukrainischen SSR zwischen dem ersten und dem zweiten Weltkrieg. Sie erstreckte sich auf einer Fläche von 8 100 Quadratkilometer, auf der etwa 545 000 Menschen lebten. Nachdem die Sowjetunion 1940 den bessarabischen Teil des damaligen Rumänien durch militärische Besetzung in Übereinstimmung mit dem Hitler-Stalin-Pakt eingenommen hatte, wurde die Moldawische ASSR am 2. August geteilt und somit aufgelöst. Die das heutige Transnistrien umfassenden Bezirke wurden mit dem bis zum Prut reichenden bessarabischen Teil des damaligen Rumänien zusammengeschlossen und zur eigenständigen Moldawischen SSR erhoben - 60 Prozent der Fläche war an die  Ukrainische SSR abgetreten worden. 1941 besetzten rumänische Truppen als Verbündete Hitler-Deutschlands erneut Bessarabien sowie das einstige Territorium der Moldawischen ASSR im Rahmen des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion. Bei der sowjetischen Sommeroffensive von 1944 gelangte das Gebiet wieder unter sowjetische Herrschaft.

"Bis in die jüngste Zeit war die Republik Moldova faktisch in drei eigenständige Staaten, Transnistrien mit der Hauptstadt Tiraspol, Gagausien mit der Hauptstadt Comrat und Moldova mit der Hauptstadt Chinsinau, gespalten. Diese  Aufsplitterung resultierte in erster Linie aus Befürchtungen der russischsprachigen Einwohner über einen möglichen Anschluss Moldovas an Rumänien. Diese Spekulationen waren von ehemaligen Spitzenvertretern der Republik genährt worden, die gegen die Eigenständigkeit der Republik auftraten."

In: "Wostok" 3/1994

 - 1991 erklärte Moldawien als siebente Unionsrepublik der Sowjetunion ihre Unabhängigkeit. Laut Verfassung von 1994 ist die nunmehrige Republik Moldova ein unabhängiger, unteilbarer und neutraler Staat - eine parlamentarische Demokratie. Staatsoberhaupt ist der Staatspräsident, der seit einer Verfassungsänderung vom Juli 2000 nicht mehr direkt vom Volk, sondern vom Parlament für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt wird. Seit 2001 ist Präsident der Republik Moldova Vladimir Voronin (geboren 1941, von Beruf Ingenieur), der Ministerpräsident  ernennt die Mitglieder seines Kabinetts. Zum Staatsgebiet von Moldova gehört das autonome Gebiet Gagausien im Süden des Landes. Knapp zwölf Prozent der Staatsfläche befinden sich östlich des Dnjestr und haben sich als (völkerrechtlich nicht anerkannte) Transdnestrische Moldauische Republik (auch: Transnistrien) 1992 von Moldova abgespalten. 

Verbannungsgebiet: Bessarabien war wie die Bukowina zwar kein ausgesprochenes Strafversetzungsgebiet, entwickelte sich aber während der Zarenzeit zur Aufnahmestelle für viele Unzufriedene und Aufmüpfige. Einer von ihnen war der später wohl berühmteste russische Nationaldichter Alexander Puschkin, der von 1820 bis 1823 nach Kischinjow verbannt war. Zar Alexander I. hütete sich, Puschkins Verbannung öffentlich bekanntzugeben und deklarierte sie als "Dienst des Kollegiums für Auswärtige Angelegenheiten". Eine Puschkin-Statue schmückt heute den Chişinǎuer Zentralpark und legitimiert im nachhinein seine russische Präsenz in Moldawien.

Der russische Dichter Alexander Sergejewitsch Puschkin.

Zeichnung von Vitali Gorjajew aus: Rellers Völkerschafts-Archiv.

 

Schreibt Puschkin zu Beginn seines Aufenthaltes in Kischinjow "Jetzt bin ich allein in der öden Moldau" (am 24. September 1820), oder "... und werde das gesegnete Bessarabien bald verlassen - es gibt gesegnetere Länder" (am 23. März 1821) oder "dass in meine Einöde nicht eine einzige Freundesstimme dringt" (am 24. Januar 1822) oder "... hier vernehme ich kein lebendiges europäisches Wort" (am 1. September 1822), so hat er offensichtlich doch noch Gefallen an Kischinjow gefunden "...ich verließ meine Moldau... ich trauere um meine verlassenen Ketten ... Ich fuhr für einige Tage nach Kischinjow, verbrachte sie unsagbar elegisch - und als ich für immer von dort schied, seufzte ich Kischinjow nach." (am 25. August 1923)

"Kischinjow am Rande des russischen Imperiums genoss in den ersten Jahrzehnten nach der Eroberung durch Russland keinen guten Ruf im Kaiserreich, sondern galt als Strafversetzungslager für Unzufriedene und Aufmüpfige. Der junge russische Nationaldichter Alexander Puschkin war von 1820 bis 1823 als Übersetzer nach Kischinjow verbannt worden und schrieb über die Stadt: `Oh Kischinjow, oh dunkle Stadt! / Verfluchte Stadt Kischinjow, die Zunge wird nicht müde, dich zu beschimpfen.´“

In: Wikipedia, 2015 (?)

 - Im Zuge der Sowjetisierung des Landes wurden 1949/50 rund 70 Prozent der moldawischen Bevölkerung in die Sowjetunion deportiert und dort als verbannte "Sondersiedler" ihrer Freiheit beraubt.

Hauptstadt: Chişinǎu (gleich "Quelle"; aus sowjetischer Zeit und davor als Kischinjow bekannt) ist die Hauptstadt Moldovas, mit 795 000 Einwohnern (Stand von 2012), das wichtigste Verwaltungs-, Industrie-, wissenschaftliche und kulturelle Zentrum Moldovas. Kischinjow wurde 1466 das erste Mal in einer Chronik des Fürsten Stephan des Großen (1457 bis 1504) erwähnt.  Zweihundert Jahre war Chişinǎu ein kleines Dorf, bis es sich im 18. Jahrhundert durch Handel und Handwerk zu einer Stadt entwickelte. Zusammen mit Bessarabien wurde die Stadt 1812 von der Türkei an Russland abgetreten, 1818 von der Zarenregierung zum Verwaltungszentrum des bessarabischen Gouvernements gemacht. Im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts wirkte hier die "Südgesellschaft" der Dekabristen. Im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Kischinjow ein Zentrum der revolutionären Bewegung in Russland; erst 1899 wurde bekannt, dass Alexander Puschkin (Er starb 1837.) Mitglied eines Geheimbundes der Dekabristen in Kischinjow war. - In Kischinjow hielten sich zu verschiedenen Zeiten russische Schriftsteller (Alexander Puschkin, Maxim Gorki, Wladimir Majakowski...), Adelsrevolutionäre, die als Dekabristen bekannt wurden (Pawel Pestel,  Murawjow-Apostel Pjotr Kachowski), Narodniki - Volkstümer) auf. Kischinjow wurde 1941 von deutsch-rumänischen Soldaten bewetzt. Die Besatzer versuchten vor allem herauszufinden, wie viele Juden und Kommunisten in der Stadt geblieben waren. Einige Tage später wurde auf Befehl des Stadtkommandanten ein Ghetto eingerichtet. Das Ghetto wurde mit Stacheldraht eingezäunt. Es gab nur zwei bis drei Ausgänge, an denen Wachen aufgestellt waren. "Einige Tage nach der Errichtung des Ghettos ließ Oberst Tudose eine Gruppe Jugendlicher, 44 Jungen und Mädchen, zusammenstellen. Es waren die besten Vertreter der aus der jüngeren Generation der Kischinjower Intelligenz. (...) Ein Offizier befahl, die Todgeweihten in Gruppen zu je zehn Personen zu erschießen." Wassili Großmann/Ilja Ehrenburg, Das Schwarzbuch, Der Genozid an den sowjetischen Juden, 1994. - 1961 wurde in Kischinjow die Akademie der Wissenschaften der UdSSR gegründet, es folgten ein Opern- und Ballett-Theater, ein Musik- und Dramentheater, das Russische Schauspielhaus. - Mit ihren Parks - die Straßen Kischinjows seien ein wahres Arboretum, so sagt man - und ihren Museen bildet das heutige Chişinǎu den Mittelpunkt der Republik Moldova. Chişinǎu präsentiert sich als  moderne  Stadt,  die alte Traditionen und orientalische Einflüsse nicht verleugnet. - Von Berlin   sind   es 1 500 Kilometer bis Chişinǎu, das ist ungefähr so weit wie von Berlin nach Rom.

"Am Boulevard Stefan cel Mare herrscht eine einzigartige Mischung von Eleganz und Temperament, in den Parallelstraßen daneben besteht die historische Bebauung überwiegend aus einstöckigen Häusern."

Frieder Monzer/Timo Ulrichs in: MOLDOVA, Mit Chisinau, ganz Bessarabien und Transdnestrien, 2013

Wirtschaft: Die Moldau war immer ein Agrarland gewesen, dass trotz günstiger klimatischer Bedingungen zu den rückständigsten Regionen des Zarenreiches zählte. An dieser Situation änderte sich nach der Angliederung des Landes an Rumänien wenig. Seit der endgültigen Etablierung der Sowjetmacht 1944 wurde das schon 1940 eingeführte Kolchossystem ausgebaut und war die einzige agrarische Wirtschaftsform. Die vom Klima besonders begünstigten Kulturen (Wein, Obst, Tabak  und verschiedene Ölpflanzen) wurden ausgeweitet. Die Hälfte der moldauischen Industrie verarbeitet agrarische Produkte (Weinkelterei), daneben wurden verschiedene Leitindustrien angesiedelt (Maschinenbau).

"Zu Zeiten der UdSSR war Moldawien - berühmt wegen seiner vorzüglichen Weine - stets ein Lieferant von Obst und Wein, aber über Bestände an Rohstoffen verfügt die Republik nicht und musste sich daher in ihrer Industrie, vor allem Rüstungsindustrie ist, auf Rohstofflieferungen aus anderen Republiken stützen. (...) Die Industrie ist übrigens zu einem Großteil in dem nach Unabhängigkeit strebenden Transnistrien konzentriert."

In: Wostok 3/1994

- Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist Moldova eine der ärmsten Republiken innerhalb der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Vom Zusammenbruch der Märkte und den daraus resultierenden wirtschaftlichen Einbußen hat sich das Land bis heute nicht erholt. Offizielles Ziel ist die Einführung der freien Marktwirtschaft, doch die nur langsam voranschreitende Privatisierung der oft hoch verschuldeten Betriebe und parlamentarische Hürden verzögern den Aufschwung. Die verhältnismäßig geringe Arbeitslosigkeit (8 Prozent) erklärt sich aus der Tatsache, dass rund ein Viertel der arbeitsfähigen Moldauer im Ausland tätig ist. - Wichtigster Wirtschaftssektor ist die Landwirtschaft, die mehr als ein Drittel der Erwerbstätigen beschäftigt und 17 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) beiträgt. Moldova verfügt über äußerst fruchtbare Böden (Schwarzerdeböden auf 90 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche). Bedeutendste landwirtschaftliche Exportartikel sind Obst, Gemüse, Wein, Tabak und Rosenöl.

"Die Geschichte des moldauischen Weinanbaus ist lang und wechselhaft. Ein schrecklicher Schlag wurde der Weinwirtschaft mit Gorbatschows Antialkoholkampagne versetzt. In den Jahren der Unabhängigkeit des Landes wurde viel in diesen Wirtschaftssektor investiert. Es kommen wieder hervorragende Weine, trockene Schaumweine und herrlicher Divin aus Moldova."

In: "Wostok" Moldova-Spezial, 2004

Für den Eigenbedarf der Bevölkerung werden Weizen, Mais, Zuckerrüben und Sonnenblumen angebaut. In der Viehwirtschaft werden vor allem Rinder und Schweine gehalten. Die Nahrungs- und Genussmittelproduktion sind die wichtigsten industriellen Zweige. Weiter werden Textilien, Schuhe, Möbel und Landmaschinen produziert. Die von den Wasserkraftwerken produzierte Energie reicht für die Versorgung nicht aus, Strom muss importiert werden. Moldova ist arm an Bodenschätzen, es gibt Vorkommen an Kalkstein, Quarz, Gips und Kies. Wichtigster Handelspartner beim Export (Erze, landwirtschaftliche Produkte, Textilien, Maschinen) ist weiterhin Russland, gefolgt von Italien und Deutschland. Am 20. November 2014 schreibt DIE ZEIT: "Dreimal hat Russland in den vergangenen Jahren den Import von Wein aus Moldau verboten, mittlerweile stehen auch Gemüse, Obst und Fleisch auf der Embargoliste. Das Verbot trifft das ohnehin bitterarme Land hart: 43 Prozent der moldauischen Agrarexporte gingen 2013 nach Russland. Hinzu kommt, ähnlich wie in der Ukraine, die fast vollständige Abhängigkeit Moldaus vom russischen Gas: Schon jetzt zahlt es mit fast 400 Dollar einen der höchsten Kubikmeterpreise." - Beim Import (Metallwaren, Rohstoffe, chemische Produkte, Energie) übertrifft Russland inzwischen die Ukraine. - Die Republik Moldova gilt unter den einstigen Sowjetrepubliken in Europa als die ärmste. Die Wirtschaftsleistung pro Kopf und Jahr liegt bei rund 1 250 Euro, das entspricht in etwa dem Niveau von Bolivien oder Papua-Neuguinea.

Das Zitat: „Die Republik Moldova im Südosten Europas - zwischen Rumänien und der Ukraine gelegen - wird auch das Armenhaus des Kontinents genannt. Zum Vergleich: Die rund 3,56 Millionen Einwohner des Landes erwirtschafteten im Jahr 2011 ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) von rund 5,07 Milliarden Euro. Die Einwohner Berlins – vergleichbare 3,4 Millionen – schafften im gleichen Zeitraum etwa 101 Milliarden Euro. Und: Das Pro-Kopf BIP betrug 2011 in Moldova rund 2 500 Euro, während dieser Wert in Deutschland bei etwa 32 000 Euro lag.“

„wortundtat“, deutsche Hilfsorganisation

Verkehr:  Das Schienennetz Moldovas umfasst insgesamt  rund 1 200 Kilometer, das Straßennetz rund 13 000 Kilometer. Der Fluss Nistru ist durchgehend schiffbar. Bei der Hauptstadt Chişinǎu gibt es einen internationalen Flughafen, der einzige des Landes mit internationalen Linienflügen. Ein großer Teil des öffentlichen Verkehrs sowohl in den Städten als auch über Land wird von Kleinbussen abgedeckt.

 

Sprache/Schrift: Die Moldauer sind wie die Walachen Nachfahren der romanisierten Geto-Daker, die sich später mit Slawen und anderen Völkerschaften vermischten, aber ihre romanische Sprache beibehielten, die sich freilich isoliert von der übrigen Romania eigenständig entwickelte.  Erst im 19. Jahrhundert wurde in den Fürstentümern Moldau und Walachei eine einheitliche Schriftsprache geschaffen und durch massive Übernahme französischer und neulateinischer Lehnwörter sowie des lateinischen Alphabets den westromanischen Sprachen angenähert. Den Moldauern hat man es mit ihrer Schrift wahrlich nicht leicht gemacht: bis 1917 erfolgte der Unterricht in russisch mit kyrillischen Buchstaben, ab 1917 bis 1944 in Moldauisch und lateinischem Alphabet, aber 1944 dann in russisch und Moldauisch, aber wieder mit kyrillischem  Buchstaben. 1985 wurde in fast allen Mittel- und Hochschulen auf Russisch unterrichtet. Da kam Gorbatschows Perestroika gerade recht.  Und richig: Am 31. August 1989 erklärte der Oberste Sowjet Moldawiens das Moldauische in lateinischer Schreibweise zur Staatssprache. Mit jeder Neuerung in Sprache und Schrift fielen die Älteren automatisch aus der Gruppe der Lese- und Schreibkundigen heraus. Amtssprache in Moldova ist heute Moldauisch, teils ídentisch mit dem Rumänischen, im Alltag dominiert vielerorts Russisch.

"Heute kann man sagen, dass, je massiver die Russifizierung angegangen wurde, desto härter die Frage nach muttersprachlichen Schulen stattfand."

In: "Wostok" Moldova-Spezial 2004

Literatursprache/Literatur: Seit 1980 verfügt die moldauische Hauptstadt über ein Haus der Verlage. Seitdem verlassen jährlich tausend Titel in einer Gesamtauflage von fünfzehn Millionen Exemplaren das Haus. Im Haus der Verlage arbeitet das Staatliche Komitee für Verlagswesen, Polygrafie und Buchhandel, die Staatliche Buchkammer, die vier moldauischen Verlage und eine große Buchhandlung.

                             

Illustration zu einem moldauischen Volksmärchen von Issai Kyrmu, der mehr als

zweihundertfünfzig Bücher moldauische Künstler illustriert hat.

Foto aus: Rellers Völkerschafts-Archiv

 

Bildung: In Moldova haben Schüler, die einer Minderheit angehören, das Recht auf Unterricht in ihrer Muttersprache. Das Land besitzt sieben Universitäten und zehn Hochschulen, es erscheinen vier Tageszeitungen, es gibt zwei Fernsehprogramme, 2008 nutzten 18,5 Prozent der Bevölkerung das Internet.

 

Kunst/Kultur: Die aufwendigsten Familienfeste der Moldauer sind Hochzeiten, vor allem im ländlichen Raum wird für ein mehrtägiges Spektakel oft lange gespart. Die meisten Hochzeiten finden im Herbst statt, um den Ertrag des eigenen Gartens optimal zu nutzen. Manchmal entführen Verwandte die Braut, der Bräutigam muss sie dann "befreien". Die Geschenke - oft Geldgeschenke - werden zur Mitternachtszeit überreicht, der Wert der Geschenke wird regelrecht ausgerufen. Ein landläufiger Witz fragt danach, was Braut und Bräutigam denn in der Hochzeitsnacht so treiben? Die Antwort: Geld zählen! - Besonders tief verwurzelt ist die Stickerei - bei beiden Geschlechtern. - 1986 wurde in einem Kischinjower  Wasserturm das Nationale Museum für Geschichte eröffnet, außerdem gibt es in der Hauptstadt ein Museum der Bildenden Künste, ein Museum für Ethnographie und Archäologie, ein Museum für Stadtgeschichte, ein Museum für rumänische Literatur, ein Alexander-Puschkin-jausmuseum - Aus Moldova stammte die weltberühmte Opernsängerin Maria Cebotari (1910 in Chişinǎu   geboren, 1949 in Wien gestorben), der bekannte Pianist Oleg Maisenberg (geboren 1945, der 1965 die Zentrale Musikschule in Chişinǎu besuchte), die Operndiva Maria Bijeschu, die in Chişinǎu lebt...

 

Der Ballett-Tänzer Dinu Tamazlacaru ist seit der Spielzeit 2012/13 Erster Solotänzer des Berliner Staatsballetts. Tamazlacaru tanzt unter anderem in „Onegin“, „Romeo und Julia“, „Schwanensee“. Dinu Tamazlacaru - größtes Sprungwunder nach Tanzchef Malakhov – stammt aus Moldova. Gefragt, ob es ihm in seiner Heimat nicht gefällt, seine Antwort: „Doch, auf dem Land bei meiner Großmutter, wo ich viel war, ist es sehr schön. Aber am Herzen liegt mir jetzt Berlin, das ist meine Heimat“; Tamazlcaru lebt seit zwölf Jahren in Deutschland.

 

Gesundheitswesen: 1980 bestehen in der Republik der Moldauer fünfzig Kinderpolikliniken und -krankenhäuser, in denen insgesamt mehr als eintausendfünfhundert Mediziner tätig sind. 1984 kamen auf zehntausend Einwohner dreißig Ärzte, die alle in der moldauischen Republik ausgebildet wurden. 1986 nahm ein Zentrum für schnelle medizinische Hilfe die Arbeit auf. Es entstand unter Beteiligung mehrerer Länder des RGW (Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe). So kamen die Laborausrüstungen aus Polen, die Röntgentechnik aus Ungarn und die Monitoranlagen aus  der DDR. - Gegenwärtig gibt  es in Moldova etwa 2,6 Ärzte je tausend Einwohner, die durchschnittliche Lebenserwartung betrug 2007 63 Jahre. Heute leiden von zehn Einwohnern statistisch gesehen sieben an Krankheiten der Atemwege, der Verdauungsorgane oder der Harnwege - wegen des intensiven Einsatzes von Pestiziden in der Landwirtschaft. 2007 betrug die HIV-Infektionsrate  vermutlich 1 Prozent. Es gibt in Moldova 2,6 Ärzte pro eintausend Menschen. 2006 betrugen die Gesundheitsausgaben 107 US-Dollar pro Kopf der Bevölkerung. - Im ganzen Land und darüber hinaus berühmt ist das Sanatorium "Kordy".

Klima: Das Klima ist gemäßigt kontinental mit relativ kurzen, schneearmen Wintern und langen, warmen und trockenen Sommern. Atlantische Luftmassen aus dem Westen, mediterrane aus Südwesten und kontinentale aus Nordosten prägen das Wetter. Die durchschnittliche Temperatur im Juli liegt zwischen plus 19,5 Grad im Norden und plus 22,5 Grad im Süden. Das Mittel im Januar erreicht minus 5 Grad im Norden und minus 2,5 Grad im Süden. Etwa 70 Prozent der jährlichen Niederschlagsmengen fallen in den Monaten April bis September, das Maximum der 500 bis 600 mm im Norden und in der Mitte, unter 450 mm im Süden und 350 bis 400 mm im Südosten fällt in den Monaten Mai und Juni.

Natur/Umwelt: Berühmt sind in Moldova die "Kordy" - ein Restbestand jenes Urwaldes, der einst das ganze Gebiet des heutigen Moldova bedeckte. Um wenigstens ein Teilchen des  außerordentlich reichen natürlichen Komplexes zu bewahren, wurde rund fünfzig Kilometer von Chişinǎu entfernt das Naturschutzgebiet "Kodry" - ein Forschungszentrum und eine Art Naturmuseum - geschaffen. Moldova besteht heute überwiegend aus fruchtbaren Schwarzerdeäckern und grünem Hügelland. Acht Millionen Jahre alte Kalkböden bilden an vielen Stellen den Untergrund. Grob kann man das Land in zwei Vegetationszonen einteilen: Hügelland mit ursprünglich größeren Waldflächen und Ebenen mit Steppengrasvegetation. Die Schwarzerdeböden werden zu 80 Prozent landwirtschaftlich genutzt. Moldova-Reisende schwärmen von anmutigen Gewässern und langen Nussbaumalleen.

"Sie sagte, es sei gut in Italien, warm, schön, beinahe wie in Moldawien, bloß würden wir keine Aprikosen im Hof haben, auch keine Pflaumen. Ich glaube, in Moldawien ist es am allerbesten."

Liliana Corobca (geboren 1975 in Moldawien, ist Literaturwissenschaftlerin und Schriftstellerin; lebt in Bukarest/Rumänien) In: Der erste Horozont meines Lebens, 2015

 

- In Moldova entstanden Umweltschäden u. a. durch die Anwendung chemischer Düngemittel, vor allem in den sowjetischen Kolchosbetrieben und durch die intensiv betriebene Landwirtschaft. Dies hat zu großflächigen Boden- und Wasservergiftungen geführt. Große Teile der Ackerfläche sind von Bodenerosion bedroht und Erdrutsche gehören zu den häufigsten Naturkatastrophen.

 

Pflanzen- und Tierwelt: Im Naturschutzgebiet "Kodry" gibt es Rehe, Wildschweine, Edelhirsche, Füchse, Dachse, Marder, Wiesel, Iltisse und - schwarze Eichhörnchen wie sie sonst nur noch in den Kaparten vorkommen. Auch fünfhundert scheue Wildkatzen leben im Naturschutzgebiet und achttausend Insektenarten. In einer moldauischen Baumschule werden seit 1984 Gingkobäume gezüchtet - Altersgenossen der Dinosaurier.

Behausungen: Die ländliche Architektur bietet einen sehr urigen Anblick, da die Häuser anscheinend willkürlich nebeneinander gebaut worden sind. In Wirklichkeit jedoch verbirgt sich hinter ihren Mauern eine ideal an das Gelände, an die öffentlichen Straßen und an das Leben der Einwohner angepasste Struktur. Seit dem 17./18. Jahrhundert entstand auf dem Land die Tradition, einstöckige Häuser mit einer Terrasse zu bauen. Diese Häuser bestehen aus drei Zimmern: Der Eingangsbereich, das von allen geteilte Schlafzimmer, das auch als Esszimmer diente, und die "Casa mare", der Gemeinschaftsraum, wo Gäste empfangen werden können. Komplettiert wird diese Wohnfläche durch die anschließende Terrasse. Später wurde dieses ländliche Haus oft von Häusern eher bürgerlichen Charakters abgelöst, die fast schon Herrenhäusern glichen. Diese wurden mit Steinen, Ziegelsteinen oder auch aus Holz erbaut. Nach alter Tradition soll sich jedes junge Paar im Dorf ein eigenes Haus bauen, das der eigenen Vorstellungskraft entspringt. - Typisch für Moldova ist das Schnitzen von Holzornamenten. In früheren Zeiten war es besonders im Süden des Landes üblich, Gebäude durch Schnitzereien zu verzieren. Vor allem am Giebel der Häuser gab es kunstvoll gefertigte Leisten, mitunter in mehreren Lagen sich überlappend und regelrechte Spitzenbordüren bildend.

 

 

"Die Familie" lässt deutlich den Einfluss heimatlicher Folklore erkennen. Es ist das Ergebnis eines intensiven Studiums dekorativer Holzschnitzereien an Häusern, Pfeilern, Brunnen... in moldauischen Dörfern.

Skulpturen von L. G. Glustschenko aus: Rellers Völkerschafts-Archiv

Ernährung: Wie in allen Bereichen der Kultur spiegeln sich Völkerwanderungen und Nachbarschaften auch in Speis und Trank wider, wobei die engste Verwandtschaft mit der rumänischen Küche besteht. Aufgrund der Jahrhunderte langen Zugehörigkeit zum Osmanischen Reich finden sich in der moldauischen Küche viele Einflüsse aus dem Schwarzmeer- und Mittelmeerraum, insbesondere griechische und türkische wie gefüllte Weinblätter, Musakka und Rosenblütenmarmelade. Auf russische beziehungsweise sowjetische Einflüsse geht die Verwendung von marinierten Pilzen und saurer Sahne zurück. Typische Bestandteile der heutigen Mahlzeiten sind Schafskäse, Eier, Hülsenfrüchte, Traubenmost, Hammelfleisch, Grillwürstchen aus Rindfleisch oder Schweinefleisch. Mit Fleisch gekochte Früchte wie Quitten sorgen für einen besonders frischen Geschmack. Knoblauch in verschiedenen Sorten ist ein Nationalgewürz, die breiten Blätter wilder Arten werden auch am Waldrand gesammelt und zu Salat verarbeitet. Neben Brot und Salz, Speck und Zwiebeln stellen die Maisbreibällchen ein weiteres Symbol moldauischer Esskultur dar. Die Bällchen werden in verschiedene Gulasch- und Griebensoßen getunkt und traditionell mit den Fingern gegessen. - Starken Einfluss auf die moldauische Küche übten die Russen, Ukrainer und Gagausen aus.

Kleidung: Die Stickerei kam in Moldawien erst in der Zeit des Mittelalters in Mode. Vor allem im Winter, wenn auf dem Feld nicht viel zu tun war, widmeten sich die Frauen der Stickerei. So wurde es zu einer populären Kunst, Kleidungsstücke aus feinen Stoffen, Leinen oder Flachs mit Stickereien zu versehen, und sogar die Innenausstattung der Häuser konnte sich dieser Mode nicht entziehen. Auch wenn die Textilindustrie den Großteil übernommen hat, so entwickelt sich die Stickerei stetig weiter und es entstehen weiterhin richtige Meisterwerke dieser Kunst. Selbstverständlich, dass die traditionellen moldawischen Trachten aus Flachs oder Hanf diese alt überlieferte Tradition widerspiegeln. Typisch für die männliche und weibliche Kleidung sind Westen. Oft werden Schnitt und Verzierung der Kleidungsstücke individuell auf Haarfarbe, Alter und Figur abgestimmt.

Alltags- und Festtagstrachten der Moldauer.

Zeichnungen aus: Rellers Völkerschafts-Archiv

 

Folklore: Symbol des Glücks ist in Moldova der Storch, um den sich viele Geschichten ranken. - Einen hohen Stellenwert hat in Moldova die Volksmusik. Ein charakteristisches Genre der moldauischen Volksmusik sind die Doina - feurige Tänze, melancholisch, schwermütig, aber auch fröhlich und voller Lebenskraft. - Über Jahrhunderte hinweg hat sich die musikalische Tradition der Panflöte neben allen anderen Stilrichtungen überliefert. Vorerst nur als Hirtenmusik gespielt, entwickelten sich die Klänge der Panflöte später zur konzertanten eigenständigen Musik. Das Panflötenensemble IOVU, in dem jeder einzelne ein Solist ist, bringt klassische und transsylvanische Musik, die kaukasische und maurische Elemente einzigartig vereint. Das Ensemble IOVU, bestehend aus Panflöten, Geigen, Cymbal, Klarinette, Kontrabass und anderen Traditional-Originalinstrumenten, spielt alte moldauische, kaukasische, russische und rumänsiche Weisen, erfüllt von melancholischer Besinnlichkeit und dem Klang der Weiten Russlands. Doch auch Klassiker wie Bach, Schubert, Mozart, Beethoven, Granom. Albinoni, Tschaikowski u. v. a. gehören zum Repertoire.

 

Einst verliebte sich PAN in eine Nymphe. Sein Werben erschreckte das Mädchen jedoch so sehr, dass es vor ihm davonlief und sich im Uferbambus (Syrinx) des nahen Flusses versteckte. Da PAN vergeblich nach ihr suchte, riss er einige Halme des Syrinx ab und trug sie fortan bei sich. Als er vor Liebeskummer das Syrinx immer wieder küsste, entlockte er dem verschieden langen Bambus süße Töne. Mit Wachs verband er die Bambusröhrchen und erfand somit die PANFLÖTE.

 

Feste/Bräuche: Moldova zeichnet sich durch einen gastfreundlichen, toleranten rumänisch-russisch-türkischen Kulturmix zwischen Okzident und Orient aus. Eine große Rolle spielen Frühlingsbräuche, mindestens ebenso malerisch präsentiert sich Moldova im Herbst mit seinen Wein- und Erntefesten. Am bekanntesten ist der "Shok" - ein Erntefest. "Shok" heißt auch ein Staatliches Akademisches Tanzensemble, das zu Sowjetzeiten in 32 Ländern der Welt gastierte und zu den besten Volkskunstensembles der Welt gehörte.  Neben Tanz und Gesang zeigen Frauen ihre Stickereien, handgeknüpfte Teppiche, Spielzeug und Nationaltrachten, Töpferarbeiten... Tradition ist auch der jährliche Maien-Ringkampf, bei dem der Sieger einen lebenden Hammel gewinnt. - Als wichtigste Ereignisse im Leben des Menschen gelten Geburt, Kindestaufe, Hochzeit und Tod. Am interessantesten finde ich die Bräuche, die mit dem Tod verbunden sind. Die Dörfler sind ausgesprochen aufmerksam gegenüber Zeichen, die angeblich den Tod ankündigen. Schreit am Haus beispielsweise eine Eule, interpretiert man dies dahingehend, dass sich der Tod diesem Haus nähert. - Ein Verstorbener wird im mittleren Zimmer des Hauses drei Tage aufgebahrt, um Verwandten und Freunden Zeit zu geben, sich von ihm zu verabschieden. Man vertritt auch die Meinung, dass sich in dieser Zeit die Seele des Verstorbenen von allen auf Erden lebenden Menschen verabschiedet. Alle Spiegel im Haus werden mit Tüchern verhängt, die Eingangstür bleibt geöffnet. Die Verwandten dürfen nicht scherzen, sich auch nicht mit Spielen die Zeit vertreiben oder irgendwelche Freizeiteinrichtungen besuchen. Nach drei Tagen liest ein Priester die Totenmesse, erst dann darf der Verstorbene aus dem Haus gebracht und bestattet werden. Die Moldauer glauben, dass der Verstorbene auf dem Weg zum Friedhof 24 Brücken überquert. Die erste Brücke ist die Hausschwelle, die zweite das Tor des Hofes, die folgenden "Brücken" sind Straßenkreuzungen, Brunnen und kleine Bretterweg über die Bäche. Auf den "Brücken" verteilen die Verwandten die Habseligkeiten des Verstorbenen, sie geben Geld, Almosen und essen, damit will man dem Verstorbenen den Weg ins Jenseits erleichtern. Dem volkstümlichen glauben nach muss der Sarg unbedingt von fremden menschen getragen werden. So denkt man, weitere Todesfälle in der Familie vermeiden zu können. An die zur Beerdigung gekommenen Menschen verteilt man Leinen- und Kopftücher, Servietten und Kerzen, die Kinder erhalten Bonbons. Am Tag der Beerdigung dürfen die Verwandten des Verstorbenen einem Bittenden nichts verweigern. Es heißt, der Tote habe es sonst unbequem in seinem anderen Leben und wird seinen Verwandten in nächtlichen Träumen immer wieder erscheinen. - Nach der Rückkehr vom Friedhof deckt man im Haus des Verstorbenen obligatorisch den Tisch zur Totenfeier. Jeder, der gekommen ist, um sich von dem Verstorbenen zu verabschieden, nimmt platz. In der Mitte des Tisches steht ein mit einem Stück Brot zugedecktes Glas Wein, im Brot steckt eine Totenkerze. Das Glas ist für den Verstorbenen, es symbolisiert seine Anwesenheit bei Tisch. Nach moldauischen Brauch lädt man am neunten Tag, am vierzigsten Tag und nach einem Jhr nach dem Tod des Menschen zu Tisch für den Toten.

 

Religion: Die Moldauer empfingen wie die Walachen das Christentum östlicher Prägung durch südslawische Vermittlung. Die heutigen Moldauer sind orthodoxe Christen, die einen Anteil von über 98 Prozent an der Gesamtbevölkerung ausmachen. In der Zeit der Perestroika und seit der Unabhängigkeit sind in Moldova viele Kirchen und Klöster wieder eröffnet oder neu gegründet worden. Historisch waren viele ortsfremde Religionen auf moldauischem Territorium aktiv und, es gab immer wieder Auseinandersetzungen zwischen der bessarabischen Eparchie und dem Moskauer Patriarchat, die bis heute nicht gelöst sind. Heute sind in Moldova mehr als hundert verschiedene Religions- und Glaubensgemeinschaften registriert. Im Jahre 1905 waren 84,4 Prozent der Bevölkerung orthodox, einschließlich der Altgläubigen mit 1,5 Prozent, 11,6 Prozent jüdisch, 2,9 Prozent evangelisch und 0,95 Prozent katholisch. Zwischen Prut und Dnjestr hatten historisch zwei große Bewegungen gewaltigen Einfluss auf das geistliche Leben. Schon in der Epoche des russischen Zaren Peter I. kamen die sogenannten Raskolniki (Kirchenspalter, die die Kirchenreform nicht anerkannten), von der Toleranz der hiesigen Bevölkerung angezogen, nach Moldova; sie siedelten auf dem gesamten Territorium, bevorzugten aber die südlichen Landkreise, weil sie dort dem Schwarzen Meer und der Donau näher waren, und die Landschaft sie an ihre alte Heimat erinnerte.

 

Die Altgläubigen werden seit dem Zerfall der Sowjetunion nicht mehr verfolgt! "Mit den anderen russischen Christen", schreibt Sabine Fahl in "Das verborgene Gesicht Rußlands" (mit künstlerischen Schwarz-Weiß-Fotos von Lev R. Silber), "teilen die Altgläubigen den Leidensweg durch die sowjetische Zeit, die Lager des Stalinismus, die Verfolgung unter Chruschtschow. Aber dies war nur die Fortsetzung einer dreihundertjährigen Geschichte, in der die Anhänger des alten russisch-orthodoxen Ritus als `Raskoniki´ (Spalter) geschmäht, eingekerkert, gefoltert und getötet wurden." Was hat es mit den Altgläubigen auf sich: Im Jahre 1653 beschloss eine Synode unter dem Druck des Patriarchen Nikon und des Zaren Alexej Michailowitsch (1629 bis 1676, Zar von 1645 bis 1676) erste Reformen von liturgischen Büchern und Riten der russisch-orthodoxen Kirche, die 1667 in Kraft traten. So wurde eine neue Haltung der Finger beim Bekreuzigen eingeführt, der Name Christi nicht mehr mit einem, sondern mit doppeltem Vokal am Anfang geschrieben, die Prozessionsrichtung geändert: Nun sollte gegen den Sonnenlauf statt mit der Sonne gegangen werden; das zweifache Halleluja war durch ein dreifaches zu ersetzen. Diese Reformen orientierten sich hauptsächlich an der damaligen Praxis in der griechischen Orthodoxie, wo man die Traditionen der Alten Kirche besser bewahrt glaubte als in Russland.  Sie riefen im Kirchenvolk zum Teil todesmutigen Widerstand hervor. Forscher schätzen, dass etwa die Hälfte der Gläubigen die Reformen, die sie nicht verstanden, ablehnten. Ihr Protest, angeführt von standhaften Geistlichen und Laien - wie dem Protopopen Awwakum und der Bojarin Marosowa - entwickelte sich zu einer breiten Bewegung. Die Altgläubigen hielten die befohlenen Korrekturen für sinnlos, ja für ketzerisch. Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts wurde die Zugehörigkeit zu den Altgläubigen mit dem Tode bestraft.

 

Altgläubige Frauen in ihren typischen schwarzen Trachten.

Foto aus: Das verborgene Gesicht Rußlands von Lev R. Silber, 2002

 

 

- Seit Anfang des 19. Jahrhunderts verbreiteten sich eine Reihe von Sekten. Nach den Angaben für 1872 gab es die Sekte der Molokanten ("Milchesser", sie halten das Fasten nicht ein), die Duchoborzen (Leugner des Heiligen Geistes), die Geißler (Sekte der Altgläubigen) und die Skopzen (Schneidlinge, sie weigerten sich für den Zaren zu beten). Nach statistischen Angaben von 1858 gehörten den genannten Sekten 6 770 Menschen an. Setzt man dies in Bezug zur damaligen Einwohnerzahl und zur Stärke der russischen Kolonie, die 156 000 Angehörige zählte, war dies eine beachtliche Zahl. Neben den Sekten gab es eine zweite Bewegung, die innerhalb der bessarabischen Kirche einen besonderen Einfluss erlangen sollte. Diese geistliche Bewegung wurde von dem Mönch Inocenti (sein weltlicher Name war Ion Zucan) aus dem Dorf Coseuti im Rayon Soroca begründet. Sie war eine der stärksten Kirchenbewegungen ihrer Zeit und bemühte sich um die Erneuerung des kirchlichen Lebens, ja, um eine neue Kirchenethik. Um diesen Inocenti ranken sich viele wundersame Erzählungen. Als die Bessarabier von ihrem Wunder vollbringenden Landsmann erfuhren, der zudem versprach, das "Paradies auf Erden" zu errichten, verkauften sie ihre Häuser und machen sich mit Familie sowie Hab und Gut auf nach Balti, um in der Nähe des verehrten Vaters Inocenti ein gläubiges Leben zu führen. Schließlich wurde die Bewegung so stark, dass die Kirchenoberen sich gezwungen sahen, Vater Inocenti in das Gebiet Murom zu versetzen. Doch die Menschen folgten ihm auch dorthin, was die Situation zuspitzte. Nach der Revolution von 1917 und dem Bürgerkrieg verschwand das "Paradies auf Erden" , von der Bewegung ist lediglich die lesenswerte Monographie "Die Inocenti-Bewegung in Balti", die 1926 der Historiker Popowski geschrieben hatte, erhalten. 1992 wurde die Bessarabische Eparchie gegründet, die Anspruch auf die Vormachtstellung im Land erhebt. Heute haben wir die Situation, dass das Moskauer Patriarchat und Patriarch Alexi II. sich der Einrichtung und der Anerkennung eines neuen Metropolitensitzes in Moldova widersetzten. Im Jahre 2002 aber verpflichtet der Europarat Moldova, die Bessarabische Eparchie mit dem Metropoliten Petru Peduraru anzuerkennen. Die Spannungen innerhalb der christlich-orthodoxen Kirche und sechzig Jahre Atheismus hatten zur Folge, dass sich viele Menschen den neuen Sekten anschlossen, die ihre Missionare aus der ganzen Welt schickten und Moldova buchstäblich überschwemmten. Wie Pilze wachsen Gebetshäuser aus dem Boden, gibt es Moscheen... Die offizielle Kirche muss diesem Treiben machtlos zusehen; denn es fehlt ihr an finanziellen Mitteln, um mit diesem Problem fertig zu werden.

Ereignisse nach dem Zerfall der Sowjetunion, sofern sie nicht bereits oben aufgeführt sind: Ab 1989 berichten die Medien von Unruhen in Moldova. Demonstranten forderten die Übernahme der in der Republik gesprochenen rumänischen Sprache als Staatssprache und einen Zuzugsstopp für Nicht-Moldauer. Moldova ist Gründungsmitglied der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), am 21. Dezember 1991 erfolgte die Unterzeichnung, erst am 8. April 1994 wurde sie vom moldauischen Parlament ratifiziert. Seit dem 2. März 1992 ist M. Mitglied der UNO, seit dem 13. Juli 1995 gehört das Land dem Europarat an. 1993 verlässt die Rubelzone und führt eine eigene Währung ein, den Leu. 1994 beschließt das moldauische Parlament die Nationalhymne "Wach auf, Rumänien" nicht mehr mit Rumänien zu teilen. 

"Die mit dem Zerfall der Sowjetunion unabhängig gewordene Republik Moldova wurde zum Bilderbuchbeispiel dafür, mit welchen Schwierigkeiten und Konflikten es die auf dem Boden des einstigen Imperiums entstandenen Staaten zu tun haben. Ein Knäuel von Problemen - zermürbender innenpolitischer Kampf, kritischer Wirtschaftszustand, ethnische Auseinandersetzungen, die sich am Dnjestr zu einem blutig und erbittert geführten Krieg zwischen den dort ansässigen Russen und den Moldauern zuspitzten - brachte Moldova, das an Rumänien grenzt und historische sowie kulturell-sprachliche Bindungen zu Rumänien hat, in eine Lage, für die es schwer ist, eine Lösung zu finden."

In: Osteuropa 5/1994

Die Europäische Konvention zum Schutz der Minderheiten wurde am 20. November 1996 vom moldauischen Parlament ratifiziert. Nach einem russisch-moldauischen Abkommen vom 10. August 1994 sollte die 14. Russische Armee Transnistrien innerhalb von drei Jahren verlassen, doch die Duma bestätigte dieses Abkommen zunächst nicht. Moldova unterzeichnete 1994 ein Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit mit der EU, doch erst am 1. Juli 1998 konnte dieses in Kraft treten. -  1994 wird Moldova von verheerenden Überschwemmungen heimgesucht; das Außenministerium von Chişinǎu bittet Botschaften und internationale Organisationen um Hilfe. - Seit dem 30. November 2005 gibt es eine Grenzkontrollmission der Europäischen Union an der moldauisch-ukrainischen Grenze zur Unterbindung des Waffen-, Menschen- und Drogenschmuggels von und nach Transnistrien. - 1995 schafft das Parlament der GUS-Republik Moldova die Todesstrafe ab. - 2011 wurde in Moldova ein Uranschmugglerring ausgehoben. Es hatte sich um angereichertes Uran 235 gehandelt, das sich für den Bau sogenannter schmutziger Bomben eignet. Schon 2010 waren Händler verhaftet worden, die Uran ohne jeden Schutz in einer Garage gelagert hatten. Damals wurden 1,8 Kilogramm des Isotops 238 sichergestellt. Das jetzt gefundene Uran soll ebenso wie der vor einem Jahr entdeckte Kernbrennstoff über Transnistrien ins Land gekommen sein; Transnistrien hat sich in einem blutigen Bürgerkrieg von Moldova abgespalten. -  Seit April 2013 ist Iurie Leancǎ (geboren 1963 in Moldawien) Regierungschef der Republik Moldova, zuvor war er der Außenminister des Landes. - Im Februar 2014  haben sich die wahlberechtigten Bürger Gagausiens mit großer Mehrheit gegen eine Mitgliedschaft ihres Landes in der EU gewandt.

"Nicht nur die Gagausen, auch der Rest der Moldauer [Republik Moldova] hat in den vergangenen Jahren seine Haltung zu Europa verändert, nur noch 44 Prozent von ihnen sind derzeit für eine Integration in die EU, partiell dazu stieg der Anteil derer, die eine Zollunion mit Russland vorziehen, von 30 auf 40 Prozent. Michail Formuzal [Präsident Gagausiens] sagt, die Regierung habe eine `afrikanische Demokratie´ im Land errichtet - sie habe Ministerien, Gerichte und Staatsanwaltschaften besetzt und verteile Geld an Parteigenossen und Verwandte, die Minderheit der Gagausen bekäme nichts ab.´"

Christian Neef (war Spiegel-Korrespondent in Moskau) in: Der Spiegel 10/2014

2015 setzt die gesellschaftliche Bewegung "Heimat - Eurasische Union" ihre langfristig angelegte Aktion "Schenk den Veteranen ein Fest" fort. Vertreter der Bewegung und ihrer Jugendorganisation "Liga der russischen Jugend" haben bereits mehr als 50 Veteranen des Großen Vaterländischen Krieges besucht. "Daß Jugendliche und Erwachsene die Veteranen besuchen, zeigt, daß wir uns aller unserer Helden erinnern und stolz auf sie sind. Die Veteranen leben unter schweren Bedingungen, viele brauchen Fürsorge und Unterstützung", so der Vorsitzende der Bewegung Igor Tuleanzew. "Wostok" 2-3 2015 schreibt: "Nach den insgesamt 400 Veteranen, die in der moldavischen Hauptstadt leben, sollen nach und nach alle Gebiete des Landes abgedeckt werden."

 

"Nur gut 70 Kilometer nördlich, im moldauischen Transnistrien, stehen russische Truppen. Sind sie, getarnt als "freundliche grüne Männchen" aus dem Volk, über die Grenze in den südlichen Zipfel der Ukraine eingedrungen, wo ein Gemisch aus Russen, Ukrainern, Moldauern, Gagausen und Bulgaren lebt? - Der Aufstand greift auf das autonome Gebiet der Gagausen in Moldau über, die sich Russland besonders verbunden fühlen. Selbst ernannte Feldkommandanten rufen ein unabhängiges Gagausien aus, das auch Teile der Ukraine umfassen soll, und bitten Russland um Hilfe. Die moldauische und die ukrainische Armee rücken vor. Russland mahnt drohend, den freien Willen der Völker auf Eigenständigkeit zu respektieren. Der Süden der Ukraine und Moldaus treibt dem Chaos und Krieg entgegen."

Johannes Voswinkel in „Zeit online“ vom 27.02.2015

 

 

Kontakte zur Bundesrepublik Deutschland: In Leipzig existiert das Moldova-Institut, das sich der Förderung des kulturellen Austausches und der Begegnungen sowie der Bildungs- und Forschungskooperation zwischen Deutschland und der Republik Moldova verschrieben hat. Es ist Anlaufstelle für alle Personen und Institutionen aus Kultur, Politik, Wirtschaft und Medien, die an einer Kooperation zwischen den beiden Ländern interessiert sind. Es ist die einzige akademisch-wissenschaftliche Präsenz Moldovas in Deutschland. - Seit 1994 fliegt Air Moldova dreimal wöchentlich von Frankfurt am Main direkt in die moldauische Hauptstadt Chişinǎu. - Bei Ex- und Importen sind die wichtigsten europäischen Handelspartner für Moldova Italien und die Bundesrepublik Deutschland. - Noch steht die Arbeit von wortundtat in der Republik Moldova am Anfang: Im Zentrum „Gloria“ und mit Hilfe eines ambulanten Dienstes werden Kranke untersucht und behandelt. Hungrige erhalten kostenlose Mahlzeiten und Bedürftige bekommen Kleidung oder Decken aus der Kleiderkammer. Für Obdachlose werden Einrichtungen hergerichtet, die ihnen in der kalten Jahreszeit Schutz und darüber hinaus einen geordneten Tagesablauf anbieten. Kindergärten und andere Bildungseinrichtungen werden mit Hilfe von „wortundtat“ instandgesetzt. Von Deutschland aus wird der Ausbau des Zentrums und der angebotenen Hilfsleistungen intensiv begleitet. Bis zu fünf Mal im Jahr macht sich ein großer LKW einer anderen Hilfsorganisation auf den Weg in die Region. Freiwillige Helfer transportieren damit unter anderem von „wortundtat“ zur Verfügung gestellte Lebensmittel, Kleidung, medizinische Geräte und Hilfsmittel, Einrichtungen für die diakonische Station und die Schulen und verteilen sie vor Ort. Alle Hilfen bieten „wortundtat“ und „Gloria“ den Menschen in Ceadir Lunga und Umgebung ungeachtet ihres Standes oder ihrer religiösen Überzeugung an.

Das Zitat: „Das medizinisch-diakonische Zentrum `Gloria´ bietet mittellosen Menschen der Stadt Ceadir Lunga die Möglichkeit zur kostenlosen medizinischen Untersuchung und Behandlung. Verschiedene Ärzte sind in der gut ausgestatteten Praxis in unermüdlichem Einsatz. Die Geräte, die sie verwenden, wurden zu einem großen Teil gebraucht günstig erworben – unter anderem ein EKG, ein Apparat zur Darmspiegelung und verschiedene Ultraschallgeräte. Eine Kardiologin, eine Internistin, eine Familienärztin und ein Experte für Ultraschall-Untersuchungen stellen ihr Wissen und ihre Arbeitskraft für die Behandlung der Patienten zur Verfügung. Auch der örtliche Zahnarzt arbeitet stundenweise mit. Die Einrichtung für seine Praxiswar gespendet worden.“

„wortundtat“, deutsche Hilfsorganisation

 

Interessant, zu wissen..., dass die weltberühmte Geigerin Patricia Kopatchinskaja gebürtige Moldawierin ist.

 

In ihren Programmen kombiniert sie moldauische Volksmusik mit harter Avantgarde, kommt bevorzugt barfuß auf die Bühne ("um direkte Verbindung mit der Erde zu haben), lebt in der Schweiz,  ihr Mann ist der Schweizer Neurologe und Ex-Nationalrat Lukas Fierz, sie haben eine Tochter. Die Mutter Emilia ist ebenfalls Geigerin, der Vater Viktor Zymbal-Spieler, der berühmteste Moldovas. Seit ihrem sechsten Lebensjahr nahm Patricia Geigenunterricht bei Michaela Schlögl, einer Schülerin von David Ostrach. 1989 emigrierten die Eltern mit ihr nach Wien, um der Tochter eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Patricia Kopatchinskaja studierte an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien Komposition und Violine.  Im Alter von 21 Jahren wechselte sie an das Konservatorium in Bern. Dort diplomierte sie im Jahr 2000 mit Auszeichnung. Kopatchinskajas Eltern waren zu Zeiten der Sowjetunion im ganzen Land bekannte Volkskünstler. Die Tochter - 1977 in Chişinǎu geboren - wird 2014 auch als Konzertmeisterin tätig sein - beim Opernorchester im russischen Perm kurz vor dem Ural mit Gustav Mahlers 3. Sinfonie. Auf die Frage, was Heimat für sie bedeutet, antwortete die Kopatchinskaja in einem Interview: "Die Heimat behält man im Schmerz, im Verlust. Das macht sie so gegenwärtig wie bei niemandem, der dort lebt. Mein Heimatgefühl ist mein Heiligtum, ich hüte es wie eine Kerze in einem Kristallglas. Es ist das Zerbrechlichste und Stärkste, was es gibt." Patricia Kopatchinskaja hebt sich mit ihrem wilden Stil angenehm von vielen ihrer Hochglanz-Kolleginnen ab. „Die Welt“ nennt sie (deshalb ?) „die Wildsau“ unter den klassischen Geigerinnen. Sie spielt übrigens auf einer 4,5 Millionen Euro teuren Geige - eine "Pressenda" aus dem Jahre 1834, von der sie sagt, sie sei ihre Seele; das teure Stück ist eine Leihgabe der österreichischen Nationalbank.

 

Der Heimat Rauch ist heller als fremdes Feuer.

Sprichwort der Moldauer

 

Die MOLDAUER: Für Liebhaber kurzer Texte

Moldawien liegt zwischen den Flüssen Dnister und Prut, im Bereich der Osteuropäischen Ebene. Das Gebiet Moldawiens war bis 1812 Teil des Fürstentums Moldau, das ebenso wie die benachbarte Walachei unter türkischer Oberhoheit stand. 1812 musste das Osmanische Reich an Russland die östliche Moldau abtreten, die nun ein eigenes Gouvernement unter dem Namen Bessarabien bildete. Nach dem Krimkrieg 1853/56 trat Russland einige südliche Distrikte Bessarabiens wieder an das Fürstentum Moldau ab, holte sich dieses Gebiet aber nach dem Russisch-Türkischen Krieg 1877/78 wieder zurück. 1918 erklärte eine Art Parlament den Anschluss Bessarabiens an Rumänien. Von Sowjetrussland wurde dieser Anschluss zwar nicht anerkannt, er konnte aber angesichts der bestehenden Machtverhältnisse - Besetzung der Ukraine durch die Mittelmeermächte - nicht verhindert werden. Im geheimen Zusatzprotokoll zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt von 1939 erklärte das Deutsche Reich sein Desinteresse an Bessarabien, das von Rumänien an die UdSSR zurückgegeben werden musste. Die Moldawier sind wie die Walachen Nachfahren der romanisierten Geto-Daker, die sich später mit Slawen und anderen Völkerschaften vermischten, aber ihre romanische Sprache beibehielten. Isoliert von den anderen romanisch sprechenden Völkern entwickelte sie sich eigenständig. Der Prozess des Entstehens eines moldawischen Volkes vollzog sich unter wechselhaften Bedingungen. Von rumänischer Seite wird eine moldawische nationale Identität oft bestritten, die Moldawier werden wie die Walachen und die Siebenbürger Rumänen als Stamm der rumänischen Nation angesehen; Mihai der Tapfere, Fürst der Walachei, hatte 1600 den Zusammenschluss von Moldau, Walachei und Siebenbürgen erreicht. Zur Zeit der Angliederung Bessarabiens an Russland existierten der Wörter Rumänien, Rumäne und rumänisch als Staats-, Volks- und Sprachbezeichnung noch nicht; sie kamen erst Jahrzehnte später in Gebrauch. Die heute annähernd drei Millionen Moldawier sind, sofern gläubig, orthodoxe Christen, die zur Ausgestaltung ihrer dörflichen Wohnräume noch heute Teppiche, verschiedenartige Läufer und vor allem bestickte Überhandtücher verwenden.

Diesen unveröffentlichten Text habe ich geschrieben, als ich für das Bibliographische Institut in Leipzig von 1986 bis 1991 ein Sprichwörterbuch von fünfzig Völkern der (ehemaligen) Sowjetunion erarbeitete, das wegen des Zerfalls der Sowjetunion nicht mehr erschienen ist.

Als Journalistin der Illustrierten FREIE WELT – die als Russistin ihre Diplomarbeit über russische Sprichwörter geschrieben hat - habe ich auf allen meinen Reportagereisen in die Sowjetunion jahrzehntelang auch Sprichwörter der dort ansässigen Völker gesammelt - von den Völkern selbst,  von einschlägigen Wissenschaftlern und Ethnographen, aus Büchern ... - bei einem vierwöchigen Aufenthalt in Moskau saß ich Tag für Tag in der Leninbibliothek. So ist von mir erschienen: 

* Aus Tränen baut man keinen Turm, ein kaukasischer Spruchbeutel, Weisheiten der Adygen, Dagestaner und Osseten, Eulenspiegel Verlag Berlin in zwei Auflagen (1983 und 1985), von mir übersetzt und herausgegeben, illustriert von Wolfgang Würfel.

* Dein Freund ist dein Spiegel, ein Sprichwörter-Büchlein mit 111 Sprichwörtern der Adygen, Dagestaner Kalmyken, Karakalpaken, Karelier, Osseten, Tschuktschen und Tuwiner, von mir gesammelt und zusammengestellt, mit einer Vorbemerkung und ethnographischen Zwischentexten versehen, die Illustrationen stammen von Karl Fischer, die Gestaltung von Horst Wustrau, Herausgeber ist die Redaktion FREIE WELT, Berlin 1986.

 * Liebe auf Russisch, ein in Leder gebundenes Mini-Bändchen im Schuber mit Sprichwörtern zum Thema „Liebe“, Buchverlag Der Morgen, Berlin 1990, von mir (nach einer Interlinearübersetzung von Gertraud Ettrich) in Sprichwortform gebracht, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen, illustriert von Annette Fritzsch.

Ich bin, wie man sieht, gut damit gefahren, es mit diesem turkmenischen Sprichwort zu halten: Hast du Verstand, folge ihm; hast du keinen, gibt`s ja noch die Sprichwörter.

Hier fünfzig moldauische Sprichwörter:

 (Bisher Unveröffentlicht)

Im Alkohol ertrinken mehr Menschen als im Wasser.

Im Beisein Alter habe Ohren, aber keinen Mund.

Die Angst hat große Augen.

Die schönsten Äpfel fressen die Schweine.

Tritt die Armut zur Tür herein, flieht die Liebe zum Fenster hinaus.

Armut lehrt Demut.

Das Brot schön warm, den Wein schön kalt, die Braut schön jung.

Drei Dinge lass draußen vor der Tür: den Regen, den Rauch und eine böse Frau.

Lieber ein Ei hier als weit weg einen Stier.

Eltern mit einem Kind sind einäugig.

Nicht nur die Fliege riskiert ihr Leben für ein bisschen Konfitüre.

Wer mehr fragt, macht weniger falsch.

Mit einem Freund ist es wie mit dem Wein: Je älter, desto besser.

Das Geld ist das Auge des Teufels.

Geldsack und Teufel lagen in derselben Wiege.

Wer auf Gott vertraut, geht hungrig zu Bett.

Ein Haus ohne Kinder ist wie ein Baum ohne Blätter.

In einem Haus mit zwei Weibern verdursten die Katzen.

Wer sich nicht helfen lässt, dem ist nicht zu helfen.

Das Hemd des Mannes ist das Verdienst der Frau.

Geschieht es dir, tut es mir unendlich leid, geschieht es mir, bricht´s mir das Herz.

Nicht aus jedem Holz ist eine Flöte zu schnitzen.

Wer mit den Hunden schläft, steht voller Flöhe auf.

Kaufe nichts, was du nicht brauchst, sonst wirst du bald schon verkaufen müssen,

was du brauchst.

Isst du keinen Knoblauch, riechst du nicht aus dem Mund.

Einen Kranken erfreut nicht einmal ein vergoldetes Bettgestell.

Ein Küchenhund taugt nicht für die Jagd.

Wie das Land, so der Brauch.

Willst du nicht straucheln, schau beim Laufen nicht zurück.

Die Liebe macht sich in allen Sprachen verständlich.

Die Liebe wird nicht nach Gewicht gemessen.

Eine Lüge zieht sieben weitere nach sich.

Ein Mensch ohne Freund ist wie links ohne rechts.

Der Pope nimmt´s von den Lebenden und von den Toten.

Jedes Scheit hat seine Zeit.

Niemand weiß besser, wo ihn der Schuh drückt, als derjenige, der ihn trägt.

Leichter ist es, Sturmgebraus aufzuhalten als Dorfgeschwätz.

Mit einem Tapferen kommst du durch Feuer und Wasser.

Der Teufel ist nicht so schwarz wie der Pope ihn malt.

Liebe die Wahrheit, aber verzeih den Irrtum.

Wenn man vom Wolf spricht, ist er schon an der Tür.

Karge Worte, magerer Braten - und der Mensch ist wohlgeraten.

Die Zähne sind näher als die Eltern.

Eine Zwiebel und ein Rettich machen noch keinen Garten.

Willst du eine Lüge glauben machen, musst du sie selbst wenigstens zur Hälfte glauben.

Bereite die Wiege keinem Ungeborenen.

Ein gutes Wort ist ein halbes Pferd wert.

Des Armen Tränen trocknen weder Sonne noch Wind.

Der Bauer hält sich Kühe, der Pope melkt sie.

Die Hand, die nicht schreiben kann, gibt dem Federkiel die Schuld.

 

Interlinearübersetzung aus dem Moldauischen/Rumänischen von Doris Müller; gesammelt und in Sprichwortform gebracht von Gisela Reller

 

ZitatE:  "Es war nun einmal Daseinszweck der Leibeigenen im moldauischen Lande, andere über sich verfügen zu lassen, ob das nun die Bojaren waren oder die Klöster, der Fürstenhof oder die Türken. Gleich den Ochsen zwang man die moldauischen Leibeigenen ins Joch, im Winter und im Sommer, bei Tag und bei Nacht."

Dumitri Almaş in: Ein Mann reist um die Welt, Leben und Wirken eines moldauischen Gelehrten des 17. Jahrhunderts

*

"Republik Moldau heißt offiziell ein liebenswerter kleiner Staat im Osten Europas mit gastfreundlichen Bewohnern, der in Medien des deutschsprachigen Raumes trotz vieler zukunftsweisender politischer und wirtschaftlicher Kontakte recht einseitig dargestellt wird. Diese Sicht entstammt wohl einer Denkweise, welche das Ost-West-Schema aus der Zeit des Kalten Krieges nicht völlig überwunden hat, beziehungsweise Europas Osthälfte mehr oder weniger bewusst ignoriert. (...) Dabei liegt die Republik Moldau nicht weiter vom deutschsprachigen Raum entfernt als das bei Urlaubern beliebte Spanien."

Frieder Monzer/Timo Ulrichs in: Moldova, 2013

*

"`Die Menschen spüren keine Verbesserung in ihrem Leben, jeder dritte Moldauer arbeitet im Ausland, die meisten in Russland. 60 Prozent der moldauer glauben, dass zu Sowjetzeiten alles besser war. Und nun bietet das wiedererstarkte Russland ihnen mit der Zollunion erstmals eine Alternative und das trügerische Gefühl, in den Schoß des früheren Reichs zurückzukehren. Was die EU bedeutet, das begreifen sie nicht.´"

Victor Chirila, ehemaliger Berater des liberaldemokratischen Ministerpräsidenten (von 2009-2013) Vladimir "Vlad" Vilat in: Der Spiegel 10/2014

*

"Es ist möglich, dass bei der Parlamentswahl im Herbst erneut die Kommunisten siegen. Sollte die jetzige Regierung das EU-Abkommen im August unterzeichnen, würde das neue Kabinett es vielleicht gleich wieder annullieren. Genau darauf arbeitet Russland hin. Seit Wochen erschweren die Russen den Import moldauischer Weine. Es gibt Angriffe von Insidern auf moldauische Banken, um Gelder nach Russland umzulenken. Und Drohungen, den Status der moldauischen Gastarbeiter in Russland, von deren Überweisungen Moldau [Moldova] lebt, zu überprüfen. Und es gibt immer wieder Provokationen an der Grenze zwischen Transnistrien und dem Rest des Landes."

Christian Neef in: Der Spiegel 10/2014

 

Als Reporterin der Illustrierten FREIE WELT bereiste ich einige Male die Ukraine. 1980 machten wir einen kleinen Abstecher nach MOLDOVA (dazumal noch Moldawien) in ein kleines Dorf, um an einer Hochzeit teilzunehmen, über die ich diesen Beitrag schrieb:

 

 

Aus FREIE WELT 11/80: Herz für Herz

 

"Einen der sein Herz an Moldawien verlor, war Alexander Puschkin. In einem Brief an seinen Bruder Lew vom 25. August 1823 trauerte er sogar seinen "verlassenen Ketten" nach und schrieb: "Als ich für immer von dort schied, seufzte ich Kischinjow nach."

Die ihr Herz in Moldawien verlieren, tun es freiwillig, indem sie sich ganz einfach verlieben und - heiraten. Ganz einfach? So einfach ist das heiraten in Moldawien nun auch wieder nicht. Zuerst einmal müssen - wie das so üblich ist - ein junger Mann und ein junges Mädchen ihr Herz aneinander verlieren. Dann muss sich einer ein herz fassen, diese herzerquickende Tatsache dem anderen mitzuteilen. In Moldawien gibt es dafür die beherzte Brautwerberin. In herzbewegenden Worten teilt sie den Eltern des Mädchens die Herzensangelegenheiten des jungen Mannes mit. Sind die Eltern von Herzen einverstanden, fällt ihr - berufsbedingt - ein Stein vom Herzen. Als dann machen sich berittene Herolde auf den Weg, preisen Schönheit und Tugenden der Braut in herzergreifenden Versen und laden - mit einem Gläschen Moldauischen - die Dorfbewohner, denen das Glück des jungen Paares am Herzen liegt, zur Hochzeit ein. Am Hochzeitsmorgen dann stürmen die Herolde noch einmal durchs Dorf, um auch die Herzen noch Wankelmütiger im Sturm zu erobern.

Indessen wird der Braut in der Kasa Mare (der guten Stube eines moldauischen Bauernhauses) das Brautkleid angelegt. Erst vor dem Standesamt (sprich: Dorfsowjet) treffen sich die beiden, um sich nun auch offiziell ihr Herz zu schenken. Im Haus der Brauteltern ist die Festtafel inzwischen mit herzhaften Speisen und herzerfrischenden Getränken gedeckt. Den Höhepunkt erreicht eine moldauische Hochzeit mit dem Heraustragen der Geschenke - alles, was das herz eines jungen Ehepaares begehrt: Federbetten, bestickte Bettbezüge, Möbel, Hausrat...

Wünschen wir Valentina und Andrej Kuschuk von ganzem Herzen, dass ihnen so wenig Herzeleid wie möglich widerfährt und sie  ein Leben lang mit allen Fasern ihres Herzens aneinander hängen..."

 

 

Bei einer moldauischen Hochzeit --- laden Herolde die Dorfbewohner zum Hochzeitsschmaus...

 

 

 

--- ist das ganze Dorf zu Gast...

 

 

 

--- tragen die Frauen mit moldauischen Tanzschritten die Hochzeitsgeschenke aus dem Haus.

Fotos aus: Rellers Völkerschafts-Archiv

 

Pogrom von Kischinjow: "Korolenkos Biographie ist voller Handlungen, die ihm das Gewissen diktierte. 1895 mischt er sich in ein völlig hoffnungsloses Gerichtsverfahren gegen das Volk der Udmurten ein; ingrimmig tritt er 1903 dem Pogrom von Kischinjow [Moldova] entgegen; 1910 sehen wir ihn im Widerstand gegen die Militärgerichte, die dem Angeklagten jedes Recht auf Verteidigung absprachen. Er wandte sich gegen die vorfabrizierte Anklage gegen den Juden Bejlis, dem ein `Ritualmord´ an einem Christen unterschoben wurde - in einem Prozeß, der die russische Variante des Dreiyfus-Skandals darstellte."

Daniil Granin in: Die verlorene Barmherzigkeit, 1993

 

 Aus FREIE WELT 11/80: Moldauisches Rezept für vier Personen:

 

 Moldauische Hochzeitsschoten

 

Die Zutaten: 8 Paprikaschoten, 1/2 kopf Weißkohl, 8 Zwiebeln, 4 Möhren, 20 g geriebener Käse, 4-5 Esslöffel Speiseöl, Petersilie, Dill, Salz und Pfeffer nach Geschmack.

Die Füllung: Kohl, Möhren und Zwiebeln säubern bzw. schälen, spülen, in feine Stäbchen schneiden in in heißem Speiseöl auf der Pfanne anbraten, dann salzen, pfeffern; gehackte Petersilie und Dill hinzufügen, gut vermengen. Die Paprikaschoten spülen, 2 bis 3 Minuten in kochendes Wasser legen, dann in einem Sieb abtropfen lassen. Nun die Schoten füllen, in einen flachen, breiten Topf tun, etwas Wasser darüber sprengen und mit dem geriebenen Käse bestreuen. Den Topf zugedeckt in die Bratröhre schieben und 30 bis 40 Minuten bei 150 Grad schmoren lassen.

Die Gerichte seien für sich genommen sehr schmackhaft und für den west- bis mitteleuropäischen Gaumen sehr geeignet, schreiben Frieder Monzer und Timo Ullrichs in ihrem Reiseführer MOLDOVA. "Kommt aber hinzu, dass sie vor Ort in Moldau genossen werden und sich der geschmackliche Eindruck mit den anderen Sinneseindrücken aus der schönen landschaftlichen Umgebung vereinen sowie mit dem Genuss der moldauischen Gastfreundschaft zusammenfallen, dann fühlt man sich kulinarisch wie im siebenten Himmel" - was ich bestätigen kann!

Gesammelt von Gisela Reller

Als Journalistin der Illustrierten FREIE WELT  habe ich auf allen meinen Reportagereisen in die Sowjetunion jahrzehntelang nicht nur Sprichwörter und Rezepte der dort ansässigen Völker gesammelt, sondern auch Märchen und Lyrik... – von den Völkern selbst,  von einschlägigen Wissenschaftlern und Ethnographen, aus Büchern ... - bei einem vierwöchigen Aufenthalt in Moskau saß ich Tag für Tag in der Leninbibliothek.

 

Das moldauische Märchen  Wie Tyndale Milch und Sahne einkaufte

 

  (bisher Unveröffentlicht)

 

*

Eines schönen Tages schickte Tyndales Frau ihn auf den Markt. Er sollte saure Milch und saure Sahne kaufen. Zwar ging Tyndale gleich los, vergaß aber den Krug. Auf dem Markt angekommen, war er ganz ratlos. Umkehren? Kurz entschlossen nahm er seinen Hut ab und dachte: "Da geht doch auch alles rein." Die Milchfrau tat, worum Tyndale sie bat: Sie goss die saure Milch in den Hut. Aber wohin nun mit der saueren Sahne? Da hatte Tyndale die Idee, den Hut einfach umzudrehen. Er stülpte den Hut um und merkte gar nicht, dass die saure Milch auf die Erde floss. Er kaufte nun die saure Sahne und macht sich auf den Heimweg. Seine Frau wartete schon auf ihn. Als sie sah, dass er nur saure Sahne gekauft hatte, fragte sie ihn verwundert: "Wo hast du denn die saure Milch?" - "Hier ist sie", antwortete Tyndale und stülpte den Hut wieder um... Nichts blieb von Tyndales Einkäufen - der Kuckuck soll ihn holen!

 

*

Aus dem Russischen übersetzt von Raissa Netschajewa, gesammelt von Gisela Reller

 

 

Das Zitat:  "Der Alltag verläuft in [Moldova] in friedlichen Bahnen, die Gastfreundschaft ist beeindruckend, mancher Einheimische strahlt mehr Elan und Lebensfreude aus als mancher Wohlstandsbürger im Westen."

 Frieder Monzer und Timo Ulrichts aus dem Vorwort zu MOLDOVA, 2013

 

 

Das moldauische  Gedicht

Die Nächte Moldawiens von Jemiljan Bukow (bisher Unveröffentlicht) 

 

Wie hell sind im Sommer Moldawiens Nächte.

Der Mond, eine blanke vergoldete Scheibe,

schwebt sachte dahin in der tiefdunklen Bläue,

durchsichtigen Schwänen gleich fliegen die Wolken

und lösen sich auf und entstehen aufs neue...

Im traumhaften Schimmer der silbernen Strahlen

die Reben sich recken längs welliger Hänge,

die Erde ist trunken vom Schlaf und von Säften,

und bläulicher Schatten sich senkt auf die Täler -

die tragen im Rockzipfel prall reife Birnen.

Der wind schleicht sich leis durch des Wirrwarr der Blattwerks

und springt wie ein zärtliches, spielendes Kätzchen

hinauf in die Wipfel der schlummernden Bäume,

bleibt hängen im grauen Gebüsch an der Straße

und raschelt und wispert, um bald zu verstummen.

Fast scheint es, als lachten die zartgrünen Zweige

in dieser durchsichtigen moldauischen Mondnacht.

Ein nächtliches Lied sich ergießt übers Ufer,

das Trillern des Fluers schwebt über den Wellen,

die Flut überholend mit samtweichen Klängen.

Jäh zittert die Luft unter schreckhaften Schwingen.

Ein Mädchen blickt flüchtig dem Vogel nach - träumend

vom eigenen Nest, das im Herbst sie wird bauen.

frei schwingt sich der Traum der moldauischen Schönen

hinaus in die helle moldauische Mondnacht.

 

Übersetzt aus dem Russischen von Johann Warkentin; gesammelt von Gisela Reller

 

 

"Die Rettung für uns Moldawier war immer, dass wir unseren Prinzipien treu geblieben sind, egal, was in der Welt gerade passierte. Unserer Art zu leben, unserer Kultur, unserer Musik."

Patricia Kopatchinskaja (Geigerin, geboren 1977) in der "Zeit"

om 2. Januar 2014

 

 

Rezensionen und Literaturhinweise (Auswahl) zu den MOLDAUERN:

(mit Bessarabien/Transnistrien/Czernowitz):

 

 

Rezensionen in meiner Webseite www.reller-rezensionen.de

 

* KATEGORIE BELLETRSTIK: Elfi Hartenstein, Moldawisches Roulette, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2004.

"Die Autorin Elfi Hartenstein, Dozentin für das Goethe-Institut, lebte zwei Jahre lang in Moldowas Hauptstadt Chişinau, um moldawischen Studenten am dortigen Institut für Sprache und Literatur der Akademie der Wissenschaften die deutsche Sprache beizubringen; sie selbst lernte während dieser Zeit moldawisch [moldauisch], alle Achtung! - `Moldawisches Roulette´ ist ein spannender Kriminalroman über eine deutsche Lehrerin, die ins Visier der Politmafia gerät, weil sie sich ein bisschen zu sehr für Land und Leute interessiert. Mich hat gerade beeindruckt, dass man aus Elfi Hartensteins Buch so viel erfährt über Land und Leute der ehemaligen Moldawischen Sozialistischen Sowjetrepublik, die im August 1991 ihre Unabhängigkeit erklärte."

In: www.reller-rezensionen.de

* KATEGORIE BELLETRSTIK: Britta Wollenweber/Peter Franke (Redaktion), Moldowa, Land am Dnestr, Aus dem Russchen von Rita Schick, Valentina Dwinskaja, Nelli Soghomonian. Mit zahlreichen Fotos. Wostok Verlag, Berlin 2004.

"Sonst hört und liest man über Moldowa in unseren Medien wirklich herzlich wenig. Kurz nach Gorbatschows Regierungszeit allerdings war Moldowa oft in den Schlagzeilen, als Beispiel dafür, wie ein klassisches Weinland seiner Antialkoholkampagne zum Opfer gefallen war; ganze Weinberge hatte man damals in Moldowa (und nicht nur dort) vernichtet. Von zwei Millionen Tonnen Weintrauben wurden nur noch etwa 400 000 Tonnen geerntet; die meisten Betriebe wurden gezwungen, auf Saftprodukte umzusteigen. Zur Zeit der " Gorbatschowschen Perestroika fegte die Antialkoholkampagne wie ein Tornado über die Republik."

In: www.reller-rezensionen.de

* KATEGORIE BELLETRSTIK : Ilja Mitrofanow, Der Zeuge, aus dem Russischen von Ingeborg Schröder, Verlag Volk & Welt, Berlin 1996.

"Wegen einer Missernte kommt es dann auch noch zu einer entsetzlichen Hungersnot. Wie der Friseurmeister Fjodor Petrowitsch Pokora und seine bessarabischen Landsleute das Hungern erleben, werde ich nach dieser Lektüre nie mehr vergessen. Als die vor Hunger wahnsinnigen Menschen - `Ein Satter weiß nicht, wie einem Hungrigen zumute ist.´- das Haus des Genossen `Stadthalters´ stürmen, finden sie Berge von gehorteten Lebensmitteln. Sie plündern und rächen sich für das Erlittene an der fetten Tochter. Die Antwort: Scharfschützen, ein Strafkommando..."

In: www.reller-rezensionen.de

* KATEGORIE SACHBUCH : Julius Wolfenhaut, Nach Sibirien verbannt, Herausgegeben von Wolfgang Benz, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/Main 2005.

"Ich war siebenundzwanzig, lebensfroh und voller stolzer Zukunftspläne, als das bolschewistische Unheil über uns hereinbrach. Als kraftloser Greis kehrte ich mit einundachtzig Jahren nach Europa zurück." Julius Wolfenhaut lebt heute in Regensburg. Obwohl Julius Wolfenhaut in der Verbannung seine Mutter verlor und selbst Schauderhaftes erlebte, schreibt er: `Hier will ich anmerken, dass mir in der Verbannung durchaus nicht nur Böses widerfahren ist. Böse ist nur das System; die Menschen an sich, soweit sie das System nicht pervertiert hat, sind hilfsbereit und gut. Ich habe in Sibirien unter meinen Kollegen, Bekannten, Schülern viele wahre Freunde gefunden und behalte sie in guter Erinnerung.´

In: www.reller-rezensionen.de

Literaturhinweise (Auswahl)

 

 * Dumitri Almaş, Ein Mann reist um die Welt, Leben und Wirken eines moldauischen Gelehrten des 17. Jahrhunderts, Verlag Neues Leben, Berlin 1960.

 

* Rolf Bauerdick, Zigeuner, Begegnungen mit einem ungeliebten Volk, Pantheon Verlag 2015.

Vorbehalte und Berührungsängste, die nicht zuletzt ein Erbe des Nationalsozialismus sind, verstellen in Deutschland den Blick auf Zigeuner. Rolf Bauerdick taucht ein in die Kultur der größten europäischen Minderheit und zeichnet ein lebendiges Bild ihres Alltags. Auf über einhundert Reisen in elf Länder (u. a. in Moldova) begegnet er Menschen, die sich selbstverständlich als `Zigeuner´ bezeichnen. In seinen Schilderungen schöpft er aus der Fülle dieser persönlichen Erfahrungen, faszinierenden wie erschütternden. Und er geht den Ursachen einer dramatischen Verelendung und der Zunahme von Konflikten auf den Grund, frei von dem Vorurteil, dass die einen immer Opfer, die anderen immer Täter sind. - Ein so ehrliches Buch über die Zigeuner - wie ich noch keines las!

"Es ist das Buch eines ausgewiesenen Kenners der Roma. Und, ich möchte hinzufügen: Es ist das Buch eines Liebhabers der Zigeuner, der Kampf eines Reporters darum, dass man diesem Volk nur helfen kann, wenn man es mag und liebt."

Rupert Neudeck im Nachwort, 2015

* Ion Druţǎ, Die weiße Kirche, Historischer Roman, Aus dem Russischen von Harry Burck, Verlag Volk und Welt, Berlin 1985.

Ion Druţǎ, 1928 als Bauernsohn im bessarabischen Dorf Horodiştǎ geboren, fand 1950 den Weg zur Literatur und absolvierte 1957 das Gorki- Literaturinstitut in Moskau. Druţǎ schildert den zweiten Russisch-türkischen Krieg (1787-1791), der als christlicher Krieg gen die Muselmanen verbrämt wurde. Er gestaltet die historische rolle der Kirche und des Glaubens für das kleine moldovische Volk, das, Kämpfen und Verwüstungen ausgeliefert, seine nationale Indentität nur mit der Kirche zu bewahren vermochte. Katharina, eine schlichte moldovische Bäuerin ist es, die die halbzerstörte Kirche ihres Dorfes rettet und wiederaufbaut, so dass sie weiß überm Dnjestr leuchtet - Symbol der Hoffnung für das geschundene Volk.

 

* Ion Druţǎ, Die Last unserer Güte, Ins Deutsche übertragen von Harry Burck, Verlag Volk und Welt, Berlin 1971.

Die Grundidee in dieser lyrisch-epischen Novelle ist, das Leben in seiner bürdevollen, beglückenden Fortdauer, in seinem Beharrungsvermögen und Vorwärtsdrängen, seiner Fähigkeit, sich unvermindert, ja bereichert weiterzugeben. Auf den Hindergrund unsterblicher folkloristischer Motive zeichnet Druţǎ seismographisch genau die wechselnden, der erde verhafteten physischen und seelischen zustände seiner Helden, Menschen eines moldavischen Steppendorfes, das aus dem Nachkriegselend zu neuer Blüte aufsteigt.

 

* Wassili Großmann/Ilja Ehrenburg, Das Schwarzbuch, Der Genozid an den sowjetischen Juden, Deutsch von Ruth und Heinz Deutschland, Herausgeber der deutschen Ausgabe: Arno Lustiger, Rowohlt Verlag, Reinbeck bei Hamburg, 1994.

Bei der Befreiung der besetzten Gebiete der Sowjetunion im Sommer 1944 "fand die sowjetische Armee praktische keine Juden mehr vor. Von 2 750 000 Juden, die in den besetzten Gebieten unter deutscher Herrschaft geraten waren (...) hatten nur sehr wenige überlebt, die meisten in den westlichen Gebieten. Mit dem Leben davongekomen war, wer sich bei Einheimischen verstecken oder als Arier ausgeben konnte, wer sich in den Wäldern verborgen hielt oder sich den Partisanen anschloss und wer die entsetzlichen Erfahrungen in den Lagern überstand. (...) Die Jahre der deutschen Besatzung, die Jahre des Holocaust (Schoa), waren die schwierigsten und tragischsten in der jahrhundertealten Geschichte der russischen Juden."

 

* Hannes Hofbauer/Viorel Roman, Bukowina, Bessarabien, Moldawien, Vergessenes Land zwischen Westeuropa, Rußland und der Türkei, Editon "Brennpunkt Osteuropa", PROMEDIA, Wien 1993.

Die Autoren haben sich auf historische Fährtensuche begeben. Den Ursachen der ständig wechselnden geistigen und politischen Einflüsse und der territorialen Zersplitterung in dieser südosteuropäischen Region gehen sie bis zur österreichischen Besetzung der Bukowina und dem Russisch-Türkisch-Österreichischen Krieg am Ende des 18. Jahrhunderts nach, analysieren die Rolle Rumäniens seit seiner Staatsgründung Ende des vorigen Jahrhunderts und beschreiben die Folgen des Hitler-Stalin-Paktes für diesen Teil Europas. Die Verschiedenartigkeit des Lebensalltags in Städten wie Czernowitz und Kischinjow (Chişinǎu) wird an Hand von Reportagen vermittelt, die den aktuellen ethnischen Konflikten und wirtschaftlichen Schwierigkeiten der sich neuordnenden Gesellschaft Platz einräumen.

 

* Frieder Monzer/Timo Ulrichs, MOLDOVA, Mit Chişinǎu, ganz Bessarabien und Transdnestrien, Trescher Verlag, Berlin 2013.

Das ist der erste deutschsprachige Reiseführer über Moldova (Republik Moldau, ehemalige Sowjetrepublik Moldawien). "Von den teilweise grotesken Klischees über Moldova sollte man sich nicht abschrecken lassen. Das sympathische Land bietet kulturinteressierten und naturverbundenen Touristen viele besuchenswerte Ziele", versprechen die Autoren. Ein typischer Trescher-Reiseführer - gut geschrieben und unschlagbar informativ.

 

* Die goldene Schale und andere Märchen der Völker der Sowjetunion, darin: die moldauischen Märchen "Wie die Brüder ihres Vaters Schatz fanden" und "Basilik Fet-Frumos und Iljana Kosynsjana, sie Sonnenschwester",  aus dem Russischen von H. Eschwege und L. Labas, Verlag Progess, Moskau 1975 (?).

 

 

"Außer den Bessarabiern hat kein einziges Volk auf der Welt so oft an der eigenen Haut gespürt, was es heißt, in einem Land schlafen zu gehen und in einem anderen aufzuwachen."

 

In: "Wostok", Moldova Spezial 2004

 

 

 

 

Bibliographie zu Gisela Reller

 

Bücher als Autorin:

 

Länderbücher:

 

* Zwischen Weißem Meer und Baikalsee, Bei den Burjaten, Adygen und Kareliern,  Verlag Neues Leben, Berlin 1981, mit Fotos von Heinz Krüger und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.

 

* Diesseits und jenseits des Polarkreises, bei den Südosseten, Karakalpaken, Tschuktschen und asiatischen Eskimos, Verlag Neues Leben, Berlin 1985, mit Fotos von Heinz Krüger und Detlev Steinberg und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.

 

* Von der Wolga bis zum Pazifik, bei Tuwinern, Kalmyken, Niwchen und Oroken, Verlag der Nation, Berlin 1990, 236 Seiten mit Fotos von Detlev Steinberg und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.

 

Biographie:

 

* Pater Maksimylian Kolbe, Prior von Niepokalanów und Auschwitzhäftling Nr. 16 670, Tue recht, was du tust, Ausgabe 16670, Band 19 von Christ in der Welt, Union Verlag, Berlin 1984, 2. Auflage.

 

 

... als Herausgeberin:

 

Sprichwörterbücher:

 

* Aus Tränen baut man keinen Turm, ein kaukasischer Spruchbeutel, Weisheiten der Adygen, Dagestaner und Osseten, Eulenspiegel Verlag Berlin in zwei Auflagen (1983 und 1985), von mir übersetzt und herausgegeben, illustriert von Wolfgang Würfel.

* Dein Freund ist dein Spiegel, ein Sprichwörter-Büchlein mit 111 Sprichwörtern der Adygen, Dagestaner Kalmyken, Karakalpaken, Karelier, Osseten, Tschuktschen und Tuwiner, von mir gesammelt und zusammengestellt, mit einer Vorbemerkung und ethnographischen Zwischentexten versehen, die Illustrationen stammen von Karl Fischer, die Gestaltung von Horst Wustrau, Herausgeber ist die Redaktion FREIE WELT, Berlin 1986.

 * Liebe auf Russisch, ein in Leder gebundenes Mini-Bändchen im Schuber mit Sprichwörtern zum Thema „Liebe“, Buchverlag Der Morgen, Berlin 1990, von mir (nach einer Interlinearübersetzung von Gertraud Ettrich) in Sprichwortform gebracht, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen, illustriert von Annette Fritzsch.

Aphorismenbuch:

* 666 und sex mal Liebe, Auserlesenes, 2. Auflage, Mitteldeutscher Verlag Halle/Leipzig, 200 Seiten mit Vignetten und Illustrationen von Egbert Herfurth.

 

... als Mitautorin:

 

Kinderbücher:

 

* Warum? Weshalb? Wieso?, Ein Frage-und-Antwort-Buch für Kinder, Band 1 bis 5, Herausgegeben von Carola Hendel, reich illustriert, Verlag Junge Welt, Berlin 1981 -1989.

 

Sachbuch:

 

* Die Stunde Null, Tatsachenberichte über tapfere Menschen in den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges, Hrsg. Ursula Höntsch, Verlag der Nation 1966.

 

* Kuratorium zur kulturellen Unterstützung deutscher Minderheiten im Ausland e. V., Herausgegeben von Leonhard Kossuth unter Mitarbeit von Gotthard Neumann, Nora Verlag 2008.

 

 

... als Verantwortliche Redakteurin

 

* Leben mit der Erinnerung, Jüdische Geschichte in Prenzlauer Berg, Edition  Hentrich, Berlin 1997, mit zahlreichen Illustrationen.

 

* HANDSCHLAG, Vierteljahreszeitung für deutsche Minderheiten im Ausland, Herausgegeben vom Kuratorium zur kulturellen Unterstützung deutscher Minderheiten im Ausland e. V., Berlin 1991 - 1993.

 

 

Die erste Ausgabe von HANDSCHLAG liegt vor. Von links: Dr. Gotthard Neumann, Leonhard Kossuth (Präsident), Horst Wustrau (Gestalter von HANDSCHLAG), Gisela Reller, Dr. Erika Voigt

(Mitarbeiter des Kuratoriums zur kulturellen Unterstützung deutscher Minderheiten im Ausland e. V.).

Foto aus: Rellers Völkerschafts-Archiv

 

"Die Republik Moldau zeichnet sich durch einen gastfreundlichen, toleranten rumänisch-russisch-türkischen Kulturmix zwischen Okzident und Orient aus. (...) Besonderheiten sind das autonome Gebiet Gagausien und die ehemaligen Siedlungen der Bessarabiendeutschen.

Frieder Monzer / Timo Ullrichs in: Moldova, 2013

 

 

 

 

 

Pressezitate (Auswahl)  zu Gisela Rellers Buchveröffentlichungen:

 

 

Dieter Wende in der „Wochenpost“ Nr. 15/1985:

„Es ist schon eigenartig, wenn man in der Wüste Kysyl-Kum von einem Kamelzüchter gefragt wird: `Kennen Sie Gisela Reller?´ Es ist schwer, dieser Autorin in entlegenen sowjetischen Regionen zuvorzukommen. Diesmal nun legt sie mit ihrem Buch Von der Wolga bis zum Pazifik Berichte aus Kalmykien, Tuwa und von der Insel Sachalin vor. Liebevolle und sehr detailgetreue Berichte auch vom Schicksal kleiner Völker. Die ethnografisch erfahrene Journalistin serviert Besonderes. Ihre Erzählungen vermitteln auch Hintergründe über die Verfehlungen bei der Lösung des Nationalitätenproblems.“

B(erliner) Z(eitung) am Abend vom 24. September 1981:

"Gisela Reller, Mitarbeiterin der Illustrierten FREIE WELT, hat autonome Republiken und Gebiete kleiner sowjetischer Nationalitäten bereist: die der Burjaten, Adygen und Karelier. Was sie dort ... erlebte und was Heinz Krüger fotografierte, ergíbt den informativen, soeben erschienenen Band Zwischen Weißem Meer und Baikalsee."

Sowjetliteratur (Moskau)Nr. 9/1982:

 "(...) Das ist eine lebendige, lockere Erzählung über das Gesehene und Erlebte, verflochten mit dem reichhaltigen, aber sehr geschickt und unaufdringlich dargebotenen Tatsachenmaterial. (...) Allerdings verstehe ich sehr gut, wie viel Gisela Reller vor jeder ihrer Reisen nachgelesen hat und wie viel Zeit nach der Rückkehr die Bearbeitung des gesammelten Materials erforderte. Zugleich ist es ihr aber gelungen, die Frische des ersten `Blickes´ zu bewahren und dem Leser packend das Gesehene und Erlebte mitzuteilen. (...) Es ist ziemlich lehrreich - ich verwende bewusst dieses Wort: Vieles, was wir im eigenen Lande als selbstverständlich aufnehmen, woran wir uns ja gewöhnt haben und was sich unserer Aufmerksamkeit oft entzieht, eröffnet sich für einen Ausländer, sei es auch als Reisender, der wiederholt in unserem Lande weilt, sozusagen in neuen Aspekten, in neuen Farben und besitzt einen besonderen Wert. (...) Mir gefällt ganz besonders, wie gekonnt sich die Autorin an literarischen Quellen, an die Folklore wendet, wie sie in den Text ihres Buches Gedichte russischer Klassiker und auch wenig bekannter nationaler Autoren, Zitate aus literarischen Werken, Märchen, Anekdoten, selbst Witze einfügt. Ein treffender während der Reise gehörter Witz oder Trinkspruch verleihen dem Text eine besondere Würze. (...) Doch das Wichtigste im Buch Zwischen Weißem Meer und Baikalsee sind die Menschen, mit denen Gisela Reller auf ihren Reisen zusammenkam. Unterschiedlich im Alter und Beruf, verschieden ihrem Charakter und Bildungsgrad nach sind diese Menschen, aber über sie alle vermag die Autorin kurz und treffend mit Interesse und Sympathie zu berichten. (...)"

Neue Zeit vom 18. April 1983:

„In ihrer biographischen Skizze über den polnischen Pater Maksymilian Kolbe schreibt Gisela Reller (2. Auflage 1983) mit Sachkenntnis und Engagement über das Leben und Sterben dieses außergewöhnlichen Paters, der für den Familienvater Franciszek Gajowniczek freiwillig in den Hungerbunker von Auschwitz ging.“

Der Morgen vom 7. Februar 1984:

„`Reize lieber einen Bären als einen Mann aus den Bergen´. Durch die Sprüche des Kaukasischen Spruchbeutels weht der raue Wind des Kaukasus. Der Spruchbeutel erzählt auch von Mentalitäten, Eigensinnigkeiten und Bräuchen der Adygen, Osseten und Dagestaner. Die Achtung vor den Alten, die schwere Stellung der Frau, das lebensnotwendige Verhältnis zu den Tieren. Gisela Reller hat klug ausgewählt.“

1985 auf dem Solidaritätsbasar auf dem Berliner Alexanderplatz: Gisela Reller (vorne links) verkauft ihren „Kaukasischen Spruchbeutel“ und 1986 das extra für den Solibasar von ihr herausgegebene Sprichwörterbuch

„Dein Freund ist Dein Spiegel“.

Foto: Alfred Paszkowiak

 Neues Deutschland vom 15./16. März 1986:

"Vor allem der an Geschichte, Bräuchen, Nationalliteratur und Volkskunst interessierte Leser wird manches bisher `Ungehörte´ finden. Er erfährt, warum im Kaukasus noch heute viele Frauen ein Leben lang Schwarz tragen und was es mit dem `Ossetenbräu´ auf sich hat, weshalb noch 1978 in Nukus ein Eisenbahnzug Aufsehen erregte und dass vor Jahrhunderten um den Aralsee fruchtbares Kulturland war, dass die Tschuktschen vier Begriff für `Freundschaft´, aber kein Wort für Krieg besitzen und was ein Parteisekretär in Anadyr als notwendigen Komfort, was als entbehrlichen Luxus ansieht. Großes Lob verdient der Verlag für die großzügige Ausstattung von Diesseits und jenseits des Polarkreises.“

 

 Gisela Reller während einer ihrer über achthundert Buchlesungen

in der Zeit von 1981 bis 1991.

Berliner Zeitung vom 2./3. Januar 1988:

„Gisela Reller hat klassisch-deutsche und DDR-Literatur auf Liebeserfahrungen durchforscht und ist in ihrem Buch 666 und sex mal Liebe 666 und sex mal fündig geworden. Sexisch illustriert, hat der Mitteldeutsche Verlag Halle alles zu einem hübschen Bändchen zusammengefügt.“

Neue Berliner Illustrierte (NBI) Nr. 7/88:

„Zu dem wohl jeden bewegenden Thema finden sich auf 198 Seiten 666 und sex mal Liebe mannigfache Gedanken von Literaten, die heute unter uns leben, sowie von Persönlichkeiten, die sich vor mehreren Jahrhunderten dazu äußerten.“

Das Magazin Nr. 5/88.

"`Man gewöhnt sich daran, die Frauen in solche zu unterscheiden, die schon bewusstlos sind, und solche, die erst dazu gemacht werden müssen. Jene stehen höher und gebieten dem Gedenken. Diese sind interessanter und dienen der Lust. Dort ist die Liebe Andacht und Opfer, hier Sieg und Beute.´ Den Aphorismus von Karl Kraus entnahmen wir dem Band 666 und sex mal Liebe, herausgegeben von Gisela Reller und illustriert von Egbert Herfurth."

 

 

Schutzumschlag zum „Buch 666 und sex mal Liebe“.

Zeichnung: Egbert Herfurth

 

Messe-Börsenblatt, Frühjahr 1989:

"Die Autorin – langjährige erfolgreiche Reporterin der FREIEN WELT - ist bekannt geworden durch ihre Bücher Zwischen Weißem Meer und Baikalsee und Diesseits und jenseits des Polarkreises. Diesmal schreibt die intime Kennerin der Sowjetunion in ihrem Buch Von der Wolga bis zum Pazifik über die Kalmyken, Tuwiner und die Bewohner von Sachalin, also wieder über Nationalitäten und Völkerschaften. Ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wird uns in fesselnden Erlebnisberichten nahegebracht."

Im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel schrieb ich in der Ausgabe 49 vom 7. Dezember 1982 unter der Überschrift „Was für ein Gefühl, wenn Zuhörer Schlange stehen“:

„Zu den diesjährigen Tagen des sowjetischen Buches habe ich mit dem Buch Zwischen Weißem Meer und Baikalsee mehr als zwanzig Lesungen bestritten. (…) Ich las vor einem Kreis von vier Personen (in Klosterfelde) und vor 75 Mitgliedern einer DSF-Gruppe in Finow; meine jüngsten Zuhörer waren Blumberger Schüler einer 4. Klasse, meine älteste Zuhörerin (im Schwedter Alten- und Pflegeheim) fast 80 Jahre alt. Ich las z.B. im Walzwerk Finow, im Halbleiterwerk Frankfurt/Oder, im Petrolchemischen Kombinat Schwedt; vor KIM-Eiersortierern in Mehrow, vor LPG-Bauern in Hermersdorf, Obersdorf und Bollersdorf; vor zukünftigen Offizieren in Zschopau; vor Forstlehrlingen in Waldfrieden; vor Lehrlingen für Getreidewirtschaft in Kamenz, vor Schülern einer 7., 8. und 10 Klasse in Bernau, Schönow und Berlin; vor Pädagogen in Berlin, Wandlitz, Eberswalde. - Ich weiß nicht, was mir mehr Spaß gemacht hat, für eine 10. Klasse eine Geographiestunde über die Sowjetunion einmal ganz anders zu gestalten oder Lehrern zu beweisen, dass nicht einmal sie alles über die Sowjetunion wissen – was bei meiner Thematik – `Die kleinen sowjetischen Völkerschaften!´ – gar nicht schwer zu machen ist. Wer schon kennt sich aus mit Awaren und Adsharen, Ewenken und Ewenen, Oroken und Orotschen, mit Alëuten, Tabassaranern, Korjaken, Itelmenen, Kareliern… Vielleicht habe ich es leichter, Zugang zu finden als mancher Autor, der `nur´ sein Buch oder Manuskript im Reisegepäck hat. Ich nämlich schleppe zum `Anfüttern´ stets ein vollgepacktes Köfferchen mit, darin von der Tschuktschenhalbinsel ein echter Walrosselfenbein-Stoßzahn, Karelische Birke, burjatischer Halbedelstein, jakutische Rentierfellbilder, eskimoische Kettenanhänger aus Robbenfell, einen adygeischen Dolch, eine karakalpakische Tjubetejka, der Zahn eines Grauwals, den wir als FREIE WELT-Reporter mit harpuniert haben… - Schön, wenn alles das ganz aufmerksam betrachtet und behutsam befühlt wird und dadurch aufschließt für die nächste Leseprobe. Schön auch, wenn man schichtmüde Männer nach der Veranstaltung sagen hört: `Mensch, die Sowjetunion ist ja interessanter, als ich gedacht habe.´ Oder: `Die haben ja in den fünfundsechzig Jahren mit den `wilden´ Tschuktschen ein richtiges Wunder vollbracht.´ Besonders schön, wenn es gelingt, das `Sowjetische Wunder´ auch denjenigen nahezubringen, die zunächst nur aus Kollektivgeist mit ihrer Brigade mitgegangen sind. Und: Was für ein Gefühl, nach der Lesung Menschen Schlange stehen zu sehen, um sich für das einzige Bibliotheksbuch vormerken zu lassen. (Schade, wenn man Kauflustigen sagen muss, dass das Buch bereits vergriffen ist.) – Dank sei allen gesagt, die sich um das zustande kommen von Buchlesungen mühen – den Gewerkschaftsbibliothekaren der Betriebe, den Stadt- und Kreisbibliothekaren, den Buchhändlern, die oft aufgeregter sind als der Autor, in Sorge, `dass auch ja alles klappt´. – Für mich hat es `geklappt´, wenn ich Informationen und Unterhaltung gegeben habe und Anregungen für mein nächstes Buch mitnehmen konnte.“

Die Rechtschreibung der Texte wurde behutsam der letzten Rechtschreibreform angepasst.

 

Die MOLDAUER wurden am 29.01.2014 ins Netz gestellt. Die letzte Bearbeitung erfolgte am 16.01.2016.

 

Die Weiterverwertung der hier veröffentlichten Texte, Übersetzungen, Nachdichtungen, Fotos, Zeichnungen, Illustrationen... ist nur mit Verweis auf die Internetadresse  www.reller-rezensionen.de gestattet - und mit  korrekter Namensangabe des jeweils genannten geistigen Urhebers.

Zeichnung: Karl-Heinz Döhring